Full text: Zeitschrift für Kinderforschung - 46.1937 (46)

448 G. Frankl. 
bicht pSyYchopathische Zustände in die gleiche typische Handlungs- 
iorm, die Triebhandlung, ausmünden können. Man halte Sich vor 
Augen, daß -- freilich in eingeitiger Beleuchtung und flüchtig -- 
cin beträchtlicher Teil der Psychopathologie des Kindegalters be- 
Sprochen wurde: Zustände nach Enzepbalitis epidemica, Schwadch- 
Sinn bei früherworbenen zerebralen Störungen, Haltlosigkeit und 
Süchtigkeit, neuropathische Störungen des Affektlebens, Schizo- 
phrene und Schizoide Zustände. Bei allen diesen und noch bei vielen 
anderen in dieser Arbeit nicht besprochenen Psychopathieformen ' 
kann es auf verschiedenen Wegen Schließlich zu dem gleichen Aus- 
nahmszustand von Bewußtseingeinengung, unerträglicher Spannung, 
Enthemmung kommen, der Sich in der Triebhandlung entlädt. Diese 
Selbst ist --- dies Sel hier noch einmal wiederholt -- nichts an Sich 
Pathologisches, Sondern eine zweckvolle, notwendige, in Jedem 
Menschen vorgebildete Handlungsform, genau 80 wie dies das 
„vernünftige“, der Willkür unterworfene Handen ist und wie es 
auch der Reflex, der bedingte Reflex, der automatisierte Handlungs- 
ablauf ist. Nur das Erscheinen von Triebhändlungen bei Gelegen- 
heiten, bei denen 8ie nicht am Platze gind, ist abnorm. Und in 
irgendeinem gegebenen Falle erweist sich ihre Abnormität eben 
dadurch, daß gie in der betreffenden Situation nicht zweckvoll und 
notwendig, Sondern unangepaßt, kriminell oder gefährlich gind. 
Wir legen Wert darauf, die Triebhandlung als eine Solche 
Handlungsform eigener Art zu betrachten, die Sich von den andern 
Formen menschlichen Handelns durch eine Reihe charakteristischer, 
geSetzmäßig ihr zugehöriger Eigenschaften unterscheidet. Durch 
die Präzigion ihrer Zielsetzung und durch ihre Anpassungsfähigkeit 
an ein Stets neues, einmaliges Ziel, durch das Ratfinement in der 
Auswahl der Mittel, durch die Kompliziertheit ihres Aufbaues, 
durch die Hochwertigkeit ihrer motorischen Leistungen, die 80gar 
die der „vernünftigen“ Handlung übertreffen, unterscheidet Sie 
Sich in wegentlichen Punkten von jedem noch 80 komplizierten 
Reflexvorgang. -- Andergeits ist aber gerade die Unabhängigkeit 
von der Vernunft Urgache dafür, daß Sich das Verhalten eines 
Menschen im Zustand der Triebhandlung 80 furchtbar von Seinem 
Benehmen wenige Augenblicke vor- und nachher unterscheidet und 
daher dem Erziehenden oder 8o0nst einem Beteiligten, der die 
Dynamik dieses Geschehens nicht kennt, 80 unverständlich ver- 
ändert scheint. 
1? Nicht einmal erwähnt wurde das ganze große, noch gehr Pproble- 
Mmatische Kapitel jener Psychopathieformen, die auf die Überentwicklung 
bloß eines einzelnen Triebes zurückgeführt werden: Kleptomanie, Porio- 
'manie, Pyromanie Nymphomanie. Es ist beabgichtigt, dieses Gebiet in einer 
- eigenen, Schon weit fortgeschrittenen Arbeit zu besprechen.
	        
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