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kanntes in den Geiſt; es wird verſtanden, ohne mühſames
und ſtü>weiſes Ueberſetzen ; das Leſen wird eigentlich er)t zum
Leſen! =- Unter der Vorausſezung der ſtükweiſen Ueber=
ſezung dagegen erſcheint die geleſene Sprache recht eigentlich
im Geiſte eines Talleyrand : nicht der fremdſprachliche Aus-=
dru> führt zum Verſtändniß; er erſcheint vielmehr als ein
Hinderniß für daſſelbe, das eben durch die Ueberſetzung erſt
hinweg geräumt werden foll! --
Aus dieſem innern Fortſchritt zur Naturgemäßheit hin
in Hinſicht auf das Leſen folgt ſelbſtredend no<Mm, daß das
bloße mechaniſche euphoniſche Lernen der Vokabeln , die Prä-
paration und endlich beſondere Schwierigkeiten der Ausſprache
von ſelbſt wegfallen, und der Gewinn an Zeit kommt wie-
derum weſentlichen Anforderungen zu Gute, nämlich dem
entwi>elnden grammatiſc<en Unterrichte undder
Uebung im mündlichen Gebraud der betreffenden
modernen Sprache.
Was endlich die ſchriftlihen häuslichen Arbeiten der
Kinder betrifft, die dieſe Lehrweiſe fordert, ſo ſind dieſelben
dur<weg abweichend gedacht von der bisherigen Weiſe.
Die Ueberſezung aus dem Deutſchen iſt auch
hier gänzlich ausgeſ<loſſen;
an ihre Stelle tritt die Anregung zu engliſchen oder fran
zöſiſmen Säbzen, die von jedem Schüler ſelbſtſtändig zu
hilden ſind und die dur< deutſch geſtellte (kollektiviſche) Fragen
hervorgerufen werden. -- Jett tritt die angedeutete Schwie-
rigkeit der Ueberſetzung und die Rücdſicht auf eine Maſſe von
Regeln gänzlich zurück, denn die Form des gewünſchten
Satzes iſt in ſeiner Totalität (als etwas Ciniges) dem Schüler
bereits im Geſpräch geläufig geworden , der fremde Ausdruc>k
fällt ihm zu, denn ſo ſind ſämmtliche Aufgaben ge-
wählt; das Kind wählt natürlich auc nur ſolche Sätze, die
es bewältigen kann, und kein Satz hat im Grunde nunmehr
noh eine andere Schwierigkeit, als die orthographiſ<e. Der
Yoße Aufwand an Zeit, den man bis8her nothgedrungen dem
inſtudiren der häuslichen Ueberſetzung oder der Korrektur
des Fehlerhaften widmen mußte, kommt hier ebenfalls dem
wirklichen lebendigen Sprahunterrichte zu gute, und
die Selbſtthätigkeit der Schüler, die wirja
Alle erſtreben, findet ein ganz neues Ge-
biet, nämlich das der ſchriftlichen, fremden
Spracharbeiten!
und, wenn ich mix einen Rübli auf den ganzen Unter-
richt erlauben und hier die lette Konſequenz der ganzen
Sache anführen darf:
wir machen den fremden Sprachunterricht,
der bi8her (nicht des Stoffes, ſondern der
Behandlung wegen) mehr oder weniger im
Widerſpruch ſtand mit der deutſchen, Peſta-
lozziſ<en Schule, wir machen den fremden
Sprachunterricht dienſtbar der deutſchen
Methode, und die letzte Tendenz der ganzen
Sacheiſt alſo im lezten Grunde eine nationale
pädagogiſche.
'
(
WH.
Meine Herren! Sind wir mit einigem hiſtoriſchen Sinne
ausgeſtattet, ſo drängt es uns gegenüber einer irgendwie
neuen Beſtrebung, einen RNü>bli> zu thun in die Vergangen=
heit und die erſten Anfänge der leitenden Idee geſchichtlich
zurück zu verfolgen. =- Eigenthümlich iſt im Grunde eine
ſolHe Unterſuchung einer Unterrichtsweiſe gegenüber , nach
welcher im Weſentlichen die erſte Mutter ihr erſtes Kind
unterrichtet haben wird. Fragten wir alſo nach dem Alter
dieſer Art und Weiſe des Sprachunterrichtes, ſo wird ſie
wahrſchemlich zwanzig bis dreißig Jahre jünger ſein als das
Menſc<engeſchleht. =- Für uns aber handelt es ſi< darum,
|
nahzuforſ<en, zu welcher Zeit die Geſchichte der bewußten
Pädagogik im Sc<ulleben die erſten Anklänge unſerer leiten=
den Ideen nachweiſt, und da finden ſich die älteſten Spuren,
die ich habe entde>en können, in einer Zeit, wo wir ſie am
wgſten vermuthen würden , nämlich zur Zeit der Shola=
tifer.
(Es lebte 1538 in Straßburg ein lateiniſcher Rektor,
Johannes Sturm , der weit und breit als Organiſator für
Schulen berühmt und berufen war. Von dieſem Johannes
Sturm ſind uns Inſtruktionen erhalten, die er für alle Lehrer
ſeines Gymnaſiums geſchrieben hat. Hier finden wir, daß
er für die Elementarklaſſe des Lateiniſchen dem Lehrer "Friz
ſius) zur Pflicht macht, Gegenſtände =- er verlangt Thiere
und Pflanzen -- in die Klaſſe zu bringen und die Namen mit
Hilfe der Sachen ſelbſt -- zu lehren ; er wollte Sprechfertig-
keit zum Zwe der Disputationen im Lateiniſchen erzielen.
Das war vor Peſtalozzi; die Sache ſtand vereimzelt da und
auf einem unrichtigen Gebiete; ſie war unzeitgemäß und ſcheint
keine Folgen gehabt zu haben.
Erſt zwei Jahrhunderte ſpäter erſtehen diejenigen, die das
ganze Gebiet der Schule für eine derartige Unterrichtsweiſe
ſchufen und die eigentlichen Schöpfer eines naturgemäßen
Unterrichts ſind : Peſtalozzi und Fröbel.
Der Sculrath Schwarz in ſeiner Geſchichte der Päda-
gogik führt den Saßz auf: man müſſe die modernen Sprachen
eigentlic lehren ganz wie die Mutterſprache ; er geht aber
nicht weiter auf die Cinzelheiten und die Ausführbarkeit ein.
In den zwanziger Jahren dieſes Jahrhunderts machte
Pöhlmann im Engliſchen eimen Verſuch, an grammatiſche
Stoffe Sprechübungen zu knüpfen.
Sehr 1wreffend hat im vorigen Decennium der verſtorbene
Profeſſor Eſc<rubt in Kiel in einer norddeutſchen Zeitung
ungefähr dieſelben Meinungen dargelegt, die ich heute vor
Ihnen zu vertreten hatte, und ganz neuerdings ſind vom
Elſaß aus Materialien zu Sprechübungen erſchienen, die
ebenfalls dur< die Anſc<hanung unterſtützt werden ſollen.
In unſerer nivellixenden Zeit aber, meine Herren, iſt es
dem Einzelnen allein nicht mehr möglic<, das Neue durchzu-
führen: die Vereinigung Gleichgeſinnter allein vermag mit
Erfolg den Beſtrebungen der Jetztzeit Leben8dauer zu ver-=
leihen. Laſſen Sie mich daher mit ver Hoffnung von dieſer
Verſammlung ſcheiden, daß ich den obigen Fakroren , die zur
Ausbildung des erziehlichen Gedanfens auf dem beſprochenen
Gebiete ſich die Hand geboten haben --, laſſen Sie mich hoffen,
daß ich dieſen Fakteren einen nenen, mächtigen anreihen
fünne, nämlich die 15. allgemeine deutſche Lehrerverſammlung
zu Leipzig.
Das Jahresfeſt des mittelrheiniſchen evangeliſchen
Lehrergeſangvereins in Trarbach.
Es iſt ein hervorragendes Kriterium unſerer Zeit, daß
Vereine , Aſſociationen, volkreiche Berſammiungen , Jahres-
und Inbelfeſte ſo an der Tage8ordnung ſind. Bei Weitem
nicht alles, was die Tagesblätter über Dieſe Kinder der Gegen-
wart berichten, dürfte dazu angethan ſein, den mancherlei
Schäden und Gebrechen unſerer ſoctalen Zuſtände eine wirk=
liche Abhilfe anzubahnen. Indeſſen iſt auch nicht zu ver=
kennen, daß durch diefelben viele edle Beſtrebungen eine nach-
haltige Unterſtüßung und Verbreitung gefunden haben und
noh finden. Das Sprüchwort ſagt: „Eintracht macht ſtark.“
Und wenn eben heut zu Tage faſt alle Berufsfklaſſen in jähr-
lichen Zuſammenkünften ſich vereinigen, gemeinſam ihre An-
gelegenheiten berathen, Feſte feiern nu. a. m. , da müchte es
auc<h das Intereſſe der Volksſ<ule gebieten, daß der Lehrer-