Full text: Zeitschrift für Kinderforschung - 28.1923 (28)

Die Bedeutung von Milieu und Anlage beim Schwererziehbaren Kind. 97 
Zweck, viel Mühe und Arbeit auf Sie zu verwenden, es kommt nur 
darauf an, die Gegellschaft nach Möglichkeit vor ihnen zu Schützen. 
Das Kinzige, was wir tun können, ist, zu verhindern, daß derartige 
Menschen geboren werden. Hier Setzen die Bestrebungen der 
Rassgenhygiene ein; wir mügsen in praktischer Beziehung diese Be- 
mühungen noch als Sehr fragwürdig ansehen. BKinerSeits Sind unsere 
Kenntnisse der Vererbung noch viel zu gering entwickelt, um hier 
auch nur einigermaßen festbegründete Normen geben zu können; 
andererseits ist, Selbst wenn wir diese begäßen, die praktische Durch- 
führung 80 Schwierig und langwierig, daß wir auch einen Erfolg erst 
in einer ziemlich fernen Zukunft erwarten können. 
Anders liegt es, wenn wir den Milieuverhältnissen eine 
erhebliche ursächliche Bedeutung beimessen. Wenn auch diese viel- 
fach nur Schwer in günstigem Sinne zu beeinflusSen Sind, 80 besteht 
doch immerhin die prinzipielle und nicht 80 Selten auch die tat- 
Sächliche Möglichkeit, auf Sie einzuwirken und Sie günstiger zu ge- 
Stalten. Wir werden in diesem Falle mit größerem Optimismus und 
größerer Arbeitsfreudigkeit an die Beschäftigung mit den Kindern 
herangehen. In der Krkenntnis der Wichtigkeit des Problems hat 
man Sich, wie Ihnen bekannt ist, in den letzten Jahren vielfach mit 
dieser Fragestellung beschäftigt. Ich brauche hier nur an das Buch 
von Gruhle zu erinnern, in welchem bei einer größeren Zahl von 
Fürsorgezöglingen durch Sorgfältige AnalySse der Vorgeschichte die 
Bedeutung beider Versuchsreihen hervorgehoben wird. 
Die Beurteilung, in welchem Maße Milieu und Anlage bei der 
Gestaltung der asozialen Pergönlichkeit beteiligt Sind, ist praktisch 
Sehr viel Schwieriger als Sie auf den ersten Blick erscheint. Bei den 
erwachsenen aSozlialen Klementen ist die Frage kaum lösbar. Das Vor- 
leben eines erwachsenen Menschen und die BEinflüsse, die auf ihn 
eingewirkt haben, Sind 80 Schwer zu übergehen und iestzustellen, daß 
'es meist als ein fast ausSichtsloses Unternehmen erscheint, hierüber 
Klarheit zu gewinnen. 
Bei den Kindern liegen die Verhältnisse viel günstiger, denn 
die Milieueinflüsse haben auf Sie viel kürzere Zeit eingewirkt, 80 daß 
man die dadurch bewirkte Umgestaltung der PerSönlichkeit als viel 
geringer annehmen kann; das gilt um 80 mehr, je früher wir die 
Kinder zu Gegicht bekommen. Ferner g8ind die Milieueinwirkungen 
Sehr viel besger zu übergehen, da wir Ja die Eltern, die Häuglichkeit 
und die Sonstigen Umstände, unter denen die Kinder aufwachsen, 
Studieren können; endlich ist auch in der Regel durch die Bekannt- 
Schaft mit den Kltern die Feststellung der Krblichkeitsfaktoren wesgent-
	        
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