Full text: Zeitschrift für Kinderforschung - 46.1937 (46)

Triebhandlungen bei Dissozialität nach Enzepbalitis epidemica usw. 405. 
können. Das einzige für eine postenzephalitische Störung Sprechende 
körperliche Symptom bei ihr war die charakteristische Schnaufende Atmung. 
Der Beobachtungsbericht von der Abteilung lautet: 
„Gleich bei der Aufnahme gibt Sie jedem wie längst bekannt die Hand, 
weint und lacht in :einem Atem, klagt mit jammernder Stimme über 
Schmerzen im Bauch, im nächsten Augenblick erzählt. Sie Schon wieder einen 
Witz; dann weigert gie Sich hierzubleiben und führt eine Angstszene auf, 
dann Kann Sie Sich wieder von der Erzieherin, die Sie herbrachte, nicht 
trennen, fällt ibr um den Hals und will S8ie nicht loslasszen. Mitten 
im Jammern verlangt Sie plötzlich in ganz anderem Ton, daß ihr ihre 
Mandoline geschickt werde, dann heult Sie wieder weiter. Nach dem Um- 
ziehen ist gie gleich mit allen bekannt, 8ie hat ihren Schmerz vergessen, 
InteresSiert Sich für alles, hat tausend Wünsche. Kaum hat man ihr einen 
erfüllt, will Sie auch Schon wieder etwas Neues und drängt um Erfüllung. 
Sie wird dadurch gehr lästig.“ 
„Sie ist überaus Störend, tut irgendwo mit, rennt dann gleich wieder 
davon. Sie will überall dabei Sein und führt große Szenen auf, um dies 
durchzugetzen. -- Den ganzen Tag gibt es Konflikte zwischen ihr und den 
Kindern. Sie gibt ihnen unverschämte Schimpfnamen, fährt bei der harm- 
joSesten (elegenheit auf gie los, Schlägt auch bei den kleinsten Kindern 
rücksichtslos zu. Die Erzieherinnen beschuldigt 8ie, daß s8ie es mit den 
andern Kindern halten. Zieht gie den kürzeren oder fühlt Sie Sich machtlos, 
dann beginnt Sie zu verleumden. Sie reißt Sich z. B. Selbst Haare aus, weist 
Sie vor und beschuldigt die Erzieherin, dies getan zu haben. -- Um einen 
Wunsch durchzusgetzen, verspricht und beteuert sie alles mögliche, tut dies 
in äußerst glaubhafter Form; hat Sie erreicht, was Sie wollte, dann platzt Sie 
ungeniert in ein Lachen aus: „Des hab i nur gmacht, daß mir's gebn!“ -- Es 
iSt ausgeschlossen, bei ihr eine Strafe durchzuführen, 80 dringlich bittet, 
fleht und belästigt Sie; man gibt nach, um gie loszuwerden.“ 
„Sie belästigt alle Leute, redet jedermann rücksichtslos an. Es ist 
Sehr Schwer, Sie abzuschütteln, eher geht es noch im Guten als im Bögen. 
Bei energischer Abwehr wird gie erst recht klebrig und hängt Sich 80 fest an, 
daß man kämpfen muß, um frei zu werden. Bleibt Sie dabei lange in der 
Übermacht, dann lacht Sie Schadenfroh. Bei jedem festeren Anfassen -- das 
bei ihrer Kraft und Zudringlichkeit nicht zu vermeiden ist -- heult und 
Schreit 8ie.“ 
„BeSonders zudringlich wird Sie zu den männlichen Ärzten, mit un- 
verhüllt Sexueller Note. Sie möchte gSich immer unterguchen lasgsen; als dies 
dann einmal notwendig war, tat Sie äußerst verschämt und wollte Sich nicht 
ausziehen. Es gab eine gewaltige Szene. Als es vorbei war, war Sie von 
der Untersuchung unbefriedigt und wollte Sie fortgsgetzt haben.“ 
„Manche Tage will Sie nicht essen, an andern wieder ißt Sie 80 lange, 
bis Sie erbricht. Verweigert man ihr Schließlich das KssSen, dann Schreit und 
heult Sie 80 lange, bis man ihr nachgeben muß.“ 
„Sie redet gehr viel, rasch, ohne Pausgen einschalten und nachdenken 
zu müggen.“ | 
Fall2. Franz H. 13 Jahre alt. 
Er wurde gleichfalls von einem Kinderheim im Jahre 1927 an die Be- 
obachtungsabteilung überwiesen, war gleichfalls wegen der argen Schwierig- 
keiten, die er bereitete, nur wenige Tage dort gewesen. Die spärlichen 
anämnegtischen Daten, die über ihn zu erfahren waren, Stammen zum Teil 
von ihm Sgelbst, zum Teil von einer Tante.
	        
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