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Hat die Geſchihte der Anthropologic“ -- den ganzen erſten
Band füllend --- zum Inhalte, daß fie über die bisher eingeſchla-
geneu verſchiedenen Wege zur Erkenntniß der Menſ<en und über
die Summa des bisher Erkannten im Allgemeinen orientirt, ſo
entwickelt der zweite Band na< einem vorangeſ<iten Abſchnitte
über das Verhältniß 'der Menſ<hen zur Natur zunächſt das Gat-
tungsweſen der Menſchheit =-+ die Somatologie (Anatomie und
Phyſiologie) und Pſychologie umfaſſend. Letztere beſonders iſt in
ſehr eingehender, aber allgemein verftändlicher Weiſe behandelt.
Darauf folgt die geſchichtliche Entwi>lung der Menſchheit, der Ge-
ſ<lechter = Unterſ<ied und die Entwiklung des Einzelmenſchen in
ſeinen Lebensaltern, hiernähſt „die Menſc<henraſſen“ (die Species
der Menſc<heit) und ihr Verhältniß zum Erdorganismus, endlich
„die Individualitäten der Menſc<heit.“ Es leuchtet ein, daß ſo =“
wie es auch wirklich geſchieht -- die verſchiedenen Elemente der In-
dividualität na< und na< zur Erörterung gelangen können. Wir
fügen darüber indeß no< folgendes Nähere hinzu. Nachdem in
dem vorhin erwähnten ſomatologiſchen Theile zunächſt die leiblichen
(die anatomiſ<en und phyſiologiſchen) Elemente der Individualität,
einſchließlich der Konſtitution und des Temperaments erörtert
worden ſind, werden ſodann in der Pſychologie zuerſt in cinem
ſynthetiſc<en Theile die Gattungs8anlagen nach dex Gall'ſchen
Scule, jedo<h nicht ohne ſelbſtſtändige Anſichten des Verfaſſers ent-
wickelt, wobei Ref. wohl gewünſcht hätte, daß dieſelben unter die drei
allgemeinen Gehirn=Regionen, welche anc< die neuere Phyſiologie
anerkennt: Region des ſixirenden (wahrnehmenden, beobachtenden)
Denkens, Region des contemplativen Denkens (der Reflexions-
kräfte) und Region der Gefühle gebrac<t wären. Ref. vermag ſich
micht re<t damit zu befreunden, daß Schmidt dieſe Gefühlsregiou
der neuern Phyſiologie in eine Region des Wollens und der Ge-
fühle zerlegt, indem ſie beſſer in eine Region der Triebe, der Selbſt-
beſtimmungs = und der Selbſtverleugnungsgefühle einzutheilen ſein
möchte. E8 hat dieſe abweichende Anſicht aber nur auf die Eintheilung
Bezug, indem das Weſen der einzelnen Gefühle ſelbſt richtig darge-
legt iſt. Im analytiſchen Theile der Pſychologie giebt der Verfaſſer
den Nachweis, wie die verſ<iedenen Wiſſenſc<haften, Natur = ſowohl
wie Geiſteswiſſenſhaften, Kunſt, Neligionen und Staatsformen
ihre Baſis in den „Gattungsanlagen“ haben, die Pädagogik ins8be-
ſondere angewandte Anthropologie ſet und ſein müſſe. Weiter
giebt der Verf. die dur< die geſchi<tlihe Verſchiedenheit und durc
die Verſchiedenheit der Einzelmenſ<hen na< dem Geſchlechterunter=
ſchiede und den Lebensaltern bedingten Elemente der Individuali-
tat. Zuletzt werden == in dem ſchon gedachten Abſchnite über die
Species der Menſc<heit -- die dur< dice verſchiedene Ocrtlichkeit
bedingten Clemente der Individualität dargeſtellt, ſodaß deun eben
endli< wir bei dem Schlußabſchnitte über „die Individualitäten
der Menſchheit“ uun wiſſen, wie wir die Individualität nach allen
ihren Flementen aufzufaſſen und zu behandeln haben.
JIſt aber mit dieſer kurzen Inhalt8angabe ſchon die principiclle
Bedeutung dieſes mächtigen Werkes und damit des gewaltigen
Geiſtes, der dasſelbe herxvorgebra<t hat, genügend angedeutet ?
Ref. glaubt noh Folgendes hinzufügen zu müſſen: Das Mittelalter
und ſeine Philoſophie =meinte: Die Gattungen ſind die Dinge.
Darum redte und ſtre>te es die Dinge, ſpeciell die Menſchen, nach
dem Maße der Gattung, welche man höchſtens in beſtimmten Ein-
zelweſen, bei den Menſchen etwa in den Prieſtern verkörpert ſah.
Die nachmittelalterliche Zeit meinte, der Einzelne ſei ſ<on Pricſter,
wenn auch nur an ſich, dem Keime nach; er habe ſich alſo Dazu
zu erheben. „Nehmt die Gottheit auf in euxen Willen, und jic
ſteigt von ihrem Weltenthron!“, ruft noch am Schluſſe dieſer Zeit
der Hauptvertreter derſeiben auv. Dagegen geht nun eben groß
und gewaltig die Sonne eines neuen Zeitabſhuittes auf, der aus-
ruft: Cs ſei Jeder nur vollendet in ſich, es entwi&le Jeder nur das
Maß ſeiner individuellen Anlagen um komplet zu ſein, ſo hat ex
genug gethan dem höchſten Gott, der die „mancherlei Gaben“ ge=
j<affen. So kann es denn -- um auf Einzeines aufmerkſam zu
maden -- nicht mehr darauf ankommen, ein einziges Staats- und
Religions= Ideal anzuerkennen und zu erſtreben, weil nun uachge-
wieſen iſt, daß jeder Staat, jede Religion eben auch etwas Indivi-
duelles für ſich iſt, paſſend nur für dieſe oder jene Menſc<enſpecies,
die fich daſſelbe gegeben. Wir ſtechen hiermit vor dem großen,
von Schmidt hier und auch an andern Orten aufgezeigten
Thore der Toleranz, die durch ihn fortan nicht mehr ein bloßer
IndifferentiSmus ſzin kaun. . .. .
Die Individualität zum erſten male grüudlich für die wiſſen-
ſhaftliche Erkenntniß erobert zu haben, iſt == wie das Jeder, der
ſich über den Standpunkt der vorangegangenen Zeiten beſinut, zu-
geben wird -- Sc<midt's unvergängliches, weltgeſchichtliches Ber=
dienſt. Mag au<& immerhin dies künftig noh beſſer ergründet
werden, mag namentlich, was die Gefühlslehre in der Schmidt'ſc<hen
Pſychologie anbelangt, noH manche andere Eintheilung erfolgen,
das Weſentlihe der Shmidt'ſ<en Anthropologie wird bleiben, und
beſonders ſeine Geiſteslehre bei alkſer Entwiklungsfähigkeit im Ein-
zelnen endlich einen feſten Ausgangspunkt für die |Hon oben ange-
deuteten Wiſſenſchaften abgeben können. ES ſteht uns feſt: Wir
können hiuter das von Schmidt errungene Reſultat
nun nicht wiederzurücd, ohne uns zu verdüſtern. „Möge
das Werk --- ſo rufen wir ſ<ließlich mit dem Vorworte =- in den
gebildeten Kreiſen die Aufmerkiamkeit finden, die es dur<h ſeinen
rei<bhaltigen und doch gediegenen Inhalt verdient. Mögen na=
mentlich die „Bildner der deutſchen Nation“, denen es der Verfaſſer
ſpeciell gewidmet hat, daſſelbe niht unbeachtet laſſen. Sie werden
bei der Lektüre des Buches bald finden, daß ſie wohl einem tiefen
Denker und wiſſenſchaftlihen Naturforſcher des menſchlichen Geiſtes,
nicht aber einem abſtrakten ſpekulativen Philoſophen gegenüber
ſtehen.“ Das Buc< hat, abgeſehen von dem Intereſſe, das es für
uns Lehrer und die Gelehrten haben muß, auc< für den Menſchen
Werth, weil, wie Ref. glaubt - ein Vertiefen in daſſelbe die Selbſt=
erkenntniß fördert und inſofern für den Leſer in ethiſcher Beziehung
einen reichen Gewinn abwerfen kann. Au in praktiſcher Hinſicht;
denn je mehr Jemand ſich ſelbſt erkennt, deſto richtiger wählt er
das Feld, auf dem zu wirken und dem Ganzen zu nüßen er prä-
deſtinirt iſt, deſto ſicherer findet ex -- um mit dem Dichter zu reden
-- „den Punkt, in welchem er ſtill und unerſchlafft die größte Kraft
zu ſammeln hat, um etwas Treffliches zu leiſten.“ Jeder, der das
„Erkenne dich ſelbſt!“ auf ſeine Fahne geſhrieben hat, wird darum
die „Anthropologie“ des hochgeſchätzten , leider niht mehr unter
uns weilenden Dr. Schmidt willkommen heißen. --1n.
Geſchichtsbilder aus dem deutſchen Vaterlande. Herausgegeben
von Ferd. Schmidt. Berlin, Max Böett<her. 8. Davon ſind
uns zugegangen: |
a. Die Rädelsführer. Bilder aus dem Thüringiſchen
Bauernkriege. Von Heinrib Shwerdt. 249 S.
b. Guſtav Adolf. Geſchichtlihe Erzählung aus der Zeit
des dreißigjährigen Krieges. 248 S.
Solche Erzählungen, von denen die zweite den 3. Band einer
größeren Schrift: „Der 30jährige Krieg in 4 Erzählungen“, bildet,
ſind eine geſunde und kräftige Lektüre für Jung und Alt. Ju der
erſtexen erfahren die Leſer manche intereſſante Einzelheit aus dem
Bauernkriege, von der im gewöhnlichen Geſc<hichtsunterrichte nichts
berichtet wird, in der zweiten entwirft der Verf. mit ſeinem glän-
zeuden Erzählungstalente eine lebhafte und begeiſterte Schilderung
des großen Schwedenkönigs und ſeiner Umgebung.
Gemeinnütziges Lehrbuch der Buchführung, Wecſellehe,
Wechſelrehnung, Staatspapierce, Altien , Münzen , nebſt einer
Münztabelle mit den Gold-= und Silbermünzen der wichtigſte
Länder und Handelsſtädte auf der Erde. Für Gewerbtreibende
und Landwirthe , für junge Kaufleute und Lehrer, ſowie für den
Unterricht auf Schulen. Von I. Ch. Meyer. Hannover,
Karl Meyer. 1865. IV. 87 S. gx. 8. 12 Ngr.
Ein ſehr nützliches Buch, welches bei aller Gedrängtheit und
Kürze über die im Titel genannten Gegenftände einen ſehr an]|<au=
lihen Unterricht ertheilt. Daß aber bei den jetzigen Geſc<äfts-
und Verkehräverhältniſſen die Kenntniß dieſer Dinge auch für den
Nichtfaufmann eine Nothwendigkeit geworden iſt, wird wohl Nie-
mand verkennen.
Anzeigen.
Pianino's, Piano's u. Flügel
aus den beſten Fabriken Deutſchlands und vorzüglich in jeder
Hinſicht, ſind außerordentlich preiSwerth und unter Garantie