Volltext: Zeitschrift für Kinderforschung - 26.1921 (26)

Huber“ Flementarunterricht für niedere Schwachsinnsformen. 933 
Sinnegapparat und bezeichnete die Betroffenen als Schwachsinnig. 
Wir wollen nicht verkennen, daß in vielen Fällen herabgesetzter Ver- 
Standestätigkeit der Grund in Störungen im Sinnegapparat oder in 
anderen oft unscheinbaren physiSchen Einflüssen zu Suchen ist. Aber 
in Sehr vielen Fällen Sind Sämtliche organische Voraussetzungen für 
eine normale Sinnestätigkeit vorhanden. Daß Sich trotzdem kein 
geiStiges Leben entwickelt, liegt eben daran, daß die oben genannte 
Vorausgetzung für die Verstandestätigkeit fehlt. Ich brauche nicht 
zu Sagen, daß diese Tatsache wiederum auf organische Störungen (im 
Zentralorgan) zurückzuführen ist. Das ist aber eine Frage, die den 
Mediziner weit mehr als den Pädagogen interesSiert, und die meines Er- 
achtens noch viel Aufmerksamkeit und Studium von Jener Seite erfordert. 
Uns Pädagogen liegt die Frage der Bildungsfähigkeit hinsichtlich 
Ihrer Grenzen und der Art ihrer Ausnutzung viel mehr am Herzen. 
Wenn wir aber darüber nachdenken wollen, 80 müssen wir im voraus 
darüber klar Sein, daß wir die Entwicklung des abnormen kindlichen 
Geistes wenigstens in den ersten Stadien gar nicht in Parallele Setzen 
können zur Entwicklung des normalen Kindes. Wie Schon oben an- 
gedeutet wurde, Sind Ja die Bildungsmöglichkeiten für Jede Kindes- 
Seele grundsätzlich dieselben. Daß das normale Kind gie von Anfang 
an für die Emporbildung Seiner Kräfte auszunützen versteht, das ab- 
norme aber nicht, ist eben aer klare Beweis dafür, daß des letzteren 
Bildungsgang nicht etwa gleich und nur verlangsamt, ja vielleicht 
nicht einmal ähnlich Sein kann dem Bildungsgang des normalen 
Kindes. Wo die Voraussetzungen grundverschieden Sind, können die 
Folgerungen nicht übereinstimmen. 
»Das Unbestimmte, Allgemeine 1ist früher als das Bestimmte, das 
deutlich und klar erfaßte Konkrete, obwohl ja von den Objekten aus 
betrachtet das Kinzelne, Konkrete immer das Erste ist. Das Chaos, 
das Durcheinander, das Ungegchiedene ist früher als die Ordnung, 
welche Scheidung und Sichtung vorausgetzt« (Kretschmer, Die ideale 
und die Seele). Der kindliche Geist arbeitet, ganz allgemein ge- 
Sprochen, ursprünglich vorwiegend mit Gesgamteindrücken. HErst all- 
mählich nimmt die Anschauung mehr analytischen Charakter an. 
DieSses Prinzip fortgesetzter Differenzierung ist für die Spon- 
tane Entwicklung der kindlichen Psyche typisch. Das normale Kind 
hat das Bestreben, »das zeitlich und örtlich Geschiedene, wohl auch 
qualitativ Unterschiedene, bei mehr oder weniger Übereinstimmung, 
Ähnlichkeit oder Gleichheit in den einzelnen Eigenschaften oder 
Merkmalen wiederum zu einer LKinheit zusammenzufasgen, zu dem, 
was man am besten Allgemeinvorstellung nennt. Ja diese Ver-
	        
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