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dazu über, die Zahl der Lehrerinnen allgemein im ganzen Staate zu vermehren *). Zu der verhältnizmäßig geringen Zahl der
evangeliſchen Lehrerinnen trägt auch dex Umſtand bei, daß an ein- und zweiklajſigen Schulen, die im Oſten relativ häufiger ſind als
im Weſten, Lehrerinnen im allgemeinen nicht beſchäftigt werden dürfen.
Fragen wir nunmmnehr, welche Veränderungen ſich ſeit 1911 vollzogen haben, ſo gibt uns folgende Überſicht hierauf Antwort:
Zu- und Abnahme in Prozent
Evangeliſjge Katholiken
Stadt | Land Staat Stadt | Land | Staat
Schüler ....... -- 6,095 | 4,88 u 5,41 i++ 1,05 + 1,90 4 1,53
Schulen ....... + 1L7'+ 04/+ OB I+ 6E++ 2,49 + 3,23
Klaſſen. .. u. + l&|+ 43% '+ Tag |4 1847 + 11,12 + 14,35
Schulſtelen . . . . . + 14,3 | 4 13,65 + 14,02 |4+ 20,75 + 18,82 -+- 19,73
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Aus vorſtehender Überſicht ergibt ſich, daß in den Jahren 1911 bis 1921 die Zahl der Schulen bei den Katholiken relativ
erheblich mehr zugenommen hat als bei den Proteſtanten. Setzt man aber für die Jahre 1911 und 1921 die Zahl der Schulen zur
Zahl der Schulkinder in Beziehung, ſo ſtellt ſich heraus, daß die Beſſerung in dem genannten Jahrzehnt bei den Katholiken geringer war.
E3 verhielten ſich nämlich beide Zahlen zueinander bei den Proteſtanten 1911 wie 1 : 157,75, 1921 wie 1 : 148,28, bei den Katholiken 1911
wie 1 : 230,00, 1921 wie 1 : 226,12. Hier ſcheint ein Widerſpruch vorzuliegen, welcher der Aufklärung bedarf. Ferner erwecken die
obigen Zahlen, wie manche anderen, die im vorſtehenden angeführt wurden, den Anſchein, als ob die Katholiken im Schulweſen
benachteiligt würden.
Wie bereits oben betont worden iſt, kann aber von einer folchen Benachteiligung in Wirklichkeit nicht geſprochen werden.
Wenn die Katholiken im Verhältnis zu ihrer Schülerzahl weniger Schulen haben, oder mit anderen Worten, wenn die katholiſchen
Sdulen durchſchnittlich größer ſind**), jo bedeutet das an. ſich noch keine3wegs einen Nachteil. E38 erklärt ſich in der Hauptſache einfach
varaus, daß die katholiſchen Gebiete (Rheinland, Weſtfalen, Oberſchleſien) zum großen Teil dichter bevölkert jind als die überwiegend
proteſtantiſchen Agrargebiete de8 Oſten8, und daß dort, wo die Bevölkerung ſtärker agglomeviert iſt, natürlich die Schulen im allgemeinen
mehr Schüler haben. Was die Veränderungen anbetrifft, die fich in dem Jahrzehnt 1911 bis 1921 vollzogen haben, ſo bedeutet es
auc< feinen Gegenſat, wenn einerſeits die Zahl der kaiholiſchen Schulen relativ ſtärker zugenommen hat als die der proteſtantiſchen,
andererſeits das Verhältnis zwiſchen Zahl der Schulen und Zahl der Schüler ſich bei den Proteſtanten mehr gebeſſert hat als bei den
Katholiken. Dieſer ſcheinbare Widerſpruch löſt ſich fehr einfach in der Weiſe, daß die Zahl der proteſtantiſchen Schüler ſtark zurück-
gegangen iſt, die der katholiſchen dagegen geſtiegen. Selbſtverſtändlich wäre e8 gänzlich verfehlt geweſen, nur zu dem Zwecke, um
eine mechaniſche Parität herzuſtellen, ſofort proteſtantiſche Schulen aufzulöſen, ohne Rückſicht darauf, daß der Rückgang möglicherweiſe
nur vorübergehend iſt. Schließlich muß noch berückſichtigt werden, daß, wie bereit3 oben erwähnt, die katholiſche Dia8pora größer
iſt als die proteſtantiſche; nach den eigenen Angaben der Katholiken beträgt ſie etwa das Doppelte***). Die katholiſchen Minderheiten
der proteſtantiſchen Gebiete ſind vielfach ſo klein und ſo weit verſtreut, daß e8 unmöglich iſt, ſie mit katholiſchen Schulen und katholiſchen
Lehrern zu verforgen. Nehmen ferner die katholiſchen Kinder in evangeliſchen Schulverbänden ſchnell zu, ſo vergeht natürlich immer
eine gewiſſe Zeit, bis die Schulverbände mit der Neuſchaffung katholiſcher Schulen oder Sculſtellen nachkommen können****). Die
Zahlen der Statiſtik beweiſen mithin in keiner Weije, daß auf dem Gebiete des Unterrichts die katholiſchen Intereſſen zurückgeſetzt werden.
Cine Sonderſtellung nehmen die jüdiſchen und paritätiſchen Schulen ein. Ihnen ſeien im folgenden einige Worte gewidmet.
Während für die evangeliſche und katholiſche Bevölferung die BekenntniSſchule das Normale iſt, bedeutet ſie für die jüdiſche
eine Ausnahme. Nur 26,13 % der jüdiſchen Kinder der öffentlichen Volksſchulen empfangen ihren Unterricht in jüdiſchen Schulen,
65,85 % in <riſtlichen Bekenntnisſchulen, 8,02 % in paritätiſchen Schulen. Dieſe Zahlen laſſen aber immer no< die Bedeutung der
jüdiſchen Schulen zu hoch erſcheinen. (Es muß nämiich noch berüfichtigt werden, daß faſt 60 % der jüdiſchen Kinder im Alter von
6-14 Jahren mittlere und höhere Schulen bejuchen, die ja grundſäßlich paritätiſch ſind, während e8 bei den Proteſtanten nur 11,
bei den Katholiken nur 7 % ſind. Von ſämtlichen Schülern im Alter von 6--14 Jahren (alle Schularten zuſammengezählt) entfielen
au? Schulen des eigenen Bekenntniſſes bei den Proteſtanten 87,60, bei den Katholiken 86,73, dagegen bei den Juden nur 11,46 %.
Die Zahl der jüdiſchen Schulen iſt im ganzen Staate an ſich größer, als dem Anteil der Juden an der Geſamtheit der Volksſchul-
finder entſpricht. Während auf die Juden nur 0,27 % der Schüler der öffentlichen Volkö3ſchulen entfielen, kamen auf ſie 0,46 % der
Schulen ſelbſt. Aber die jüdiſchen Schulen ſind im Vergleich mit den <riſtlihen Schulen winzig klein. Durchſchnittlich ſitzen in ihnen
*) Tews, Ein Jahrhundert preußiſcher Schulgeſchichte, S. 249. -- **) Wenn man es genau nimmt, ſind die Zahlen, die das
Verhältnis zwiſchen ſämtlichen proteſtantiſchen Schülern und ſämtlichen proteſtantiſ<en Schulen ſowie ſämtlichen katholiſ<en Schülern und
'ämtlichen fatholiſ<en Schulen angeben, allerdings nicht gleichbedeutend mit den durchſchnittlichen Schülerzahlen der proteſtantiſchen und katho-
liſchen Schulen. Denn erſtere Zahlen werden dadurch gewonnen, daß alle proteſtantiſchen Schüler, einſchließlich derer, die katholiſche, pari-
tätiſ<e uſw. Schulen beſuchen, aber ausſchließlich der nichtproteſtantiſchen Schüler evangeliſcher Schulen den evangeliſchen Schulen gegenüber=-
geſtellt werden, und daß dieje Rechnung in gleicher Weiſe für die Katholiken durchgeführt wird. Die anderen Zahlen werden in der Weiſe
feſtgeſtellt, daß ſämtliche Schüler proteſtantiſcher Schulen, alſo einſchließlich der Nichtproteſtanten, aber ausſchließlich derjenigen proteſtantiſchen
Schüler, die andere al8 evangeliſhe Schulen beſuchen, zu den evangeliſchen Schulen in Beziehung geſezt werden, und daß ebenſo für die
Katholiken verfahren wird. Es handelt ſich alſo um Zahlen, die auf ganz verſchiedene Weiſe errechnet werden und infolgedeſſen nicht über-
einſtimmen können. Immerhin ſtehen ſie in engem Zuſammenhange miteinander. Aus dieſem Grunde kann man die Tatſache, daß die Katho-
lifen weniger Schulen haben, als ihrer Schülerzahl entſpricht, auch in der Weiſe ausdrüen, daß die katholiſchen Schulen durchſchnittlich größer
ſind. == ***) Vergl, Kroſe, Kirchliches Handbuch für das katholiſche Deutſchland, 11. Band, Seite 304. == ****) Pr. Statiſtik, Heft 231
1. Teil, S. 41* und 90*,