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ganiſirte Schulen die dazu nsöthige Vorbildung werden geges
ven Haden.
Dies ſind die Grundzüge des von Herrn Director Dr. Vogel
entworfenen und von den ſiädtiſhHen Behörden gebilligten Pla
nes einer Organiſation des Leipziger Bürgerſchulweſens. Cs
ſind darin die Anforderungen der Zeit und die Schulbedürfniſſe
Leipzigs ſorgfam berückſichtigt, und es iſt der Stadt zu der
Auasſicht Glü> zu wünſchen , vielleicht in wenigen Jahren ein
-in allen Theilen gut geordnetes Syſtem öffentlicher Unterrichts:
anſtalten zu haben. Die Ausführung des Planes wird um
fo leichter ſein, da Leipzig genug materielle und geiſtige
Kräfte ſär dieſen Zwe in Bewegung feken kann. Schon
durch feine im Jahre 1804 errichtete Bürgerſchule hat Leipzig
den Anſtoß zur Errichtung von guten Mittelſchulen gegeben,
und vielleicht wird es auch durch die beabſichtigte Organiſation
andern größern Städten ein Vorbild. JIc<h erlaube mir nur
noc<h, darauf aufmerkſam zu machen, daß für Leipzig ein eigener,
von andern Geſchäfien ganz freier, ſtädtiſcher Schulinſpector,
der das ganze Elementar: und Bürgerſchulweſen beanſſichtigt
und in allen Theiſen Ordnung und Regſamkeit erhält, ein
nothwendiges Erſorderniß ilt. Dr. H. Gräfe.
Sendſchreiben an Herrn Profeſſor Nobbe,
Rector an der Nicolaiſchule zu Leipzig,
in Bezug auf ſeine Vertheidigung der Abhängigkeit der Schule
von der Geiſtlichkeit.
Mit einem ſchmerzlichen Gefühle ergreife ich die Feder,
um Ihnen Einiges auf das Programm zu erwiedern, welches
Sie im April dieſes Jahres de 5chola non profananda,
d. h. gegen die Emancipation der Schule, herausgegeben haben.
Bis jeßt waren es namentlich Theologen, die beſonders in dem
in Freiberg erſcheinenden »Lichtfreunde« am heftigtien gegen die
Emancipation der Schule geeifert haben. Hier ſchien uns der
Kampf natürlich; denn es wurde pro ara et foco gekämpft.
"Anders verhält ſich aber die Sache, wenn ſelbſt Lehrer, und
zwar Rectoren von Gymnaſien , auftreten und bekennen , daß
ſie ſich ohne die Beihülfe der Theologen nicht getrauen, ihre
Schule gtt zu leiten. Wie? -=- alſo, nachdem Sie als ein
würdiger Schüler zu den Füßen eines Be&> und Hermann
geſeſſen und ſich während Ihrer Studienzeit ſorgfältig auf
Ihren künitigen Beruf als Gymnaſiallehrer vorbereitet haben,
brauchen Sie dennoc< das Anſehen eines Theologen, deſſen
pädagogiſche Kenntniſſe, wie Sie ſelbſt geſtehen (S. 15),
bei der Einſeßung in ſeine Stelle gar nicht in Betracht kom?
men, um Ihr eigenes zur Handhabung der Disciplin aufrecht
zu erhalten ? (S. 22.) Dod gehen wir die Gründe durch,
die Sie erſt S. 7--9 gegen die Emancipation der Volksſchule
and dann S,. 20-22 für diz Unterordnung der Gymnaſien
unter die Geiſtlichkeit aufgeſtelit haben.
Erſtlich , fagen Sie S. 7, ſei es ſchon deshalb nöthig,
daß Geiſtliche die Leiter und Regierer der Schulen ſeien, weil
ſie das von der Schule begonnene Werk religiöſer Bildung
fortzuſeßen hätten. = Aber ſollte wirklich die religidſe Bils-
dung der alleinige Zweck der Volksſchule ſein ? Soll ſie nicht
auch für Ausdildung des Verſtandes durF mancherlei Kennts
niſſe forgen, die der künftige Landmann und Bürger nicht
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füglich entbehren kann, wenn er ſich ein ſorgenfreies Fortkoms
men ſichern wil ? Wie nun, wenn aus gleichem Grunde auch
die Meiſter und Lehrherren deswegen, weil ſie die Bildung
der Zöglinge einer Schule fortſezen, auf die Herrſchaft über
diefelbe Anſpruch machten! Oder wenn die Lehrer verlangten,
daß ſie die Oberaufſicht über dte elterliche Erziehung der Kine
der bis zu ihrem ſechsten Jahre erhielten, weit fie deren Bil-
dung und Erziehung weiter fortzuſeßen hätten ? Möüßten dann
nicht aus gieichem Grunde nicht ſowoht die Geiſilichen, als
vielmehr die Univerſität und die verſchiedenen Academie des
Landes die Deaufſichtigung und Leitung der Gymnaſien erhal;
ten, da jie ja es ſind, welchen die Fortbildung der Zöglinge
des Gymnaſiums anheimgegeben iſt? Und doch eifern Sie
S. 17-=-19 gewaltig gegen eine ſolche Leitung der Schulen
von Seiten der Univerſität. Trifft aber der Vorwurf, den
Sie an jener Stelle den Univerſitätsprofeſſoren machen , - daß
ſie die Mühen und Anſtrengungen des Schulſtandes nicht hin
länglich fennen, nicht mit gleicher Stärfe die GWeiſtlichen ?
Daß Geiſtliche bisweiten Schuiſiellen bekleidet haben, iſt wenig:
ſtens eben ſo zufällig, als dies der Fall bei den academiſchen
Leizrern iſt, und weder die bloße Pädagogik als Wiſſenſchaft,
noch das Hauslehrerleben giebt einen hinlänglichen Begriff von
dem Leben und Wirken in der Schule. Juch haben ja die
Profeſſoren ihre academiſchen Hungerjahre ebenfalls häufig
durch Drivatunterricht ſic) erleichtert. Doch ges" ich Zhnen
hierbei recht gern zu, daß die Beaufſichtigung und Leitung
der Schulen ven Seiten der Univerſität kein Glück für dieſe
wäre, und zwar fchon aus dem einfachen Grunde, weil es mit
Recht heißt: »Universitas male administrat.« |
Als einen andern Srund gegen die Emancipation der
Schulen führen Sie ferner, S, 7, an, daß mehrere Schul;
lehrer nicht gebildet genug ſeien, um die Religion auf die
rechte Weiſe lehren zu können. == Hier, muß ich geſtehen,
vermiſſe ich Ihren Scharfſinn ganz, den Sie doch ſonſti im
Felde der Kritik, namentlich bei Herſtellung ſo manches Verſes
im Cicero, rühmlichſt bewährt haben, Lie ? --- alfo daraus,
daß es einige untüchtige Lehrer giebt, folgern Sie, daß der
ſämmtliche Lehrerſtand unter der Obhut der Geititichfeit ſtehen
müſſe? Sind ZJhnen keine untüchtige Geiſtliche bekannt ?
Oder haben Sie nie in Leipzig die Erfahrung gemacht, daß
es gerade unter Denjenigen, welche ſich der Theologie widmen,
Biele giebt, die ihre Zeit auf eine wahrhaft traurige Weiſe
vergeuden, dann im leßten Halbjahre ſich rait einiger Anſtrens
gung auf das Examen vorbereiten, und, haben ſie daſſelbe mit
Mühe und Noth beſtanden, als Hauslehrer oder Stunden:
geber das Wenige wieder verlernen ? Sind ſie dann endlich
jo glücklich, zu einer Patronatſtelle zu gelangen, ſo iſt es dem
Laufe der Dinge vollkommen gemäß, daß ſie darin verbauern,
und ihre Wirthſchaft als die metkende Kuh lieber haben, als
die Wiſſenſchaft und ihre eigene Fortbildung. Was ſoll aber
nun dem untüchtigen Schullehrer, der für feinen Beruf nicht
genug vorbereitet iſt, die Auſſicht des Geiſtlichen helfen ? Soll
ſie ihn tüchtig machen ? Wie wäre das möglich ? Sie ſagen, -
der Geiſtliche ſoll dann den Religionsunterricht ſelbſt ertheis
len. Recht gur; nur möchte ich fragen, wie oft es wohl
geſchehe, daß in Sachſen der Geiſtliche den Religtonsunterricht
ſelbſt habe? Aud) folgt do) hieraus wahrlich nicht, daß der
Geiſtliche die Herrſchaft über die Schule haben müſſe. Wie
oft müſſen Restoren in kleinen Städtchen für ihre Paſtoren,