iſchen Schulkreiſe wahrſcheinlich mit großer Freude und mit
großem Vorteil verbringen würde. Um dieſes Zukunſtsbild
abzuſchließen, möchte ic<h noh eine Spanne weiterdenken und
hervorheben, daß die kommende, allgemeine Bildung nicht
nur auf theoretiſcher, ſondern auf handwerklicher Grundlage
beruhen wird. In vorgeſchrittenen Ländern gewinnt die
Schule gerade in den Anfangsſtufen mehr und mehr die
Form von Lehrwerkſtätten, wo die Kinder herrſchen und
jedes beliebige Handwerk zu irgend einem naheliegenden
„Zwe, ſowie als Grundlage des höheren Wiſſen38 betreiben
können. Fachkundiges, williges, pädagogiſch begabtes,
nicht ſhulmeiſterliches --- Lehrperſonal iſt unerläßliche Vor-
ausſetzung, ein Lehrperſonal, das alle leiſen Regungen und
Wünſche der Jugend erfaßt, das Intereſſe in Spannung
Hält und alle Unterweiſungen in freundſc<haftlicher Art, gleich-
jam als Spielgefährte gibt. Das in den gewerblichen Grund-
lagen erworbene Können iſt mit einer Fülle von Kenntniſſen,
ſchier mühelos erworben, verbunden, die nie vergeſſen werden
können und eine verläßliche Grundlage des künftigen Leben3
bilden, während die allzu theoretiſc<en Kenntniſſe der heutigen
abſtrakten Schule zum größten Teil für das Leben wertlos
ſind. Wir ſehen ſkandinaviſche und amerikaniſche Schulen
auf dem beſten Wege nach dieſem Bildungsziel, das die
natürlichen Anlagen des Kindes fortſezt und für die Auf-
gaben des Lebens kräftigt. Bei uns zulande fehlt für dieſe
Sculreform die notwendige private Initiative ; nichts8deſto-
weniger können im Einzelnen, in Schule und Haus8 aus
dieſen, in flüchtigem Umriß ſkizzierten Aufgaben Anregungen
zur ſelbſtändigen Weiterbildung geſchöpft werden. Jeder
Scritt, der zu dieſem Zweck unternommen wird, dient der
Befreiung von fruchtbaren Kräften und Anlagen, die uner-
ſchöpflich ſind und zu Hoffnungen eines veredelten Daſeins
berechtigen, die in ſchöner gediegener Arbeit und in der Be-
tätigung vornehmer Geſinnung zum Ausdru>k kommt. Die
vergangene Volkskunſt, die uns als ein ſolcher Ausdruc>
erſcheint, können wir wiederhaben, wenn wir nicht die keimen-
den Triebe immer wieder erſtiken. Kinderkunſt, das iſt die
reinſte Vollstunſt.
Warum ſind uns Wilder lieb?
Von Dora Schoenflies8, München.
Eure leinen Brüder und Schweſtern, alle vier=, fünf-
und ſechsjährigen Buben und Mädelchen lieben ihre hübſchen
Bilderbücher zärtlich. Tag für Tag ſchauen ſie die nämlichen
Bilder mit gleich lebhafter, jubelnder Freude an. Und
dann werdet ihr ſelbſt von ihnen mit eifrigen Bitten be-
ſtürmt: ihr möget ihnen die Geſchichte oder die Verslein zu
den einzelnen Bildern, die ihr - ihnen doch ſchon ſo oft vor-
geleſen habt, nog einmal vorleſen! WesShalb ſind wohl
den Kleinen ihre Bilderbücher ſo lieb und ſo wichtig?
Da merkt ihr, ſie treffen auf mancher Abbildung etwas
wieder, was ihnen in der Wirklichkeit ſhon häufig begegnet
iſt, 3. B. eine Kaße, die ſich das Pfötchen leckt ; oder ſie
lernen etwas Neues daraus kennen, vielleicht den Ziegenbo>
mit ſeinem ſpaßigen Bart und den Stoßhörnern, und aus
dem Verslein erfahren ſie zugleich, was für ein wilder
Springinsfeld er ſei. Auf anderen Bildern ſind Kinder
dargeſtellt, die etwa in einer Kutſche ſpazieren fahren oder
im Ringelreihen luſtig ſpielen. Klein = Brüderchen und
-Schweſterhen aber überlegen ſich garnicht, daß es ja nur
Bilder ſind. Sie haben ſoviel Vergnügen am Anſchauen
des Spiels, wie wenn ſie einem wirklichen Spiel mit allen
jeinen Aufregungen zuſchauten. .
- Eu ſelbſt, die ihr ſchon heranwachſt, bereiten ſolche
Vilder keine Unterhaltung mehr.
Aber e8 gibt. viele andere, die anzuſchauen ihr ſtolz
und eifrig ſeid, beſonder38 Bilder, wie ſie von Erwachſenen,
von euren Eltern, Verwandten und Bekannten zu ihrer
eigenen Freude an die Wand gehängt oder in Mappen und
über einer welligen Ebene in
AlbumSs aufbewahrt werden. I< meine fowohl Photographien
und. andere Nachbildungen von Gemälden und Statuen,
die irgendwo an einem fernen Ort in einem Muſeum ſind,
wie Kupferſtiche, Radierungen und Holzſchnitte; ich meine
auch farbige Bilder, zwar nicht die grell-bunten altmodiſchen . .
Oeldrucke, die ſind nicht ſchön, ſondern die neuen farbigen
Künſtlerſteindruc>ke, unter denen e8 viele gibt, die euch gut
gefallen. Wer von euch in einer größeren Stadt wohnt,
ſieht ſich in den Schaufenſtern von Buch- und Kunjſihand-
lungen gerade ſolche farbigen Künſtlerſteindru>e und auch
andere Bilder oft und gern an. Und wenn in der Stadt
gar ein Gemäldemuſeum iſt, werden euch auch etliche der
Vilder dort lieb und vertraut.
. Wie Vieles habt ihr an jedem Bilde zu betrachten.
Da iſt zum Beiſpiel einmal eine Mutter mit ihrem
fleinen Kinde dargeſtellt, mit dem hübſchen Baby, das ſie
auf dem Arme oder Schoße hält. Wie ſie den Kopf liebe-
voll gegen das Kindchen neigt, wie ihr Geſicht, ihre Hände
und Kleidung fein und zart gebildet ſind, wie va38 Kleine
vergnügt mit ſeinen Händchen patſcht!
Gin anderes Mal ſind als Porträts, ohne daß irgend
etwas auf dem Bilde geſchieht, die Köpfe oder die ganzen
Geſtalten von Menſchen zu ſehen, die euch ganz unbekannt,
die ſogar meiſtens ſchon ſeit Jahren oder Jahrhunderten
tot ſind. Und doch habt ihr großen Eifer, die Geſichtsformen
und den Ausdru>k der Mienen und die prunkhaft faltigen
Gewänder euch anzuſchauen. Und ihr fühlt . . .
Ia, was8 fühlt ihr?
Etwas, was ſo erſtaunlich und ſo ſchön iſt, daß wir
ganz : behutſam verſuchen wollen, die erklärenden Worte
dafür zu finden.
Gin ähnliches merkwürdiges und beglücdendes Gefühl
wird in euch rege, wenn ihr zum Beiſpiel eine liebliche
Darſtellung von Rehen ſeht, die auf einer Waldlichtung
graſen oder etwa ein Bild mit großen Vögeln, die hoch
ſtürmijchem Zuge, von der
Sonne durchleuchtet, dahinfliegen.
Und wenn das Bild vielleicht ein Geſpann ſchwerer
Arbeitspferde vor dem Pfluge oder ein reifes Kornfeld
zeigt, und Bäume, Wieten, ein Teich oder ein Flüßchen
ſind auch noch zu ſehen, jo ergeht es euch vor einem folchen
Bilde ebenſo. Nicht nur, daß ihr alles Dargeſtellte aus der
Wirklichkeit kennt, nur daß die Sonne die Farben noch viel
leuchtender erſcheinen ließ, als ſie auf dem Bilde find; oder
ihr erinnert euch, wie durch einen Dunſt der Glanz und die
„Helligkeit aller Dinge verſchwanden oder wie am Himmel
ein Gewitter aufzog. Zu all dieſem, das euc<4 durch das
Anſchauen des Bildes nachdrü>lich, wie wenn ihr es gerade
noh einmal erlebtet, einfällt, kommt noh jenes Gefühl hinzu.
Etwa ganz Beſonderes -- Was iſt da8?
Da3 Bild mit dem reichen Kornfelde und den mächtigen,
knorrigen Eichbäumen bewirkt in uns geradezu ein Wogen
von Stärke, Stolz und Mut. Wir meinen aus dem An=
bli> zu empfinden, wie der Baum gegen Bedrohungen des
Sturmes feſt im Boden wurzelt, und wie der Stamm mit
den ſcharfen Rillen der Rinde und die holzigen Neſte mit
den mäßig dichten Blättern kräftig aufgewachſen ſind und
dieſes guten Wachstums ſich gleichſam freuen. Und gleicher=
weiſe erweckt das Getreide, das zu vollen, gelben Aehren
herangereift iſt, in uns die lebhafte Empfindung ſeines kraft=
vollen Sprießens und Gedeihens8.
Freilich, das alles beobachtet man am wirklichen Baum
draußen auf der Wieſe ebenſo; dazu braucht man ſchließlich
gar fein Bild. Al' das gibt e38 draußen auf dem Lande
wirklich zu ſehen.
Und doch findet ihr ſelbſt, daß ole Bilder von Qand-
ſchaften ſchön anzuſchauen ſind; und es würde euch ſehr
leid tun, wenn es keine gäbe. Woran liegt das nur?
Ihr antwortet mir: weil man nicht immer, wenn man
gerade Luſt hätte, dort hinaus gehen oder fahren kann, wo