Full text: Zeitschrift für Geschichte der Erziehung und des Unterrichts - 14.1924 (14)

Hülsenbeck: Das nassauische Unterrichtsgesetz von 1817. 123 
 
anstaltungen des Staates“ verkündet das noch aus dem Geiste Friedrichs 
hervorgegangene Allgemeine Landrecht. 
Neuer Geist strömte im Zeitalter der Befreiung mächtig herein; 
an die Spitze des preußischen Staates, der bigher fast ausschließlich 
um geine Kxistenz als Großmacht und um Seine notwendigsten Ver- 
waltungseinrichtungen zu kämpfen hatte, traten neue Männer, die in 
Sich erfüllt von der Idee der Humanität, der klassischen Philosophie 
und der klasgischen Literatur auch ihr preußisches Vaterland der Ideale 
von Weimar teilhaftig werden lassen wollten. Die Romantik kündigt 
Sich bereits an und mit ihr die Wertung der Kräfte im Volk gelbst, 
und doch lebten auch Humboldt und die Seinen noch ganz und gar in 
Ideen der Aufklärung; auch für gie handelt es Sich stets nur um 'geistige 
Oberschichten. Wenn gie vom Volk und geiner Kraft, vom Geiste der 
Nation Sprechen, 80 meinen gie die geistigen Führer des preußischen 
Volkes, die in gich Träger der nationalen und der Kulturidee ware». 
Die Reformen Humboldts aber, die er, an der Spitze der neugegründeten 
Sektion: für Kultus und Unterricht im Ministerium des Innern, gesgetz- 
lich festlegte, Setzten die Loslögung des Lehramts aus Seiner Verquickung 
mit dem geistlichen Amte und der Kirche fort. Der griechische Geist 
des klassischen Zeitalters aber war ein Kind des antiken Staates; So 
war es unvermeidlich, daß Seine e Ausstr ablungen nur der höheren Bildung 
zu Gute kamen. 
Die preußische Volksschule im eigentlichen Sinne igt aus dem 
Volksheer hervorgegangen, ist eine Frucht aus dem Erbe der Be- 
Treimngskriege; die allgemeine Wehrpflicht Sammelte erstmalig breite 
Massgen unter der Fahne und ebnete 80 den Weg zu dem Volks- 
bildungsgideal des liberalen Zeitalters. | 
Unsgere Aufgabe aber bier Soll “die Würdigung eines Unterrichts- 
gegetzes Sein, das im J. 1817 die Bildungsverhältnisse eines kleinen 
deutschen Staates ordnete. Die Tatsache, daß die Bedeutung dieses 
Unterrichtsgegetzes weit über den Rahmen. geiner territorialen Grenzen 
und damit der heimatgeschichtlichen Interesgen hinansgeht, rechtfertigt 
es, einen Solchen Anusschnitt aus einer ganz bestimmten Epoche der 
geistigen Entwicklung einer räumlich stark begrenzten Umwelt zum 
Gegenstand wisgenschaftlicher Untersuchung zu wählen. Das berühmte 
nasggauische Schuledikt wird uns zum Ausdruck einer bestimmten Zeit- 
kultur, einer bestimmten geistigen Atmosphäre; es wird den Geist 
Jenes kleinen deutschen Staates atmen und doch zugleich zu typisch- 
historischem Werte gelangen als ein erstes großes Unterrichtsgesetz, 
eine ergte staatliche Regelung des Bildungswegens eines Landes in ganz 
großem Stile. Praktisch wird es Muster und Vorbild für die Schul- 
organisation anderer Staaten, Seine zeitlichen Grenzen übergschreitet es 
aber durch geine Dauer, durch gein Fortbestehen in den wegentlichen 
Grundlinien bis in die unmittelbare Gegenwart hinein; es wird zum 
Kampfobjekt politischer und religiöger Parteien, es wird endlich zu
	        
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