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bicht pSyYchopathische Zustände in die gleiche typische Handlungs-
iorm, die Triebhandlung, ausmünden können. Man halte Sich vor
Augen, daß -- freilich in eingeitiger Beleuchtung und flüchtig --
cin beträchtlicher Teil der Psychopathologie des Kindegalters be-
Sprochen wurde: Zustände nach Enzepbalitis epidemica, Schwadch-
Sinn bei früherworbenen zerebralen Störungen, Haltlosigkeit und
Süchtigkeit, neuropathische Störungen des Affektlebens, Schizo-
phrene und Schizoide Zustände. Bei allen diesen und noch bei vielen
anderen in dieser Arbeit nicht besprochenen Psychopathieformen '
kann es auf verschiedenen Wegen Schließlich zu dem gleichen Aus-
nahmszustand von Bewußtseingeinengung, unerträglicher Spannung,
Enthemmung kommen, der Sich in der Triebhandlung entlädt. Diese
Selbst ist --- dies Sel hier noch einmal wiederholt -- nichts an Sich
Pathologisches, Sondern eine zweckvolle, notwendige, in Jedem
Menschen vorgebildete Handlungsform, genau 80 wie dies das
„vernünftige“, der Willkür unterworfene Handen ist und wie es
auch der Reflex, der bedingte Reflex, der automatisierte Handlungs-
ablauf ist. Nur das Erscheinen von Triebhändlungen bei Gelegen-
heiten, bei denen 8ie nicht am Platze gind, ist abnorm. Und in
irgendeinem gegebenen Falle erweist sich ihre Abnormität eben
dadurch, daß gie in der betreffenden Situation nicht zweckvoll und
notwendig, Sondern unangepaßt, kriminell oder gefährlich gind.
Wir legen Wert darauf, die Triebhandlung als eine Solche
Handlungsform eigener Art zu betrachten, die Sich von den andern
Formen menschlichen Handelns durch eine Reihe charakteristischer,
geSetzmäßig ihr zugehöriger Eigenschaften unterscheidet. Durch
die Präzigion ihrer Zielsetzung und durch ihre Anpassungsfähigkeit
an ein Stets neues, einmaliges Ziel, durch das Ratfinement in der
Auswahl der Mittel, durch die Kompliziertheit ihres Aufbaues,
durch die Hochwertigkeit ihrer motorischen Leistungen, die 80gar
die der „vernünftigen“ Handlung übertreffen, unterscheidet Sie
Sich in wegentlichen Punkten von jedem noch 80 komplizierten
Reflexvorgang. -- Andergeits ist aber gerade die Unabhängigkeit
von der Vernunft Urgache dafür, daß Sich das Verhalten eines
Menschen im Zustand der Triebhandlung 80 furchtbar von Seinem
Benehmen wenige Augenblicke vor- und nachher unterscheidet und
daher dem Erziehenden oder 8o0nst einem Beteiligten, der die
Dynamik dieses Geschehens nicht kennt, 80 unverständlich ver-
ändert scheint.
1? Nicht einmal erwähnt wurde das ganze große, noch gehr Pproble-
Mmatische Kapitel jener Psychopathieformen, die auf die Überentwicklung
bloß eines einzelnen Triebes zurückgeführt werden: Kleptomanie, Porio-
'manie, Pyromanie Nymphomanie. Es ist beabgichtigt, dieses Gebiet in einer
- eigenen, Schon weit fortgeschrittenen Arbeit zu besprechen.