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Bei Beantwortung des zweiten Theiles : „Ueber
die Anwendung des Gebetes in der Schule“,
ſtellte er die Fragen: 1) Wer ſoll beten? 2) Wie?
3) Wann oder auf welcher Klaſſenſtufe ſol mit dem
Beten begonnen werden? 4) Wie oft? und 5) Was
ſoll gebetet werden 3) Wer ſoll beten? Der Lehrer
nd die Schüler abwehſelnd. Der Lehrer vor Allen,
beſonders bei Kleinen, weil er am meiſten von
Religioſität durc<drungen ſei und durch ſein Beiſpiel
die Kinder beten lehren ſole. Die Schüler, weil
es ihnen Freude mache, zu beten, um ihre Gefühle
ſelbſt auszuſprehen. Sie könnten es auch, weil ſie
durch den Religionsunterricht dazu vorbereitet wären.
Störungen der Andacht könnten vielleicht dabei vor-
kommen. Der Schüler, der dazu Veranlaſſung gebe,
müſſe eine Zeit lang vom Beten ausgeſchloſſen werden.
2) Wie ſoll gebetet werden? Mit Würde, Anſtand,
frommem Sinne und im Geiſte des Ehriſtenthumes.
3) Wann oder auf welcher Klaſſenſtufe ſol mit
dem Beten begonnen werden? Auf den unterſten,
weil die Kinder ſchon zu Hauſe meiſtens zu kleinen |
Morgen- und Abendgebeten angehalten würden, das
Beten ihnen Freude mache, und ſie ſi< dadurc< er-
griffen fühlten. 4) Wie oft ſoll gebetet werden?
Nicht zu oft, um den Fehler des Plapperns zu verhüten,
den der Heiland tadelt, und um nicht in Mechanismus
zu verfallen. Beim Anfange und S< luſſe der Schule,
Vor- und Nachmittags regelmäßig zu beten, ſei
tadelswerth, da am Schluſſe der Schule ſowohl den
Lehrern, als auch den Schülern meiſt die rechte
Stimmung fehle. Regelmäßig ſei zu beten am
frühen Morgen nach vorhergegangenem Geſange, be- !
ſonders vor Beginn des Religionsunterrichtes z; jedo<
könne es auch zuweilen während deſſelben geſchehen,
wenn ſich Gelegenheit dazu biete. Außerdem ſei zu
beten beim Wochen - und Vierteljahrsöſchluß und bei
anderen Gelegenheiten. 5) Was ſoll gebetet werden?
Das Beſte ſei, aus dem Herzen zu beten, doch könne
zuweilen mit Formelgebeten abgewechſelt werden. Was
gebetet werde, müſſe aber der Bildungsſtufe der Kinder
angemeſſen ſein. Schließlich bemerkte noh der Referent,
wie ſeine eigene Erfahrung gegen die Anſicht ſpreche,
daß es verwerflich ſei, von den Schülern beten zu
laſſen, weil die Andacht fehle, wie aber ſeine Er-
fahrung dafür ſpreche, daß es einen heilſamen Eindru>
auf die Schüler mache, wenn der Lehrer im Beten
mit ihnen abwechſele.
Köhler aus Corba<. Er habe Lehrer kennen
gelernt, die gegen die Unwendung der Gebete in der
Schule wären, weil die Noth den Menſchen ſelbſt
beten lehre, und weil keine Formeln gelehrt werden
dürften, da dieſes zum Geplapper führe. Andere
wären gegen das Gebet mit kleinen Kindern. Hierbei
erinnert der Sprecher an das Wort Gräfe's, daß
die Kleinen bei ihrer. Wißbegierde und Phantaſie
durch das Gebet für eine Geiſterwelt erregt würden,
und die Liebe zu den Aeltern die Herzen zur Ehr-
ſurcht und Dankbarkeit gegen Gott öffne. No<h
Andere hielten das Gebet für überflüſfig, weil jeder
Gedanke an Gott ſhon Gebet ſei. Dagegen ſcheine
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furc<ht, Liebe und Dankbarkeit in Worten auszudrüen.
Natürlich, weil der Mund üÜbergehe von dem, deß
das Herz voll ſeiz wichtig, weil das Gebet ein vor-
züglicges Beſſerungsmittel ſei, da es zur Selbſter-
kenntniß führe. Es ſei ein Athmen nach himmliſchex
Luft, eine Erhebung des Herzens zu dem Allmächtigen,
wodurch der Gedanke an die eigene Schwäche her-
vorgerufen und die Sehnſucht nam Vervollkommnung
gewe&t werde. Ferner ſei das Gebet in der Schule
wichtig um des Beiſpieles willen. Ueber die Wichtig-
keit des Gebetes in der Schule ſei man wohl ein-
verſtanden , allein über die Anwendung deſſelben
herrſchten verſchiedene Anſichten. Die verſchiedenen
Regeln, wie gebetet werden ſolle, ſeien unnütz einfach,
frei, natürlich, aus dem Herzen müſſe gebetet werden.
Wer Übrigens nicht in der rechten Stimmung ſei,
bete lieber gar nicht. Weſſen Herz dagegen voll
und ergriffen ſei, werde auch ohne Vorbereitung das
Beſte treffen. . .
Griebner aus Suhl wünſcht, daß die Ge-
bete ſich an den Inhalt *der Lieder anſchlöſſen, die
vor Beginn des Unterrichts geſungen würden.
Hörnig aus Markranſtädt. Der Zwe
des Schulgebets iſt ein doppelter, ein Zwe> der
Erziehung und ein Zwe der Erbauung. Um
dieſen doppelten ZweE an den Kindern zu erreichen,
muß der Lehrer ſelbſt beten; dort, damit das Kind
beten lernt, hier, damit es in die Stimmung verſeßt
wird, die er hervorrufen will. Um ſeiner ſelbſt wil-
len bedarf es der'Lehrex nicht, einmal, weil er ſchon
| beten kann, und dann, weil er ſchon in der rechten
Stimmung ſein ſoll.
Köhler aus Corbach. Wir dürften beim
Beten nicht an den Zwetk denken, weil dadurc< das
Gebet matt werde. In höhern Klaſſen ſei für Ab-
wechſelung zwiſchen Lehrer und Schülern zu ſorgen,
in den niedern Klaſſen dagegen müſſe der Lehrer das
Gebet ſelbſt verrihten.. 5
Kühne aus Corbac bemerkt gegen Hörnig:
Wenn auch der Lehrer ſchön in der rechten Stim-
mung ſei, dieſe durch das Gebet zur Begeiſterunz
erhoben werden könne.
Dir. Schulze macht darauf aufmerkſam, daß
derjenige, der in der Schule nicht beten gelernt habe,
auch alösdann ni<t werde beten können, wenn es
nöthig ſei. Die Erfahrung lehre auch, daß das
Gebet, von kleinen Kindern geſprochen, auch auf
Andere wirkſam ſei.
Hörnig weißt die Behauptung Köhlers, als
ſei es nicht nöthig, daß der Lehrer beim beten ſich
des Zwekes bewußt ſei, zurüs.
Berthelt aus Dresden äußert ſich dähin,
das Gebet ſei ein religiöſer Akt, und es komme da-
bei ganz beſonders auf die religioſe Stimmung und
auf den religiöſen Zuſtand des Menſchen im Allge-
meinen an. Wie der religivſe Boden im Menfchen
beſchaffen ſei, fo geſtalte ſich auch das Gebet, die
Pflanze, welche dieſem Boden entſpringe. Daher
könnten auch keine allgenfein giltigen Regeln über
das Beten in der Schule aufgeſtelt werden. Ueber
es ihm natürlich und wichtig, die Gefühle der Ehr- | die Bedeutſamkeit des Betens in der Schuke wolle