Full text: Ethische Kultur - 40.1932 (40)

 
7 
Monatsbiatt für ethiseh- Soziale Neugestaltung 
in Nachfolge Dr. Rudolph Penzigs herausgegeben von 
Dr. Max Apel, Bertin, Professor Dr. Walter A. Berend- 
Sohn, Hamburg, Dr. Hans Hartmann, Berlin. Professor 
Dr. W. Hauser, Freiburg i,Br., Dr. Fr. Maase, DüsSeldorf, 
Louis Satow, Hamburg, Dr. Max Seber, Dresden. 
 
40. Jahrgang | Berlin, den 15. Januar 19322 | Nummer 1 
 
Und dennoch „Ethische Kultur“! 
Von ProfesS6r Dr. Walter A, BerendSohn, Hamburg. 
ArbeitsloSigkeit und Wirtschaitsnot Steigen, die Sinkende Kaufkraii 
der MasSen lähmt die Gütererzeugung und veranlaßt, vorhandene Vorräte 
zu vernichten; die bedrängten Menschen ballen Sich zusammen zu riesi- 
gen Notgebilden, die Sich drohend gegenüber Stehen, bereit zu blutigen Aus- 
einanderSetzungen; die Völker, von einander Stärker abhängig deny je, 
jeinden Sich an und rüsten zu mörderischen Giitgaskriegen, in denen es 
die wohltätige Stufung in Front, Etappe und Heimat nicht mehr geben wird. 
Hat es denn Sinn, in dieSer Zeit von Ethik zu reden, von der Welt dessen, 
was Sein Sollte? Muß nicht jedes Volk wie jeder Einzelne alle Kräfte 
zuSammenraifen, um Sich vor allen anderen zu erhalten und durchzusetzen? 
ISt härtester Egoismus nicht jetzt einzig fruchtbares GegSetz? 
Ja, Wenn der Kampf aller gegen alle noch als Ausweg betrachtet wer- 
den Könnte, würde man Sich iim vergeblich entgegenstemmen. Aber die 
ungeheuren Geschehnisse der letzten beiden Jahrzehnte geben doch einen 
Anschauungsunterricht von unerhörter Eindringlichkeit. Die Erde ist klein 
geworden. Die Völker Sind durch wirtschaftliche Beziehungen auf Gedeih 
und Verderb untereinander verbunden. Sieger und Begiegte des Welt- 
krieges leiden unter gemeinsamer Not. Die breiten MassSen des Mittelstan- 
des aller Länder werden zum ersten Mal wirklich politigiert, Sie Spüren, 
daß ihr persSönlichstes Schicksal von der Gestaltung der allgemeinen Wwirt- 
Schaftlich-politiechen Verhätnisse bis ins Kleinste hinein mitbestimmt wird. 
Der Spielraum für die willkürliche Auswirkung des einzelnen Volkes, der 
Atemraum ijür jegliche Individualität wird immer enger. Es ist Wahnsint,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.