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iſt. Lansqueuet iſt ſhon deutlicher zu erkennen, und halte-1ä
iſt ganz deutlich. == Bekanntlich aber werden die AusdrüFe
zur Bezeichnung von Erfindungen und neuen Erſcheinungen
auf allen Gebieten ter Wiſſenſ<aft ſofort in alle gebildete
Sprachen aufgenommen, weil nur ſo ſich eine genaue Ver-
ſtändigung ermöglichen läßt. Das Engliſche, als eine Miſ<-
lingsſprache, kommt hier natürlich gax nicht in Betracht, eben
Beiche in überwiegender Maſſe aus fremden Clementen
e)teht.
Betrachtet man nun die Fremdlinge in unſerer Mutter-
ſprache genauer, ſo findet man, daß es eine Menge derſelben
ibt, welche ſo ganz dem ſämmtlichen Volke geläufig geworden
find, daß Niemand mehr ſie für Fremdlinge erkennt oder ſich
auh nur bet ihrem Gebrauche im Mindeſten an ihre fremde
Abſtammung erinnert. Wir wollen ein kleines Verzeihniß
ſolher Wörter hier beifügen, welches wir natürlich noh ſehr
bedeutend vermehren könnten, wenn es darauf ankäme. Auch
der ſtrengſte Puriſt (um uns auch eines Fremdworts zu be=
dienen, welches für die Sache ebenfalls herkömmlich geworden
iſt) wird an folgenden Wörtern keinen Anſtoß nehmen, und
nicht in Terſuchung kommen, ſie auSzumerzen und andere da=
für einzuführen. Wir führen ſie in bunter Reihe auf, wie ſie
uns gerade einfallen:
Fenſter, Kalender, Nummer, Religion, Thema, Perſon,
Punkt, Komma, Nation, Nationalität, Talisman, Amulet,
Revolution, Polizei, Klub, Publikum, Paradies, Artikel,
Staat, Kredit, Individuum, blond, Harmonie, Koralle, Bar-=
bar, Katalog, Purpur, Modell, Sa> (in einer Menge von
Sprachen und Dialekten -- wieder ein Fremdwort! ---gleich-
lautend), prophezeihen, Prophet, Krucifix, Komponiſt, kompo=
niren, Klaſſe, Strapaze (vom Ital. strapazzo , 8trapazzare)
Roman, Galerie, Exemplar, Sphärenharmonie, marſchiren,
Marſc<, Truppen, elaſtiſch, Elaſticität, Summe, Talent, Ge-
nie, kritiſiren, komiſch, Bank, bankerott, Zirkel, Provinz, Pro=
vinzialſtadt , Inſtrument, Inſtinkt, Ton, Million, Klima,
Styl, Soldat, Friſeur, Barbier, barbiren, raſiren, Antiqui-
tät, Majeſtät, Literatur, Rubrik, quittiren, Quittung, Exi-
enz, Profeſſor, Dozent, Univerſität, klaſſiſch, Regel, Pforte,
Wein, Muſik, Fabrik, Idee, Natur, Datum, Naivetät, naiv,
Perpendikel, Politik, Republit, Omnibus, Vers, Kapital,
Alphabet.
Doh genug ſchon! Wir erinnern nur noch daran, daß
eine Menge von Titeln (auch ein Fremdwort !), welcheß die
Regierungen ertheilen, ausländiſ<en Stammes ſind, z. B.
Finanzrath, Kanzeleidirektor, Präſident, General-Muſik-
Direktor, Kapellmuſikus, General=Polizei=-Direktor , Medi-
zinalrath, Sanitätsrath, Profeſſor, General-Superintendent
U. f. w. Sollten dieſe alle abgeſchafft werden ?
Bei der-Ueberſc<hau der oben angeführten Wörter werden
die Leſer bemerken, daß ſich eine Menge derſelben erſt in neue- |
rer Zeit eingedrängt haben, welche aber, eben wegen ihres
allgemein gewordenen Gebrauch's, den längſt eingeführten
ebenbürtig geworden ſind und alſo ſchwer zu beſeitigen ſein
müſſen, zumal es ſic) bei den meiſten herausſtellen dürfte,
daß ſie nur ungenügend dur< Umſchreibung verdeutſcht wer-
den könnten.
Wie ſieht es ferner mit den längſt gebräuchlichen Benen-
nungen in Kunſt und Wiſſenſchaft aus? Fir Theologie,
Philoſophie u. f. w. gibt es zwar die Ausdrüke Gottes=
gelahrtheit, WeltweiSheit u. ſ. w., aber denno<h ſind
die griechiſ<en Benennungen nicht blos den Gelehrten, ſon=
Dern auc< den Ungelehrten weit geläufiger. Für andere ſol-
<her Bezeichnungen dagegen gibt es kaum eine deutſche, kurze,
paſſende Ueberſetzung, wie z. B. von Theorie, Praxis, Syſtem
(denn Lehrgebäude paßt nicht überall), Metapher, Syllo-
giſtif u. ſ. w. u. ſ. w. Die Leſer mögen ſich ſelbſt die Menge
von fremden, größtentheils ganz griechiſ<en Ausdrücen ver= |
gegenwärtigen, welche in der Philoſophie mit ihren Axiomen
u. ſ. w., Theologie, Medizin und in den Schriften über andere
Wiſſenſchaften und Künſte vorkommen, und erwägen, ob es
zwedmäßig ſein würde, ſie, welche die Sache ſehr paſſend be=
zeichnen, zu verbannen.
Sodann wollen wir auf das Kriegsweſen verweiſen ; da
ibt es Ordonnanzen, Adjutanten, Offiziere, na< ihrem Range
Rremierlieutenants, Sekondelieutenants , (den Kapitän hat
man paſſend jezt zum Hauptmann gemacht), Majore,
Oberſtlieutenant8, Generalmajore u. ſ. w. Marſc<älle,
Kompagnien, Bataillene, Regimenter, Brigaden, Kolonnen,
Vedetten , Kavallerie, Infanterie, Poſten, Poſitionen, Kom=-
mandeure, Alarmirungen, Recognoszirungen, Kantonirungs-
quartiere, Kanonen, Patronen, Kontingente, Approchen,
Garniſonen, Tranheen und wie die Benennungen alle lau-
ten, die im Krieg8weſen vorkommen. Die Franzoſen ſind
die Schöpfer unſeres Militärweſens und hatten zuerſt ſtehende
Heere, und ſo iſt e8 natürlich zugegangen, daß wir ihre Be-
zeichnungen betibehielten. Eben/o hat die Muſik ihre beſon-
deren Kunſtausdrü>e, welche Jedermann kennt. Sogar die
Stimmen tragen fremde Namen: Sopran oder Discant, Alt,
Tenor, Baß; lauter Italiener, wie alle übrige muſikaliſche
Bezeichnungen, da von Italien unſere Muſik ausging.
Welc<he Maſſe neuer Wörter, größtentheils aus der grie-
<hiſhen Sprache entlehnt, ſind aber in der Neuzeit in Umlauf
geſet worden, um die neuen Erfindungen und Entde>ungen
zum Gemeingute für alle gebildete Nationen zu machen und
fie ihnen zu allgemeinem Verſtändniß zu bringen! Das wäre
gar nicht möglich, wenn deutſ<e Erfinder, Naturforſcher
u. f. w. für hre Erfindungen und Eatde>ungen deutſche Be-
nennungen gewählt hätten, was ihnen in den meiſten Fällen
auc< ſehr ſc<wer, wo nicht unmöglic< geweſen ſein würde.
Von Lokomotiven, Tendern, Telegraphen, von Petroleum,
Solaröl u. |. w., Photographien, Experimenten, Gaſometern
u. [. f. ſprechen jetzt die inder auf den Straßen. =- Und die
Chemie? die Naturkunde ſammt den Forſchungen der Geo-
logen und Aſtronomen ? (denn wir wollen uns nicht ſcheuen,
dieſe allbekannten Ausdrücke zu brauchen.)
Da die Italiener ſhon im Mittelalter große Handels8ge-
ſchäfte trieben, ſo darf es uns auch nicht Wunder nehmen,
wenn ferner in der Handeswiſſenſ<haft und dem kaufmänni=
ſchen Betriebe die den Italienern eigenen Ausdrüce geblieben
ſind und man von Konto, Kontobüchern, Strazzen, Bilanz,
Kolli, Inkaſſo, indoſſiren, Tara u. ſ. w. ſprihßt. .
Aus Allem geht alſo hervor, daß die Deutſchen für aus
der Fremde Eingeführtes auch die fremden Benennungen bei-
behielten. Schämten ſie ſich nicht, die fremde Sache als eine
nüßliche und ſchöne bei ſich einzuführen, ſo meinten ſie, daß
ſie ſich auch nicht zu ſ<ämen brauchten, mit derſelben zugleich
auch die fremde Bezeichnung zu übernehmen, ſo wie ja jet
auch die von deutſhen Erfindern und Forſchern aus8gegan-
genen in fremde Sprachen und Benennungen übergehen, nur
daß jet alle Erfinder und Entdecker, wie oben bemerkt, Be=
zeihnungen zu wählen beſtrebt ſind, wel<e, weil den alten
Sprachen entlehnt, für alle Gelehrte, alle Kulturmänner
ſogleich verſtändlich ſind.
Wir haben damit bereits unſere oben aufgeworfene Frage,
wie es mit den Fremdwörtern in unſerer deutſchen Sprache
ſtehe, und ob ſie ganz entbehrt werden können oder nicht, be=
antwortet. Der Grund, warum die vielen Bemühungen
ganzer Geſellſchaften ſowie einzelner Männer bisher gar kei-
nen oder nur einen fehr geringen Erfolg gehabt haben, liegt
alſo, unſerer Meinung nach, in dem Umſtande, daß man dar=
auf ausging, alle Fremdwörter zu verbannen und deutſche
an ihre Stelle zu ſeen, während doch die meiſten der Fremd=
wörter eine zum Theil Jahrhunderte lange Berechtigung hat-
ten, ganz abgeſehen von ſolchen, an welche auch die ſtrengſten