Full text: Ethische Kultur - 38.1930 (38)

 
 
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Verlag: Verlag für ethiſc<e Kultur Richard Bieber, Berlin SO 16, Rungeftraße Nr. 25--27. -- Poſtvertrieb: Gottesberg. 
38. Jahrgang 
 
Inhalt: 
Kaimar. Ven R. Strecter. 
Krieg8s-Ehrenmal oder Volfks-Ehrendank? Von P. Iran. 
Die vierfache Ehrfurcht. Von P. LorenB. 
Naturphantaſtif. Von D., Luſchnat. 
1. Das verſchmähte Geichent. 
11. Die Luft- und Feuergeiſter. 
111. Das Seelenreich. 
IV. Der feurige Strauch. 
V. Das Gewitter. 
VI. Zwei Freunde. 
Streiflichter: 
Chriſtus und feine Kirche. 
Randbemerfung zur Rheinlandfeier. 
Die unverſtandene Frau. 
Bücheric<hau: 
Handbuch der Philoſophie. 
 
 
Kalmar 
Ein Reiſeeindruc. Von Dr. Reinhard Streder, 
Berlin-Heſſenwinkel. 
Die Oftſee brandet an die alten Mauern des 
Schloſſes von Kalmar. Auf dem Wall ſtehen noc< die 
bronzenen Kanonen, die von hier Jahrhunderte iang 
drohend über die weite Meeresfläche hinausſc<hauten. 
Aber heute iſt aus dem Bilde des Krieges ein Bild 
des Friedens geworden. Was einſt ernſthaftes Werk- 
zeug des Todes war, iſt heute nur noc< Spielzeug und 
Muſeumsſtüc. Neugierige Vergnügungsreiſende la 
gern im Gras und genießen den herrlichen Ausbli«, 
über blizende Wellen und grüne Inſeln. Längſt hat 
Kalmar aufgehört, „der Schlüſſel Schwedens“ im 
Kampf mit Dänemark zu ſein. Die natürlichen Gren- 
zen ſind den ethnographiſchen Unterſchieden entſpre= 
<end hergeſtellt und Kriege zwiſchen den Skandinavi= 
ſh<en Völkern ſind zur Unmöglichkeit geworden. 
In dieſen Tagen jährt ſich wieder einmal die Er- 
innerung an die Auguſtbegeiſterung von 1914 =, für 
Viele ein Höhepunkt des nationalen Erlebens. Nicht 
für Alle. Denn auc< damals ſchon gab es nicht gar 
wenige nüchterne Kritiker, die das Nicht-Notwendige 
jenes Krieg3ausbruches durc<ſ<hauten und eine Ah- 
nung von der Gefährlichkeit dieſes blutigen politiſchen 
- Experimentes hatten. Groß iſt und bleibt die Tapfer- 
keit und Opferwilligkeit, mit der unſer deutſches Volk 
bis zur Erſchöpfung ſeiner allerletzten Kräfte in dem 
entſetzlichen jahrelangen Ringen aushielt. Größer iſt 
Berlin, den 15. Auguſt 1930 
' Abdruck iſt, joweit nicht ausdrücklich unterſagt, nur mit vollſtändiger Quellenangabe geſtattet. 
 
Jecummer 8 
 
und bleibt die Verantwortung derjenigen, die es in 
unbelehrbarer Verblendung vis zu ſol< hoffnungslo- 
ſer Erſchöpfung fommen ließen und eine Gelegenheit 
nach der anderen verpaßten, wv wir noch als militä- 
eiſch ernſt zu nehmender Faktor zu einem erirägliche- 
ren Frieden hätten fommen fünnen. 
Nun fonnten die Sieger diktieren. Nun ſind 
Hrenzen geſchaffen worden, die Europa noc< unnatür- 
(icher zerreißen als vor dem Kriege. Cs haben Völker 
die politiſche Selbſtändigfeit wiedergewonnen, denen 
wir fie gönnen wollen. Aber dieſes Aftivum für eine 
fünftige europäiſche Friedenspolitif wird leider durc< 
jene Unnatur der neuen Grenzziehung ſtark beein= 
irächtigt. Werden die europäiſchen Politifer der ZU- 
kunft weiſe genug fein, um trozdem in einer kon1e- 
auenten Friedenspvolitif das wahre und dauernde Heil 
aller europäiſchen Völker zu erfennen und zu verwirf= 
(ichen? Sie müßten dann freilich etwas weiſer jein, 
als es die führenden StaatSmänner jener Augutittage 
von 1914 waren. Und auch die Völfer müßten aus den 
blutigen Ereigniſſen der Jahre 1914-18 gelernt ha- 
ben. Manchmal möchte man zweifeln und verzweifeln. 
Aber es iſt Pflicht, im Intereſſe unſeres eigenen Vol=- 
fes ſowohl wie Europas, gegen Verblendung und Wer= 
zagtheit auch jezt wieder anzukämpfen, ſolange no< 
ein Schimmer von Hoffnung für den Sieg der Ber- 
nunft und der Menſchlichfeit gegeben it. 
Hinter mir liegt eine internationale Tagung in 
Stockholm. Da war die Weltloge des Guttempleror- 
dens verſammelt. Gemeinſamer Kampf der modernen 
Kulturvölfer gegen die wachſende Bedrohung dur 
den AlfoholiSmus. Und damit hängen recht viele an= 
dere Kulturaufgaben zuſammen. Vor allem aber: Ver- 
einte Anſtrengungen für gemeinſame poſitive Ziele 
hringen die Völker am beſten zuſammen, laſſen ſie ein= 
ander gegenſeitig verſtehen und zeigen ihnen, wie ſehr 
Gedeihen und Fortſchritt des einen auch Gedeihen und 
Fortſchriit des andern bedeutet. 
Zur Zeit hat noc< jedes europäiſche Volk ſeinen 
militäriſchen „Schlüſſel“ wie damals Schweden in Kal- 
mar, hier ſind3 Feſtungen, da ſinds Kriegshäfen, hier 
finds Provinzen, da ſinds techniſche Induſtrien; jeder 
„Schlüſſel“ eine Quelle der Nervoſität, ein ewig eni=- 
zündeter reizbarer Fle>, eine kranke Stelle am Leibe 
Europas, | 
Wann wird die Zeit kommen, wo auch dieſe kran- 
ken Stellen endlich heilen, die Nervoſität der Rube 
und die Kriegsſtimmung der Friedensſtimmung Plaß 
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