Full text: Allgemeine deutsche Lehrerzeitung - 4.1852 (4)

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darum für die Aeltern, die dadurch nur bequemer 
würden, beſonderer Erziehungskenntniſſe ebenſowenig, 
als für das erſte Kindesalter einer Pfleganſtalt z; -- 
die praktiſche Nothwendigkeit überführt jene do< tag: 
täglich ihres verderblichen Irrthumes, und die Bil- 
dung, ſowie das Leben geht mitleidig lächelnd an 
denen vorüber, welche die Nichtbildung und die Miß- 
griffe des Naturzuſtandes als geſund und unvermeid- 
lic) anpreiſen. Daß es nun endlich auc< unter den 
Gebildeteren zu einer richtigeren Würdigung der erſten 
Erziehung und zu einer Annahme der ſonſt im AU- 
gemeinen ſo ſehr zurükgewieſenen Beihilfe für dieſe 
Grundlegung des ganzen Baues gekommen iſt, das 
iſt wohl zum Theil Folge der ſteigenden Bildung 
und der weiter verbreiteten Kenntniſſe, zum großen 
Theile aber wiederum das. Verdienſt Friedrich Fröbel's, 
welcher vorzugsweiſe ſeine Thätigkeit den Urelementen 
der Erziehung und deren Anwendung :im Leben ge: 
widmet hat. Hatten doch bisher ſelbſt die umſich: 
tigſten Pädagogen und Erziehungsſchriftſteller gerade 
dieſes Feld faſt unangebaut gelaſſen, und dies wohl 
eben beſonders deshalb, weil man von der hinreichend 
beſchäftigten und dabei doh hierin ſo wenig erfahrenen 
und vorgebildeten Mutter ganz allein Rath und That 
erwartete! Das weitere nicht minder bedeutende Ver- 
dienſt Fröbel's liegt in der durch ſeine Erziehungs- 
mittel zu hoffenden zwe&mäßigeren Beſchäftigung der 
Kinder in den Bewahranſtalten und den ſogenannten 
Striäſchulen. Fing man doh an, in dieſen Bewahr- 
anſtalten, von denen ich deutſche, italieniſche und 
ſc<weizer Anſtalten mehrfa< kennen gelernt habe, 
wieder ſo ſehr in das Lehrelement zu verfallen, daß 
das Spiel aller Pflege und Berüſichtigung entbehrte. 
In den Stri&ſchulen aber (paſſender: Verbuttungs- 
anſtalten genannt) waren und ſind zum großen Theile 
no< die Matronen und die betagten Jungfrauen ſo- 
weit von aller naturgemäßen Beſchäftigung des Kör- 
pers und des Geiſtes entfernt, daß Verkrümmungen 
und Verderbniſſe aller Art ſich ſehr oft ſchon von 
dieſem ungeſunden und geiſttödtenden Stubenho>en 
herſchrieben. Jekt iſt nun durch die für die erſte 
Erziehung reger gewordene Sheilnahme wenigſtens 
Hoffnung, dieſe viel mehr nachtheiligen, als heilſamen 
Stri>kſchulen nach und nach ganz verdrängt zu ſehen. 
Nächſtdem hat 'es die raſtloſe und aufopfernde Thä- 
tigfeit Fröbel's au< dahin gebracht, daß wir nun 
genöthigt ſind, ſtatt der ausländiſchen, meiſt ſehr un- 
kindlichen und ungeſchiten Bonnen , nationale und 
geſchi>te Pflegerinnen und Erzieherinnen für das erſte 
KindesSalter zu ſuchen und, wo ſie ſo ſelten zu finden 
ſind, heranzubilden. Ein Moment, welcher für die 
naturgemäße und nationale Erziehung von unbe- 
re<henbarer Wichtigkeit iſt; denn wie ſelten wirkt eine 
Erzieherin auf eine ihr fremde Nationalität günſtig 
ein! In dieſer Beziehung weiß man es ſelbſt in den 
gebildeteren Kreiſen lange noh nicht genug zu ſchätzen, 
wie viel Wahres und Ernſtes in dem Saße liegt, 
daß nur der nationale Erzieher der einzig rechte Er- 
zieher iſt, ebenſo wie man unter Pädagogen die 
Beſtimmung nicht hoc< genug anſchlägt, daß jeden- 
 
 
 
 
ſelbſt Vater oder Mutter ſind, die richtigere Auf- 
fafßung und Behandlung von Kindern zu erwarten 
iſt. -- Endlich yat der unermüdliche Eifer und der 
Erfigadungsgeiſt Fröbel's dem erſten Kindesalter auch 
neue Beſchäftigungen und Unterhaltungen zu ver- 
ſchaffen gewußt, für welehe alle Aeltern und Lehxer, 
die bis dahin den erſten Spielen noh ſo wenig ihre 
ernſtere Aufmerkſamkeit gewidmet haben, dem Er- 
finder ganz beſonders dankbar ſein müſſen. Gewiß 
iſt die Erfindung neuer Kinderſpiele einer der aller- 
ſchwierigſten Punkte in der Erziehung, bei dem man 
ſich ſchon mit einem einiger Maßen günſtigen Erfolg 
begnügen muß. Und wir dürfen uns deshalb keines- 
wegs allzuſehr wundern, wenn dieſe Leiſtungen in 
manchen Stüden als nicht ganz gelungen zu bezeichnen 
ſind. Iſt und bleibt es dom als höchſt anerkennens- 
werth, daß Fröbel die Aufmerkſamkeit auf dieſen Punkt 
gelenkt und gezeigt hat, daß es hier noh Lüen 
giebt, welche auf Fröbel's Wege nach und nach immer 
zwe>mäßiger ausgefüllt werden können. 
Woran liegt es nun aber, daß bei allen dieſen 
unbeſtreitbaren und hohen Verdienſten Friedrich Fröbel 
mit ſeinen Ideen faſt nur bei einem verhältnißmäßig 
ſehr kleinen Kreiſe und namentlich bei Männern von 
Fach ſo wenig die volle Anerkennung und die ge- 
wünſchte Unterſtüßung gefunden hat, welche ſich von 
einer ſo gemeinnüßigen Sache erwarten laſſen. Hier- 
von trägt zunächſt die eigne Bildungsweiſe Fröbels 
und die dadurch bedingte eigenthümliche Art der Mit- 
theilung die Schuld. Fröbel iſt pädagogiſcher Au- 
todidaft und hat in ſeinem früheren langjährigen 
Wirken der Erziehung ziemlich ferngeſtanden z wes- 
halb ſein Fleiß und ſeine glühende Begeiſterung für 
die erſt in den ſpäteren Lebensjahren in ihm aufge- 
tauchte Idee die nöthige Klarheit und Sicherheit im 
Wiſſen dann und wann erſezen müſſen. Dieß hat 
ſogar unter ſeinen nächſten Freunden und Anhängern 
zu dem offenen Geſtändniß geführt, daß ſich doc< 
einmal Jemand finden möchte, der Fröbels münd- 
liche und ſchriftliche Darlegungen überſeßte. Suche 
man aber ja nicht, wie dieß zuweilen geſchehen iſt, 
in ſeinen Anſichten etwa myſtiſche oder gar freigeiſte- 
riſhe und unchriſtlihe Elemente: man könnte dem 
ehrenwerthen Manne kein größeres Unrecht thun, ſo- 
wie man ſic< durc< kein gröberes Mißverſtändniß 
lächerlicher machen könnte. -- Nun iſt aber nicht 
allein die Form, ſondern auc< der Inhalt der Mei- 
nungen ſelbſt, der weiteren und raſcheren Verbreitung 
derſelben hinderlich, wenn gleich dieß hier in gerin- 
gerem Grade der Fal iſt. Nämlich die ſich nimmer 
genügende Strebſamkeit des Mannes hat ihn, wie 
dieß bei der Uebermac<ht der Ideen ja nicht ſelten 
der Fall iſt, zuweilen vom rechten Wege abgeführt 
und dadurch zu Anſichten verleitet, die ſi mit dem 
Weſen des Kindes und ſeiner erſten Spiele nicht ver- 
einigen laſſen. Dahin gehört namentlich die, faſt 
möchte ich ſagen, fixe Idee, aus den Spielen ſelbſt 
ein Syſtem zu konſtruiren, und dann nur diejenigen 
als feine wahren Jünger und Freunde anzuerkennen, 
welche dieß Syſtem ſowie die geſammten Fröbelſchen 
fals von einem Erzieher oder einer Erzieherin, die | Anſichten ohne Ausnahme annehmen und ohne Ab-
	        
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