Full text: Zeitschrift für Kinderforschung - 46.1937 (46)

402 G. Frankl: 
zusSchätzen, ähnlich wie Sonst in der Psychopatbologie aus der 
Schädigung bestimmter Hirnpartien auf das Vorhandengein der dort 
lokalisierten Funktionen geschlosgen werden kann (aus Schädi- 
gungen des Kleinhirns auf das Vorhandengsein einer zentralen 
Gleichgewichtsregulation, aus der Hinterstrangdegeneration auf die 
Existenz und Bedeutung der TiefensensIbilität usw.)." 
Von den Zuständen nach Enzephalitis epidemica wurde In. Jener 
Arbeit im wegentlichen nur der Parkingonismus behandelt. Die 
zweite Hauptform, in der Sich diese Krankheit in Ihrem chronischen 
Stadium im Kindegalter äußert, wurde kaum gegstreift. Es ist dies. 
die DiSSoziälität nach Enzephalitis epidemica, 
jene merkwürdige und entsetzliche Persönlichkeitsveränderung,,. die- 
Monate oder Jahre nach Ablauf des akuten Stadiums eintritt und 
Sich beim Kinde in unbeeinflußbarer Schlimmheit und noch öfter in 
Schwerster Kriminalität äußert. Auch dieses Syndrom ist in den 
letzten Jahren mit dem Verschwinden der Enzephalitis epidemica 
Selbst verschwunden. An der Heilpädagogischen Abteilung kamen 
bis etwa 1927 sehr viele Fälle zur Beobachtung, dann wurden gie 
rasch Seltener; die beiden letzten Fälle, bei denen diese Diagnose 
gestellt werden konnte, Stammen aus den Jahren 1929 und 1931. 
Auch dieges Krankbeitsbild hätte also jetzt, da es gar nicht 
mehr vorkommt, keine praktische Bedeutung mehr, wenn nicht 
auch in ihm ein bestimmtes pSychopathologisches Phänomen --- die: 
Handlungsform„TPriebhaäandlung“ -- in exemplarischer 
Reinheit zur Darstellung gelangte, 80 daß gie hier besonders gut 
Studiert werden konnte. Wieder läßt Sich zeigen, daß diese Hand- 
lungsform durchaus nicht nur bei der Disgozialität nach Enzephalitis. 
epidemica vorkommt; sie ist --- mit allen ihren charakteristischen 
und wesgentlichen Eigenschaften --- bei gehr verschiedenen anderen 
PSYChopathischen Zuständen nachweisbar und Spielt dort als ein 
die Erziehungsschwierigkeiten mitbedingender Faktor oft eine Sehr 
wesentliche Rolle. Es wird nachzuweisen Sein, daß Triebhand- 
lungen in gewisgen Ausnahmssituationen auch beim Gesunden her- 
vorbrechen können und dann durchaus gleichgestaltet Sind wie bei 
der postenzephalitischen Dissozialität. 
Allerdings gibt es keine Krankheit, bei der 3ie in Solcher 
Häufung, gewissermaßen in Reindarstellung vorkommen wie bier. 
Daher Sind hier die Erscheinungsformen der Triebhandlung im 
Kindegalter, ihre charakteristischen Merkmale, die Begonderheiten, 
durch die Sie Sich von andern Handlungsformen des Menschen unter- 
Scheidet, ihre besondere Wirkung auf die Umwelt und Sgpeziell auf 
den Erzieher, Schließlich und vor allem die Möglichkeiten päd- 
agogischen Vorgehens ihr gegenüber am klarsten erkennbar. Die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.