weichung zur Ausführung bringen. Es ſind mir
mehrere Beiſpiele bekannt, wo die unvollſtändige öder
unrichtige Auffaſſung ſeiner Ideen, die er ſonach ſelbſt
als ein zuſammenhängendes unverletlices Syſtem
betrachtet, eine unerbittliche Entfremdung zur Folge
hatte. Nun kann aber doc< ſchwerlich Jemand im
Ernſte beanſpruchen, mit einigen Andeutungen über
die erſten Beſchäftigungen der Kinder ein neues Er-
ziehungsſyſtem geſchaffen zu haben, welches nog dazu
in allen ſeinen Theilen als das allein wahre gelten
ſol. In gleicher Weiſe kann der philoſophiſche An-
ſtrich, welcher von dem Verfaſſer dem ganzen Ge-
bäude gegeben wird, do< nun und nimmermehr. etwas
Weſentliches zur Entwikelung des Kindes oder zum
Verſtändniß für die Erzieher beitragen, weil eben
dieſer unpaſſend hervorgehobene philoſophiſche Zuſam:
menhang nur ein erfünſtelter, in der Phantaſie des
Baumeiſters beſtehender iſt. Und gleich künſtlich und
darum einerſeits ganz unkindli<, andererſeits allzu
matt und unpoetiſch ſind auc; nicht wenige ſeiner
Spiele und Lieder für Kinder. Will es doch Frö-
beln ſelbſt, dem das Glü> der VaterfreudMm eignen
Leben leider fremd geblieben iſt, nicht recht gelingen,
mit den Kindern angenehm und anregend zu ſpielen,
und ſind wir deshalb, um eine günſtige Meinung
von dem Ganzen zu erhalten, vielmehr auf ſeine
Freunde und Schülerinnen gewieſen, unter denen der
liebenswürdige, kindlich - gemüthliche Middendorf in
Keilhau obenan ſteht. -- Wodurch Übrigens der den
Pflegeanſtalten der erſten Kindheit ertheilte Name
„Kindergärten“ gerechtfertigt erſcheint, und was er
allein bedeuten ſolle und könne, haben weder die
Schriften Fröbel's, noc< die mit der Sage nur vom
Hörenſagen bekannten belletriſtiſchen Journale, no<
auch die lekte Rede Dieſterwegs bei der Errichtung
des erſten Kindergartens in Berlin genügend darge:
than. Sollen dieß gleichſam Gärten ſein, in welchen
die Kinder wie Blumen gepflegt werden und auf:
wachſen, und ſoll hierdurch, wie es meiſt ſcheint, die
naturgemäße Behandlung des Kindes gemeint ſein,
ſo iſt in- dieſem Sinne jede Schule =- denn auch
dieſe haben ſchon ſeit geraumer Zeit das Heranbilden
an der Natur und in naturgemäßer Stufenfolge
ernſtlich und nicht ohne Erfolg erſtrebt =- ein Kin-
dergarten. Oder ſoll ein wirklicher Garten für Kin-
der, wie dieſer allerdings für eine ſol<e Anſtalt un-
entbehrlich iſt, darunter verſtanden werden, =- ein
AusdruFE, der wenigſtens für die Kinder ſelbſt ver:
Fändlich wäre, -- ſo paßt dieſer Name nur für den
Sommer, ſowie für die günſtige Witterung und iſt
ſonach- ebenſowenig der Sache angemeſſen, da die
Kinder doch einen ſehr großen Theil des Jahres
nicht im Garten, ſondern in der Stube zubringen
müſſen. Daß der Name „Kindergarten“ im erſten,
“ alſo im uneigentlichen Sinne, etwas Poetiſches hat,
kann doM; unmöglich zur Annahme deſſelben beſtim:
men. Scwerlic<h möchte ein Name für ſolche An-
ſtalten ſich mehr eignen, als der Name ,„,Pfleganſtalt“
oder in Uebereinſtimmung mit der ſich daran eng
anſchließenden Schule und Fortbildungsſchule der
Name „Vorſc<ule.“ Darin aber, daß in den Kin-
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dergärten „nur geſpielt und durchaus nicht gelernt
wird , vermag ich troß des Accentes, welchen man
hierauf legt, doch keinen beſonderen Vorzug derſelben
vor Bewahranſtalten, Kleinkinderſchulen und allen
ähnlichen Anſtalten zu erkennen, da das Spiel in
jenen Kindergärten ſyſtematiſch und mit dem gar
nicht verhehlten Zwe>e des Lernens betrieben wird,
eine kurze, ernſtere, dieſem Alter angemeſſene geiſtige
Thätigkeit auch bei der ſchon früh erwachenden Wiß-
begierde des Kindes nur fälſchlich für eine Natur-
widrigkeit und Verfrühung gehalten werden kann.
Hierher rechne ich namentlich das Erzählen, das An-
ſchauen und Beſprechen von Bildern, das Erlernen
kleiner Veröhen, die Vorübungen zum Zählen und
ſpäter zum Schreiben und Leſen. Es iſt darum ge-
wiß auch höchſt bemerkenswerth, daß ſich noch kein
Kindergarten ganz im Sinne Fröbel's erhalten hat,
und daß ſelbſt die eifrigſten Kindergärtnerinnen in
der Praxis gar bald anſehnlich von Fröbel abwichen.
Das Reſultat dieſer ganzen Beurtheilung nun
faſſe im in Folgendem zuſammen : man möge ja durch
übertriebene Lobpreiſungen wie durch die Gleichſtellung
mit, Peſtalozzi der Sache und der Perſon nicht ſcha-
den, welche hoher Achtung und Anerkennung werth
ſind! Man laſſe ſim nicht durch die längſt bekann:
ten und hier gerügten Ausſtellungen von der Kennt-
niß und Prüfung der Angelegenheit abhalten, ſondern
ſuche und prüfe ſelbſt, denn es iſt gar Mancherlei
Brauchbares zu finden und zu lernen, wie die ein-
fachen Ball: und Klöß<henſpiele und die Uebungen
in Handfertigkeiten, welche im ſelbſt noc< für die
Elementarklaſſen der Schule mit ſi<tbarem Nußken
in Anwendung bringe. Es bleibt ſelbſt nac< ſirenger
Sichtung no< genug, was die Lü>en in der erſten
Beſchäftigung der Kinder ausfüllt, und was unſern
wärmſten, unſern unauslöſchlihen Dank verdient! --
Ehre dem edlen Streben des treuen Freundes unſrer
Kleinen! -- Die beſonnene Mitwirkung und der ver-
diente Lohn bezeuge die Erkenntlichkeit der gerechten
und dankbaren Mitwelt!
Dresden, Januar 1852.
. S. M. Budich, Suldirektor.
Ueber die wiſſenſ<aftliche Bildung der
Volksſchullehrer.
Wenn ein Kleidermacher| ſagte, er könne die
Nürnberger Nadeln nicht brauchen, und er wolle
Schwabacher, dieſe ſeien beſſer, ſo denken andere
Leute, der Mann muß das wiſſen, und laſſen ihn
gewähren. Nur etwa der Nürnberger Nadler ſelber
ſucht ihm zu beweiſen, daß er im Irrthume ſei. =-
So geſtattet man jedem Handwerker nicht nur ein -
Urtheil über ſeine Werkzeuge, ſondern man ſteUt ihm
auch ganz frei, mit denſelben nach ſeiner Anſicht zu
wechſeln. “ Auch der Bauer darf ſi<, ohne tadelnde
Abmahnungen zu erleiden, einen neuerfundenen Pflug
kaufen und eine verbeſſerte Dreſchmaſchine anſchaffen. .
Sobald dagegen der Volksſchullehrer ſagt, er brauche
eine beſſere Bildung, und ſeine Bildung müſſe künftig
eine wiſſenſchaftliche ſein: ſo ſtehen ſogleich hundert