Full text: Allgemeine Schulzeitung - 21.1844 (21)

159 
den argen Mißgriff vermeidet, die Schüler veranlaſſen zu 
wollen, daß ſie die Reitgioſität des Herzens zur Schau 
tragen (etwa dur; Mittheiluug frommer Empfindungen, 
durc< Beten aus dem Herzen und dergl.) , ſo wird auch 
eine Prüfung in Relitgtonskenntniſſen ganz unverfänglich 
ſein, --“ Daß die halbjährliche Ertheilung der Cenſur nebſt 
der davon abhängigen Beſtimmung des Plaßes, den jedes 
Kind einzunehmen hat, und die halbjährliche oder jährliche 
Verſetzung in eine höhere Claſſe zum Gegenſtande einer 
öffentlihen Schulfeierlichkeit gemacht werde, findet Ree. 
Überaus zweFmäßig, und er iſt ganz der Meinung des 
Vorfs, , „daß gerade die Deffentlichkeit, die Gegenwart 
ſämmtlicher Lehrer und der Schulbehörde, ſowie vieler Ael- 
tern, der Verſeßung und Cenſur eine beſondere Autorität 
gibt, der ſich ſelbſt ſtörriſ<he Aeltern williger fügen, als 
wenn beide Acte privatim von den Lehrern vollzogen wür- 
den.“ Mit Recht empfiehlt dagegen der Berf. auß den 
Lehrern hierbei die größte Vorſicht; ſie müſſen „unparteiiſch 
und ſtreng gewiſſenhaft verfahren , erſt na< wiederholter 
reiflicher Prüfung Cenſur und Verſeßung veſiſtellen, dabei 
die Individualität , die häuslic<en Verhältniſſe , die Hinder- 
niſſe oder Förderungen im Guten, die bet jedem Kinde be- 
Fonders in Betracht kommen , ſorgfältig berüFſichtigen, 1m 
Lobe ebenſo vorſichtig und behutſam ſein, wie im Tadel, 
und namentlich den leßteren nicht ſtärker ausdrüen, als. 
nach der Eigenthümlichkeit des Kindes zu ſeiner Beſſerung 
nöthig iſt.“ =- Die Entlaſſung der AÄbgehenden wird in 
einer Bürgerſchule ganz mit der Entlaſſung der Confir- 
manden zuſammenfallen, indem Cinzele , die etwa zu ande- 
rer Zeit abgehen , keine öffentliche Feterlichkeit in Anſpruch 
nehmen können. Der Abgang der Confirmanden iſt aber 
jedenfalls zu einer ſolchen wichtig genug. Dieß hatte der 
Verf. richtig erkannt, als er gleich nac<4 ſeinem Dienſt- 
antritte eine beſondere Sculfeierli<keit dafür anordnete z 
und er legt S. 16 das Geſtändniß ab: „I< ſelbſt habe 
mich in und durch dieſe Stunden oft erhoben und für mei- 
nen Beruf neu geſtärkt gefühlt, und von vielen meiner 
ehemaligen Schüler und Schülerinnen habe ich die Ueber- 
zeugung, daß ſie auch jeßt noM mit warmem Herzen der 
Stunde gedenken, wo ich im feſtlihen Kreiſe als Lehrer 
zum letztenmal zu thnen redete.“ 
Die mitgetheilten Reden ſelbſt ſind zwei Einwetihungs- 
reden (bei Einweihung eines Schulhauſes und bei Einwet- 
hung einer Anſtalt für den Unterriht armer Mädchen in 
weiblichen Handarbeiten), vier Reden bei der Cenfur- und 
Verſetßungsfeier , fünf Reden bei Entlaſſung der Confir- 
manden, eine Rede zum Abſchied von der Bürgerſchule in 
Rinteln, und eine Rede zur Feier des Geburtstages Sr. 
Hoheit des Kurprinzen. Für die Cenſur = und Entlaſſungs- 
feier hat der Verf. zugleich die Geſänge abdrucken laſſen, 
mit welchen die Feier eröffnet und geſchloſſen .wurde , weil 
ihn eigene Erfahrung belehrt hat, „wie ſchwer und be- 
ſchränkt oft die Wahl der Lieder zu dieſen öfter wieder- 
kehrenden Schulfeierlichkeiten iſt, während für die anderen 
die Wahl leichter ſein dürfte und ſic< ohnehin na< dem 
ſpeciellen Falle richten muß,“ Alle jene Reden geben ein ſchönes 
Zengniß davon, wie zwedmäßig und treffend, wie warm 
und eindringlich , wie kräftig und entſchieden der Verf, zu 
460 
reden verſteht, Natürlich treten dieſe Vorzüge bald mehr, 
bald weniger hervor; wir halten uns jedo<m bei näherer 
Charakteriſirung der Neden, aus denen wir eine Menge 
wahrer Gedanken und ſchöner Stelien anführen könnten, 
nicht länger auf. Unbefriedigt werden ſie Keinen laſſen, 
dem ein kräftiges Wort aus einem warmen Herzen Beifall 
abzugewinnen vermag, Ree, ſpricht gern mit dem Schluſſe 
der einleitenden Abhandlung: „Vor denen, die dem Sc<ul- 
dienſte ſeine Weihe nehmen und ihn zu einem gewöhnlichen 
Geſchäfftsdienſte erniedrigen wolien , bewahre uns der liebe 
himmliſ<e Vater!“ und wünſ<ht von Herzen dem Verf, , 
daß es thm vergönnt ſein möge , ferner ſo kräftig und er- 
folgrei< , wie biSher, für die höchſien Zwe&>e der Schule 
thätig zu ſein, - Lorbherg. 
 
Shul<ronik und MiSscellen. 
Bres8lau, Nach den Reſultaten der vorſchriftsmäßigen Reviſio- 
nen, welchen die Slementarſ<ulen unterliegen, waren (laut der ſGleſ, 
Ztg.) im Jahre 1842 in Schleſien 3332 ſelbändige, und zwar 1940 
evangeliſche und 1442 Fatholiſche , und 354, nämtic) 266 evangeliſche 
und 88 Fkatholiſhe, von anderen abhängige oder Nebenſ<gulen vorhan- 
den. Bei den evanzeliſh<en Schulen waren 2197 Lehrer und 389 Ad- 
juvanten, bei den Fkatholiſ<en 1615 Lehrer und 493 Adjuvanten an- 
geſtellt, ſo daß ſic) die Zahl der Lehrer auf 4694 veſtſtellte, Dieſe 
Sdculen wurden von 456,267 Kindern befugt, von denen 230,915 
zum evangeliſchen, 223,788 zum katholiſchen und 1364 zum moſaticgen 
Glauben ſic) bekannten, Die lediglich für die Jugendbildung beſtehen- 
den, Feine Ausgabven zur Unterhaltung der Lehrer oder Schulhäuſer 
übernehmenden, dure) Geſchenke, CGolleeten und Privatſammlungen 
geſpeiſten Schulfaſſen hatten, und zwar die evangeliſchen Schulen eine 
Einnahme von 71,521 Thirn., die kathotiſmen von 37,155 Thlrn, 
Bei Jenen wurden 57,840 Shlr., bei dieſen 28,335 Shlr, ausge- 
geben, =“ 35 = 
Karlsruhe, In Freiburg hat ein edler Menſ<enfr.und , Phil. 
Merian, für wohlthätige Stiftungen die bedeutende Summe von 
80,090 Gulden auszeſc8t (30,000 Gulden für 20 Jahre treu und 
ehrlich Dienende , 24,0.,0 Gulden für die Waiſenanſtalt, 16.000 Gul- 
den für arme S<ulkinder und 10,000 Gulden für den bürgerlichen 
Kranken - , Sterbe - und Wittwenkaſſenverein,) == 3 => 
Hannover, Auch unſer Königreich hat jebt ſein „Klein - Düſſel- 
thal,“ Der Schullehrer Geyer in Dinkelhauſen bei Uslar hat ſeit 
einiger Zeit auf eigene Hand eine kleine Rettungsanſtalt für 
verwahrloſte Knaben gegründet, Die Koſtgelder , welche gezahlt 
werden , ſind aber mehrentheils ſo gering, daß der wackere Mann 
nothwendig verarmen muß, wenn ihm nicht anderweit geholfen wird. 
Daß er Hülfe verdient und zu dem erwählten Nebenberufe geeignet 
iſt, darüber herrſHt nur Eine Stimme unter Allen, die ſeine deßfall- 
ſige Wirkſamkeit beobachteten , daher aum der Frauenverein zu Uslar 
ihm eben die beiden Söhne eines Vaters, der dem STrunke ergeben, 
und einer Mutter, die im Zuchthauſe ſißt, vertrauensvoll Übergeben, 
Herr Paſtor Bödeker, der ſo gern bereit iſt, alles Edle zu unter- 
ſtüßen , bittet um milde Gaben, zu deren Annahme er ſiH bereitwillig 
erklärt, Arendt, 
St, Petersburg. Von den 12 gegenwärtig im ruſſiſchen Reiche 
beſtehenden Lehrbezirken beſißt keiner, im Verhältniſſe ſeines Umfan- 
ges , ſo viel Privatlehranſtalten , Lehrer und Lehrerinnen, Hauslehrerx 
uud Hauslehrerinnen , als der Dorpat'ſc<e; denn derſelbe zählte zu 
Anfang dieſes Jahres, nächſt den von der Regierung unterhaitenen, 
173 Privatpenſionen und Schulen, ſowie 490 Privaterzieher und 
Hauslehrerinnen, =- Am Jahrestage der Krönung des Kaiſers und 
der Kaiſerin iſt in Tula ein adeliges Erziehungsinſtitut eröffnet wor»- 
den, wozu der Adel 120,000 Silberrubel beſtimmt hat. 
emen 3 omen 

	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.