Full text: Kinderland (Januar 1911) (1911)

„Krabbelmäuie“, ſagt Hannes. - 
„Ja,“ fage ich, „Krabbelmänje.“ 
„Fauf mir -- =“ 
Unſere Blicke begegnen 
„Willſt du nicht?“ 
„Doch,“ ſage ich, ich will.“ 
Im nächſten Augenblick haben wir eine Maus. -- 
Und nun zichen wir tapfer unſere Straße fürbaß, Hanz 
nes, ich, und dic Krabbelmaus. Zn meiner Taſche hopſft und 
ſpringt e8, wie lauter Flöhe und Heuſchre>den, aber was tut 
dua32? -- 9, nichts, mein Söhnlein Hannes amüſiert fich . . . 
Es geht neben mir, bisweilen auf Zehenſpißen, und 
ſtopft den Arm bis zum Ellenbogen in die Taſche. - 
„Gine tiefe .Taichc.“ 
„Ja.“ Tage ih, „einc tiefc 
„Krabbelt es ſchr?“ 
„DO ja,“ jage ich, ich danfe.“ 
„Ich bitte,“ ſagt Hanncs3 Höflich. 
So reden wir noc< einc ganze Weile, immer von un1e- 
Freunde, dex Kravbbelmaus. 
„Vielleicht möchteſt du überhaupt ganz da hinein?“ jage 
« 
» 
fich; da muß ich lächeln. 
Taſche.“ 
tem 
„Wo hinein?“ . . . 
„Na, zu dem Hopferich.“ 
„Heopferich?“ jagt Hannes. 
in der Taſche.“ 
„A<h 579,“ ſagt Hanne3, „in der Taſche. 
cin Hopferich?“ 
„Allerdings,“ ſage ih. 
„Und bift du denn auch cin Hopferich?“ 
„Fein“ . . - 
Und Hanne3- denkt nach. 
„Warum biſt du nicht cin Hopferich?“ 
„Sieh mal“, jage ich, „ſich mal da = -- 
Aber Hannes bleibt fet. 
„Warum biſt du nicht ein Hopferich? Vater“ Warum =? 
Er kann es nicht ſaſſen. 
Und wieder fommti einc Burg, und wieder ein Bär -- 
„Wo iſt denn 1v einer?“ 
Bin ich denn auch 
da 
ein Segelboot =- ein Ruppenhaus -- ein ganzer Hühnerhof =. 
„Kauf mir!“ ſagt Hannes und ficht mich ermunternd an. 
„Willſt du nicht =?“ 
„I< will ſchon“, ſage ich. „ Aber du weiſt do? -- =" 
„Was weiß ich?“ 
„Daß wir arm ſind.“ 
„Ach ſo“, ſagt Hannes. 
„3a, noc< immer.“ 
Ünd Hanne38 denfi na<ß. Ex kribbelt und krabbelt . . . 
„Arm?“ ſagt er nach einer Weile in maßlofem Staunen. 
„Noch immer? No<h immer?! Ah, fo . . . 3a, aber -- 
-- wir haben doch nun den Hopferic< = = =?“ 
„Sind wir noch immer arm?“ 
Gmpfehlenswerte Eitern- und Kinder-Bücher. 
Mutter- und Kyſelieder. Dichtung- und Bilder zur edlen Pflege 
des Kindheitsleben3. Gin Familienbuch von Friedri >< 
Fröbel. Neuausgabe von Dr. Joh. Prüfer. Berlag Ernſt 
Wiegandt, Leipzig. Preis 3 Mk. 
Fröbel? =- Lebt er wirklich noc< außer in den Kinderx- 
gärten und -- Horten? Wiſſen unſre jungen Mäütier noch eti- 
was von dieſem genialen Manne, von dieſem deutſchen Gr- 
zieher, der, wie kein Anderer, den Weg ſuchte zum Herzen der 
Mütter? -- Fröbelſche Beſchäftigungsſpiele, die Flechtbogen, die 
Stäbchen und dies und das liegen wohl in den Spielſc<hränten 
unſcrer hygieniſchen Kinderſtuben, wie aber ſteht es um Den 
Geiſt, um die Liebe, die dieſe toten Dinge beſeelt? Wir 
leben in einer anderen Zeit; nahezu ein Jahrhundert iſt über 
Txüöbels Wirfen dahingegangen. Neue Aufgaben der Erziehung 
ſan uns gerangetreien, unſer äußeres Leben hat einen vbl- 
ligen Umſchwung erfahren. Die kleine Menſc<entnojpe aber 
iſt dieſelbe geblieben und rühri genau wie dazumal mit ihren 
feinen Taſtern an das Herz der Mutter und wet in ihr das 
Bewußtſein ihrer beiligſten Pflicht: Hüterin und Pflegerin ihr 
21 ſein. Das iſt c3, was in dieſem liebenvollen Buch, in dieſem 
wahrhaften Buch der Mütter auf jeder Seite klingt und mahnt. 
Und darum find die „Mutter- und Koſelieder“ auch hcutc noch 
nicht veraltet und werden auch heute noch jedes innige Frauen- 
gemüt ergreifen und beglüden. Ind nahHdenflich machen! 
Denn e3 ſind keine keinen dummen Liederc<en, die man ge- 
dankenlo8 hinſingt. Eine Ahnung weden ſie der Mutier, daß 
dieſes junge unbewußte Geſchöpf in ihrem Arm ein Weſen 
iſt voll reichſter Mannigfaltigkeiten, Gigentümlichkeiten und 
Entwiklungs8möglichkeiten. Sein Körper verknüpft es mit der 
Grde, ſeine Glieder verbinden es mit Der Umgebung, jeine 
Sinne mit der geſammten Sinnenwelt, ſein herxraufdämmern- 
de8 Bewußtſein, ſein erwachender Geiſt mit allen Leben -=- 
48 
 
iſt an ſeinem Werke gewachtien. 
dies alle3 zu warten, zu entiwideln, zu bilden, das lehren Dicſe 
XICDET. - uw 
Gin pädagogiſches Buch alſo? A< nein, denn es iſt 1o cin- 
fac< und natürlich, jo dur<träntt von Liebe und Andacht, UnT 
die Verſe ſind ſo j<le<ht =- Fröbel war alles nur fein Dichter 
--. daß ein richtiger Schulmeiſter das natürlich viel beſſer ge- 
macht hätte. Und da iſt noch etwas, was dem ſchlichten Buch 
einen feinen poetiichen Zauber verleiht, ihm einen ſchimmexrn- 
ven Mantel dex Romantik umhängt; das find die JUnftrat1o- 
nen, die nach den köſtlichen alten Kuvpfern des Malers Friedrich 
Unger angefertigt ſind. Alte Dome deutſcher Städte, hohe goti- 
ſche Bogenfenſter, an denen die Mutier mit dem Kleintjten 
jteht, Märkte und Schaubuden. Da treibt der Wagner jein 
Handwer?f, dort der Gärtner, da ſind Tiexe und Blumen, da 
haſcht das Kind nach den Lichtvögelein . . . dieſe Bilder, in dcr 
feinen Federgeichnungstechnif alter deutſcher Meitter ausge- 
führt, ſind Gedichte an ich. 
Wir können dem Herau38geber, dex da? Buch dur< cine 
Betrachtung über Fröbcel38 Werden und Wirken wertvoll be- 
veichert hat, ſowie dem Verlag, der dieſe vietätvolle Neuaus- 
gabe beſorgte, von Herzen dankbar Jein. Möge das Buch wieder 
zum deutſchen Familienbuch werden. | 
Clara Hepncx. 
Götferdämmerung. Cine Geſchichte vom Untergang Wuotans. 
Von Rovert Walter. In der Sammlung der Viainzer BVolls3- 
und Jugendbücher, herausgegeben von Wilhelm Koizde, Mainz, 
Io). Scholz. ' 
Die richtige Aufgabe iſt einmal an den richtigen Mann ge- 
fommen. Wenn die Mainzer Volksbücher, im Kampf gegen die 
Schundliteratur, ihre Miſſion darin erkennen, Schönheit und 
Kraft darzuſtellen, „Kraft nicht im Sinn einer kühnen ungezügelten 
Phantaſie, ſondern Kraft, aus dem vollen Leben geſchöpft, aus 
dem Heldenleben unſerer Nation" (Prof. Dr. K, Brunner, Jdea= 
ligmus i. d. Jugendliteratur) und damit gegen den „weichlichen,. 
weibiſchen, allem Kriegeriſchen abholden Geiſt unjerer Zeit“ an- 
tämpfen wollen, ſo haven fie in Rovert Walter einen vorzüglichen. 
Herold gewonnen. Aber auch für Robert Walter ſelbſt, deſſen 
überichäumende Phantaſie ſich in letzter Zeit ein wenig ins 
Grenzen- und damit Formloje zu verlieren drohte, war die feſte 
Beſchränkung auf einen hiſtoriſchen Stoff überaus wertvoll. Er: 
Die dichteriſche Sprachkraft, die 
ihn neue Worte ſchaffen läßt, zwang er in den Dienſt kraftvoller 
Darſtellung der gewaltigen Kämpfe, in denen Kar! dex Große 
den heidniſchen Sachſentroß zu Boden warf. Eine ſat unmögliche 
Aufgabe, die ſich immer wiederholende Schilderung des wütenden 
Aufeinanderprallen8 faſt tieriſch wilder Gegner mit allem ſc<euß= 
lichen Greuel der Leidenſchaften uns doch geadelt von hohen 
Jdealvorſtellungen, neuem und aliem Glauben, Vaterlandsliebe 
und Mannentreue, war hier zu löſen und fand geſc<madvolle 
Löjung Um Ciunzetlheiten ſoll nicht gemarktet werden; hie und 
da 111 vielleicht der kindlichen Faſſungskraft ein wenig zu viel 
zugemutet; aber im Ganzen geht ein Geiſt ſtarken ethiſchen: 
Empfindens und äſthetiſcher Schöpferkraft durch die Dichtung. 
Will aber der Dichter einen Rat annehmen, ſo möchten wir 
ihm anheimgeben, in einer Neubearbeitung da38 letzte Kapitel, ja- 
die letzten ſiebzehn Seiten zu tilgen, etwa von S. 174 ab bis zum 
Schluſſe. Mit Witukinds Taufe und der gleichzeitigen Wandelung, 
das des großen Karl Chriſtentum erlebt, war ein harmonitches 
Ende gewonnen; die folgenden, etwas myſtijchen Begebniſſe und 
Erſcheinungen fallen aus dem hiſtoriſchen Ton heraus. Liegt dem. 
Dichter = was wohl anzunehmen iſt -- an dem in der Tat. 
wundervollen Liede von der Götterdämmerung, ſo läßt ſich dies 
ohne große Schwierigkeit auch wohl anderwärts einfügen. 
Für Knaben von 12 bis 15 Jahren iſt das Werk eine ſchöne: 
und auch ethiſch werwolle Weihnachtsgabe. -NZ- 
Heinricß ShPparrelmann. Fröbliche Kinder. Ratſchläge 
für die geiſtige Geſundheit unzerer Kinder. Hamburg. Ulfred- 
Janſſen. 1906. | 
Wenn ich dies Buch erſt heute beſpreche, ſo liegt die Schuld- 
weder an ihm, noch an dem Namen des mit Recht heute weit 
und breit geſchätzten Verfaſſers, ſondern an mir. Oder noch 
richtiger, an der erſtidenden Fülle der jährlich wachjenden päda- 
gogiſchen Literatur, die auch den Fachmann manches Vortreffliche 
überſehen oder doch erſt ipät entde>en läßt. Die Jahreszahl jolt 
mich nun wenig kümmern; hoffentlich und wahrſcheinlich ſind 
ſhon neuere Auflagen herausgekommen; ich habe nur die Pflicht, 
hinzuweiſen auf Wertvolle38, das unjerem Erzieherelend abhelfen. 
kann. Da ſiehe ich nicht an, das Büchlein Scharrelmanns als 
das beſte Buch für nachdenkliche Eltern nach F. W. Foerſters 
Lebensfunde (von der viel gelernt zu haben der Verfaſſer befennt) 
zu bezeichnen. Wo noch immer ein Vater und eine Mutter 1o 
almediſch ſind, am Abend im Familienkreije (denn auch für die 
Kinder fallen wunderhübſche und ethiſch bedeutſame Erzählungen 
av) ein exnſtes Werk über ihre Erziehungsaufgabe zu lejen, da 
mögen ſie zu dieſem Buche zurügreifen, Es muß ja nicht immer 
das Allerneueſte ſein. Gutes altert nicht. . -DZ-
	        
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