Full text: Zeitschrift für Kinderforschung - 14.1909 (14)

382 C. Literatur. 
 
Anton, Prof. Dr., Vier Vorträge über Entwicklungsstörungen beim 
Kinde. Berlin, Karger. 1,80 MN. 
Von den Vorzügen der Schrift, die den ärztlichen Mitherausgeber ungerer 
Zeitschrift zum Autor hat, hebe ich an erster Stelle die vergleichende Psychologie 
des Schwachsinns mit dem Infantilizmus hervor. Das Wegen des Schwachsinns ge- 
winnt dadurch an Klarheit und man wird nicht den Fehler begehen, in dem 
Schwachsinn ein Zurückbleiben auf frühkindlicher Entwicklungsstufe zu Sehen, 
Diese letztere Entwicklungsstörung zeigt Sich psychologigch von ganz anderer 
Wertigkeit, Sie ist durchaus häufig und wird als Infantiligmus bezeichnet. Vom 
körperlichen und geistigen Infantiliämus handeln die beiden ersten Vorträge, Die 
interesSanten Beziehungen der inneren Drügenabsonderungen zur Entwicklung finden 
eine großzügige Darstellung. Beim psychischen Infantilismus ist die Seele des Voll- 
Sinnigen kleindimengional verkümmert, aber harmonisch, eine Miniaturseele, Urteil, 
Interessen, Erziehbarkeit nach Kinderart. Beim Schwachginnigen gind, trotz aller 
kindlichen Züge, die einzelnen Teile des Seelenlebens in ihren Beziehungen zu- 
einander verzerrt, diSharmonisch. Beim Infantilen ist in engem Gegichtskreis ein 
richtiges Urteilen und Wirken möglich, er ist anpasSungsfähig und begsitzt die Gabe 
der »Einfühlung« in die Interessen und Absichten der Umgebung, die das normale 
Kind frühzeitig auszeichnet. Beim Schwachsinnigen bestehen krankhafte Ab- 
weichungen der Auffassung., Apperzeption, Ideenassoziation, des Gefühls- und Trieb- 
lebens, er iSt Schwererziehbar, urteilsschwach, ihm fehlt die Gabe der »Einfühlung« 
und AnpasSung in die autoritative Umgebung, während er gegenüber minderwertigen 
Beeinflussungen z. B. in gchlechter Gesellschaft oft ungewöhnlich willenlos Ist. 
Auch in der Pubertätszeit mit ihren Störungen, von denen der dritte Vortrag 
handelt, kommt ein ähnliches widerspruchsvolles Verhalten vor, 80 daß moralische 
Entartung vorgetäuseht wird. Eine ablehnende Affektlage mit Gereiztheit gegen 
die nächsten und Seither autoritativen Angehörigen zeichnet normalerweise diese 
Reifungszeit aus, die übrigens oft wirklich eine Gärungszeit ist, insofern nach Be- 
endigung derselben Leistungen der Intelligenz und Energie hervortreten Können, 
die vorher niemand erwartet hätte. Man darf also nicht alle Krisen der Pubertäts- 
zeit in dem düsteren Lichte der Dementia praecox Sehen (Frühverblödung). Der 
vierte Vortrag bedeutet eine allgemeinverständliche Beleuchtung der Scawach- 
Sinnigenfrage und -fürgorge mit eindrucksvoller Empfehlung der Sachverständigen, 
bheilpädagogiSchen Behandlung, auch für 'Charakter- und Willensfehler bei guter 
Intelligenz. Das Kleine Werk kann denjenigen Heilerziehern wertvolle Anregungen 
bringen, die bereits psychijatrische Vorkenntnisse besitzen. Dr. Hermann. 
Homburger, cand.*jur., Der Einfluß der Schundliteratur auf jugendliche 
Verbrecher und Selbstmörder. (Monatschr. f. Krimin. psych, 1909, 8. 145.) 
Die Geschichte der Schundliteratur gestattet den statistischen Nachweis, daß 
jede Epoche derselben durch den der Lektüre innewohnenden Einfluß auf die Jugend 
ein Steigen der in ihr hauptsächlich in Wort und Bild gegchilderten Straftaten 
(Sittlichkeitsverbrechen, Eigentumsdelikte, Verbrechen gegen Leib und Leben) be- 
wirkte. Erst Seit 1890 traten Schwere Schädigungen ein (Kriminalzeitungen), die 
höchste Gefahr wurde aber Seit 1906 durch die Detektiv- und Kriminalheftchen ge- 
bracht, als deren noch verhältnismäßig unschuldige Vorläufer die Indianergeschichten, 
May Sche Reigebeschreibungen, Buffalo Bill usw. zu gelten haben. Die Gefahr der 
jetzigen Schundliteratur beruht darin, daß die Helden unter ungern Polizeiverbält- 
nissen in ungsler Zeit wirken und zweifellos läßt die fortwährende Beschreibung 
 

	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.