Full text: Zeitschrift für Geschichte der Erziehung und des Unterrichts - 14.1924 (14)

129 Hülsenbeck: Das nagsaunische Unterrichtsgesetz von 1817. 
 
geklärte Absolutismus im Staate die Gesamtheit der physischen und 
geistigen Kräfte der Nation, er überträgt dem Staate in Seiner Kigen- 
Schaft als Kulturträger nach und nach Aufgaben, welche früher dem 
Arbeitsgebiet der Kirche allein angehörten; er legt 80 auch die Sorge 
um die Bildung und den Unterricht des Volkes in die Hand der omni- 
potenten monarchischen Gewalt. Alle Bildung wird systematisch von 
oben her ins Volk getragen, der kulturelle Fortschritt erwächst nicht 
aus der Urkraft des Volkes gelbst heraus, Sondern ist vielmehr das 
künstliche Produkt eines ganz bestimmten zielstrebenden Willens, der 
Sich in einer kleinen, alle Geisteskultur in gich 8ammelnden Oberschicht 
konzentriert. Die preußische Monarchie wurde in besonderem Maße 
Trägerin dieger rationalistischen Bildungsidee. Der Pietismugs trat hin- 
zu, und aus einer Mischung von Elementen dieger Strömungen heraus 
entstand das berühmte Generallandschulreglement Friedrichs des Großen, 
das erste einheitliche Schulgegetz für die gegamte Monarchie und zu- 
gleich das Grundgegetz für die preußische Volksschule!). „Daß der 
höchstschädlichen Unwissenheit abgeholfen werde, um in der Schule 
geschicktere und bessgere Untertanen erziehen zu können“, Stellt das 
Reglement als Ziel des neuen Gegetzes auf und kennzeichnet damit, 
wie eng die neue Bildungsidee noch mit monarchisch-dynastischen, im 
weiteren Sinne rein obrigkeitsstaatlichen Interessen verknüpft war. 
Dadurch wird Seine kulturgeschichtliche Bedeutung nicht herabgemindert. 
Das Bildungswesen wird hier Immerhin erstmalig zum Gegenstand eines 
großen Staatlichen Organisgationsgesgetzes gemacht; trotz Seimer Mängel 
atmet es den neuen Geist des Staatlichen Bildungsgedankens. In der 
Praxis freilich war das Reglement ein roher Anfang, geine Durch- 
führung blieb Sehr unvollkommen, die Konzessionen an die tatsächlich 
gegebenen Zustände waren 80 weitgehend, daß gie den Geist des (38- 
Setzes oder wenigsgtens Seiner Idealzjele zu ertöten drohten; man denke 
an die Kinstellung invalider Soldaten in den Landschullehrerdienst, an 
den Widerstand der Grundherren wie der Landbevölkerung gelbst. Die 
Grundlage einer wirklich geistig hochstehenden Volksschule, ein ge- 
Sunder Volksschullehrerstand, war nicht vorhanden. Die Bedeutung des 
Gegetzes war demnach vorbereitender Natur, aber die Idee staatlicher 
Krziehungs- und Unterrichtsfürgorge war gegeben, der Organisgations- 
gedanke im Großen harrte der Verwirklichung und der Vergeistigung. 
Hinen weiteren Schritt vorwärts in der Richtung zur Staatsschule 
machte Preußen durch die Eingetzung des Oberschulkollegiums, durch 
welche die Unabhängigkeit der Klementarschule von der kirchlichen 
Behörde amtlich ausgedrückt wurde. Das preußische Schulwegen war 
auf eigene VYüße gestellt. „Schulen und Univergitäten Sind Ver- 
1) Wir wiessen freilich jetzt, daß es Sich ganz wegentlich auf der Grund- 
lage eines Schon 1727 entstandenen Entwurfs aufbaut: vgl. Vollmer, F., Die 
preuß. Volksschulpolitik unter Friedrich d. Großen. Berlin 1918. Mon. Germ. 
Paed. 56. Bes. 5. 47ff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.