Über Dementia infantilis. 663
wegs als stark zurückgeblieben, Schwachsinnig oder Ccharaktero-
logisch besSonders auffällig bezeichnet werden konnten.
Durchschnittlich wurde der geistige Tiefstand in etwa neun
Monaten erreicht. Kine Spätere Besgerung war in keinem Falle
zu verzeichnen. In der Regel verblieben diese Kinder dann weiter-
hin im Zustand tiefer Verblödung. Große motorische Unruhe,
Otercotypien und tikartige Gewohnheiten Standen im Vordergrund.
Dabei behielten die Kinder ihren irreführend intelligenten Gegichts-
ausdruck. Besonders auffällig war der klare Blick und die 8chein-
bare Aufmerksamkeit, mit der die Kinder vielfach das verfolgten,
was in Ihrer Umgebung vorging. Für eine heilpädagogische Be-
handlung erwiegen Sich diese Kinder als ungeeignet. Selbständige
Nahrungsaufnahme und Reinlichkeit konnte manchen im Wege
Sorgsamer Pflegebehandlung angewöhnt werden.
Die Kiltern erwarteten in der Regel die Wiedererwerbung der
verlorenen Funktionen und gSahen Sich grausam enttäuscht, als der
geistige Tiefstand verblieb und das Kind völliger Verblödung an-
heimſfiel.
Im Jahre 1908 hatte ich Sechs Fälle in der Zeitschrift für die
Erforschung und Behandlung des Jugendlichen Schwachsinns * ver-
öffentlicht und der Abhandlung auch Bilder der betreffenden Kinder
beigegeben. Kinen Fall meiner Beobachtung hatte Herr Prof.
Weygandt, der 8ich 1907 in Wien aufhielt, psychiatrisch unter-
Sucht. Ich batte ihn vorher mit meinen Beobachtungen vertraut
gemacht und für die Fälle die Bezeichnung Dementia infantilis vor-
2eSchlagen. Herr Prof. Weygandt konnte meine Beobach-
tungen vollinhaltlich bestätigen und übernahm auch den Namen
Dementia infantilis, der nur besgagen Sollte, daß hier eine
geistige Verödung im Kindegalter eintrete, ohne diesen Vorgang
urgächlich näher zu präzigieren oder mit anderen Erscheinungen
ähnlicher Art in ZuSammenbhang zu bringen. Die Ergebnisse dieser
Beobachtung hatte er im gleichen Jahr in der oben erwähnten Zeit-
Schrift unter dem Titel: „Idiotie und Dementia praecox“ veröffent-
licht. Vergehentlich fehlt in der Arbeit der Bezug auf meine Be-
obachtungen und Mitteilungen.
Verschiedene Autoren haben Seither Fälle von Dementia IN-
fantilis beschrieben (Higier, Jancke u. a.). Im Jahre 1921
hat Julius Zappert auf Grund eines Materials von 13 Fällen
auf der Tagung der Deutschen Gegellschaft für Kinderheilkunde
in Jena neuerdings die Dementia infantilis zum Gegenstand einer
Darstellung gemacht und hierbei folgende Stadien unterschieden,
die er in allen Fällen übereinstimmend beobachten konnte:
1 Jena. Gustav Figscher.