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triebes ist begonders deshalb von Bedeutung, weil in ihm oft »Zufälle« entscheiden,
ob ein Kind homogexuell oder heterogexuell »wird«.
3. zeigt eine nicht unbedeutende Zahl von Kindern im ganzen Verlauf der
Kindheit und auch vielfach der Jugend keine oder 80 gut wie keine Sexuell be-
tonten Gefühle, Empfindungen und dergleichen. Legt man Sich über das Sexual-
Jeben der Kinder irgend welche Angichten ein für allemal zurecht, 80 wird man
meistens dem Denken verfallen, das den »Normaltypus« zum Ausgangspunkt nimmt,
das Sich damit aber des Verständnisses der »Ausnahmenaturen« beraubt, bei denen
die Sexuelle Entwicklung »Sich verspätet«. -- Schon die verschiedenen Rasgen,
d. h. ihre Vertreter, »reifen« verschiedenzeitig; der andern weniger durchgichtigen
Ürgachen als der Rasgenanlage für die »frühzeitige« oder » vorzeitige « »Reife«
ganz zu Schweigen. Auf die »Rasse im Sexualleben des Kindes« könnte übrigens
mehr eingegangen werden.
4. Sind die pSychogexuellen Vorgänge beim Kinde nicht 80 gcharf
gesondert von anderen pSychischen Vorgängen wie beim Erwachsenen (Moll. 8. 123).
Viele Vorgänge. die wir beim Erwachgenen mit ziemlicher Sicherheit Sofort auf
etwas »Sexuelles« zurückführen können, Sind beim Kinde ohne gexuelle Betonung.
Mo]ll schreibt dazu 8. 157: »Wir müsgen zugeben, daß begonders in der
KindesSeele die einzelnen Gefühle, die wir unter dem Begriff
Sympathiegefühle zusammenfassgen könnten (Vreundschaft, Eltern-
Jiebe, Kindesgsliebe, Gegchlechtsliebe), nicht immer wie Provinzen auf
einer Landkarte voneinander getrennt Sind.« Solche Worte gind be-
herzigenswert in einer Zeit, wo die Masgenkultur der Menschenkultur den Garaus
macht. *) |
5. iSt darauf hinzuweisen, daß wir es oft nur mit einer Entzündung der
Sexualorgane oder benachbarter Teile des Körpers zu tun haben. Wenn im
ersten Augenblick angenommen wird, es Sei etwas »Sexuelles« dabei im Spiel, ob-
wohl nur die durch die Entzündung auftretenden Reize das betroffene Kind ver-
anlassen, Seine Aufmerksgamkeit dieser Gegend Seines Leibes zuzuwenden, 80 ent-
wickelt Sich doch wohl öfters bei dieser Gelegenheit die Neigung zur Onanie.
Moll betont nun: »Die Kindheitserlebnis8e, die noch nicht einen
Sexuellen Charakter haben, Sind trotzdem für das Spätere Auftauchen
des Sexuallebens, beSonders für das pSychosexuelle Fühlen, von
größter Bedeutung.« (S8. 127.) Auf keinen Pall aber dürfe man in Sexuellen
Erscheimungen der Kindheit den Beweis der Entartung oder krankhafter Veranlagung
Sehen. (S. 131.) Zwar erwache das Gegehlechtsleben bei einem abnormen Nerven-
SyStem häufiger früher als bei einem gesunden, aber auch eine nicht krankhafte
größere Impressionabilität, wie man gie bei künstlerischer Begabung finde, oder ein
erregbares, aber noch nicht krankes Temperament disponiere dazu. (S. 132/3.)
Behält man im Auge, daß Moll unter Kontrektationstrieb die auf die
körperliche und geelische Annäherung Sich beziehenden Prozesse Vversteht, unter
Detumescenztrieb die auf die Peripherie des Organismus Sich beziehenden, 80
SInd Seine zusammenfassenden Worte ohne weiteres zu verstehen: »In der ersten
Kindheitsperiode, d. h. bis zum vollendeten 7. Lebensjahr, müsgen
Erscheinungen des Gegchlechtstriebes den Verdacht auf krankhafte
Veranlagung erwecken. ... Auch Kontrektationserscheinungen halte
1) Agahd, Kin Fundamentalstück der Kinder- und J ügendfürgorge in »Jugend»
Türsorge und Lehrerschaft in Stadt und Land«, Berlin, Gerdes & Hödel, 1909.