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darum für die Aeltern, die dadurch nur bequemer
würden, beſonderer Erziehungskenntniſſe ebenſowenig,
als für das erſte Kindesalter einer Pfleganſtalt z; --
die praktiſche Nothwendigkeit überführt jene do< tag:
täglich ihres verderblichen Irrthumes, und die Bil-
dung, ſowie das Leben geht mitleidig lächelnd an
denen vorüber, welche die Nichtbildung und die Miß-
griffe des Naturzuſtandes als geſund und unvermeid-
lic) anpreiſen. Daß es nun endlich auc< unter den
Gebildeteren zu einer richtigeren Würdigung der erſten
Erziehung und zu einer Annahme der ſonſt im AU-
gemeinen ſo ſehr zurükgewieſenen Beihilfe für dieſe
Grundlegung des ganzen Baues gekommen iſt, das
iſt wohl zum Theil Folge der ſteigenden Bildung
und der weiter verbreiteten Kenntniſſe, zum großen
Theile aber wiederum das. Verdienſt Friedrich Fröbel's,
welcher vorzugsweiſe ſeine Thätigkeit den Urelementen
der Erziehung und deren Anwendung :im Leben ge:
widmet hat. Hatten doch bisher ſelbſt die umſich:
tigſten Pädagogen und Erziehungsſchriftſteller gerade
dieſes Feld faſt unangebaut gelaſſen, und dies wohl
eben beſonders deshalb, weil man von der hinreichend
beſchäftigten und dabei doh hierin ſo wenig erfahrenen
und vorgebildeten Mutter ganz allein Rath und That
erwartete! Das weitere nicht minder bedeutende Ver-
dienſt Fröbel's liegt in der durch ſeine Erziehungs-
mittel zu hoffenden zwe&mäßigeren Beſchäftigung der
Kinder in den Bewahranſtalten und den ſogenannten
Striäſchulen. Fing man doh an, in dieſen Bewahr-
anſtalten, von denen ich deutſche, italieniſche und
ſc<weizer Anſtalten mehrfa< kennen gelernt habe,
wieder ſo ſehr in das Lehrelement zu verfallen, daß
das Spiel aller Pflege und Berüſichtigung entbehrte.
In den Stri&ſchulen aber (paſſender: Verbuttungs-
anſtalten genannt) waren und ſind zum großen Theile
no< die Matronen und die betagten Jungfrauen ſo-
weit von aller naturgemäßen Beſchäftigung des Kör-
pers und des Geiſtes entfernt, daß Verkrümmungen
und Verderbniſſe aller Art ſich ſehr oft ſchon von
dieſem ungeſunden und geiſttödtenden Stubenho>en
herſchrieben. Jekt iſt nun durch die für die erſte
Erziehung reger gewordene Sheilnahme wenigſtens
Hoffnung, dieſe viel mehr nachtheiligen, als heilſamen
Stri>kſchulen nach und nach ganz verdrängt zu ſehen.
Nächſtdem hat 'es die raſtloſe und aufopfernde Thä-
tigfeit Fröbel's au< dahin gebracht, daß wir nun
genöthigt ſind, ſtatt der ausländiſchen, meiſt ſehr un-
kindlichen und ungeſchiten Bonnen , nationale und
geſchi>te Pflegerinnen und Erzieherinnen für das erſte
KindesSalter zu ſuchen und, wo ſie ſo ſelten zu finden
ſind, heranzubilden. Ein Moment, welcher für die
naturgemäße und nationale Erziehung von unbe-
re<henbarer Wichtigkeit iſt; denn wie ſelten wirkt eine
Erzieherin auf eine ihr fremde Nationalität günſtig
ein! In dieſer Beziehung weiß man es ſelbſt in den
gebildeteren Kreiſen lange noh nicht genug zu ſchätzen,
wie viel Wahres und Ernſtes in dem Saße liegt,
daß nur der nationale Erzieher der einzig rechte Er-
zieher iſt, ebenſo wie man unter Pädagogen die
Beſtimmung nicht hoc< genug anſchlägt, daß jeden-
ſelbſt Vater oder Mutter ſind, die richtigere Auf-
fafßung und Behandlung von Kindern zu erwarten
iſt. -- Endlich yat der unermüdliche Eifer und der
Erfigadungsgeiſt Fröbel's dem erſten Kindesalter auch
neue Beſchäftigungen und Unterhaltungen zu ver-
ſchaffen gewußt, für welehe alle Aeltern und Lehxer,
die bis dahin den erſten Spielen noh ſo wenig ihre
ernſtere Aufmerkſamkeit gewidmet haben, dem Er-
finder ganz beſonders dankbar ſein müſſen. Gewiß
iſt die Erfindung neuer Kinderſpiele einer der aller-
ſchwierigſten Punkte in der Erziehung, bei dem man
ſich ſchon mit einem einiger Maßen günſtigen Erfolg
begnügen muß. Und wir dürfen uns deshalb keines-
wegs allzuſehr wundern, wenn dieſe Leiſtungen in
manchen Stüden als nicht ganz gelungen zu bezeichnen
ſind. Iſt und bleibt es dom als höchſt anerkennens-
werth, daß Fröbel die Aufmerkſamkeit auf dieſen Punkt
gelenkt und gezeigt hat, daß es hier noh Lüen
giebt, welche auf Fröbel's Wege nach und nach immer
zwe>mäßiger ausgefüllt werden können.
Woran liegt es nun aber, daß bei allen dieſen
unbeſtreitbaren und hohen Verdienſten Friedrich Fröbel
mit ſeinen Ideen faſt nur bei einem verhältnißmäßig
ſehr kleinen Kreiſe und namentlich bei Männern von
Fach ſo wenig die volle Anerkennung und die ge-
wünſchte Unterſtüßung gefunden hat, welche ſich von
einer ſo gemeinnüßigen Sache erwarten laſſen. Hier-
von trägt zunächſt die eigne Bildungsweiſe Fröbels
und die dadurch bedingte eigenthümliche Art der Mit-
theilung die Schuld. Fröbel iſt pädagogiſcher Au-
todidaft und hat in ſeinem früheren langjährigen
Wirken der Erziehung ziemlich ferngeſtanden z wes-
halb ſein Fleiß und ſeine glühende Begeiſterung für
die erſt in den ſpäteren Lebensjahren in ihm aufge-
tauchte Idee die nöthige Klarheit und Sicherheit im
Wiſſen dann und wann erſezen müſſen. Dieß hat
ſogar unter ſeinen nächſten Freunden und Anhängern
zu dem offenen Geſtändniß geführt, daß ſich doc<
einmal Jemand finden möchte, der Fröbels münd-
liche und ſchriftliche Darlegungen überſeßte. Suche
man aber ja nicht, wie dieß zuweilen geſchehen iſt,
in ſeinen Anſichten etwa myſtiſche oder gar freigeiſte-
riſhe und unchriſtlihe Elemente: man könnte dem
ehrenwerthen Manne kein größeres Unrecht thun, ſo-
wie man ſic< durc< kein gröberes Mißverſtändniß
lächerlicher machen könnte. -- Nun iſt aber nicht
allein die Form, ſondern auc< der Inhalt der Mei-
nungen ſelbſt, der weiteren und raſcheren Verbreitung
derſelben hinderlich, wenn gleich dieß hier in gerin-
gerem Grade der Fal iſt. Nämlich die ſich nimmer
genügende Strebſamkeit des Mannes hat ihn, wie
dieß bei der Uebermac<ht der Ideen ja nicht ſelten
der Fall iſt, zuweilen vom rechten Wege abgeführt
und dadurch zu Anſichten verleitet, die ſi mit dem
Weſen des Kindes und ſeiner erſten Spiele nicht ver-
einigen laſſen. Dahin gehört namentlich die, faſt
möchte ich ſagen, fixe Idee, aus den Spielen ſelbſt
ein Syſtem zu konſtruiren, und dann nur diejenigen
als feine wahren Jünger und Freunde anzuerkennen,
welche dieß Syſtem ſowie die geſammten Fröbelſchen
fals von einem Erzieher oder einer Erzieherin, die | Anſichten ohne Ausnahme annehmen und ohne Ab-