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Behörde , ſowie für die Lehranſtalten um ſo mehr die Pflicht
hervor , mit allem Ernſte das Jhrige zur Verminderung
dieſes Uebelſtandes beizutragen. Dieſes wird am ſiherſten
geſchehen, wenn mit aller Aufmerkſamkeit allem demjenigen
entgegengearbeitet wird, was zu den Urſachen und BVer-
anlaſſungen dieſes Uebels gehört und worauf die Schule
eine Einwirkung ausüben kann. Von dieſem Geſichtspunkte
ausgehend , empfiehlt man den Directionen und Lehrercon-
ferenzen folgende Punkte zur ſorgfältigen Aufmerkſamteit
und Nachachtung, 1) Es iſt mit der größten Gewiſſen-
haftigkeit und Strenge gegen jene Vergehen und gegen jene
Unordnungen zu wachen, welche die Geſundheit der Schüler
im Allgemeinen untergraben und dadur< die Schwächung
des Geſichtsſinnes herbeiführen. 2) Von dem Scullocale
und den Lehrzimmern ſind alle Uebelſtände möglichſt zu
beſeitigen, wel<he den Augen nachtheilig ſein können. Es
iſt alſo darauf zu ſehen, daß alle Lehrzimmer die gehörige
Größe und Helle haben; daß die Schulbänkfe, um das rechte
Licht zu erhalten, aufgeſtellt werden z daß man den Lehr-
zimmern nicht weiße Wände, ſondern einen den Augen
zuträglichen farbigen Anſtrich gebe; daß an den Fenſtern,
wo es nöthig iſt, Sommerladen und Vorhänge angebracht
werden. Die Directionen und Lehrerconferenzen werden
ſich hierüber in vorkommenden Fällen mit den Verwaltungs-
räthen in's Einvernehmen ſeßen und nöthigen Falls an die
dieſſeitige Stellc ſich wenden. 3) Von großer Wichtigkeit,
wie überhaupt für die körperliche Entwickelung der Schüler,
ſo auch für die Erhaltung des Geſichtsſinnes , iſt die Hal-
tung des Körpers bei dem Leſen und beſonders bei dem
Schreiben. Die Screiblehrer haben daher mit aller Auf-
merkſamkeit darauf zu ſehen, daß die Scüler ſiß an eine
grade Haltung des Körpers gewöhnen, und daß bei zahl-
reichen Claſſen nicht durc< zu gedrängtes Sißen der Schü-
ler dieſes gehindert werde. 4) Es iſt darauf zu halten,
daß alle Ausgaben der claſſiſhen Autoren von ſchlechtem
und feinem , namentlich Stereotypdru> und ſchlehtem Pa-
pier entfernt werden , und es iſt bei neuen Anſchaffungen
auf ſolche -Ausgaben zu ſehen, welche ſich durch Deutlich-
keit des Drucks und relative Wohlfeilheit empfehlen , in
welcher Beziehung man wiederholt darauf aufmerkſam macht,
daß von den lateiniſchen und griechiſchen Autoren vor allen
anderen Ausgaben die in dem Münchner Sculbücherver-
läge erſchienenen Ausgaben gebraucht werden, Sollte bei
irgend einer Anſtalt ſich eine Schwierigkeit hinſichtlich der
Beſtellung bei einem Buchhändler ergeben, ſo wird die
dieſſeitige Canzlei die Vermittelung übernehmen. 5) Als
die Augen beſonders anſtrengend muß das häufige Auf-
ſhlagen von Wörtern in den Wörterbüchern gelten. Außer-
vem, daß hier jede Ueberſchreitung des rechten Maßes zu
vermeiden iſt, hält man es zugleich für angemeſſen , daß
in den Schulſtunden nicht ausſchließlih nur ſolhe Stücke
der Autoren geleſen werden, worauf ſich die Schüler durch
Aufſchlagen der Wörter beſonders präpariri haben z ſondern
es ſoll in einer oder in zwei Lehrſtunden wöchentlich ohne
häuslihe Präparation von Seiten der Schüler überſetzt
werden , ſo daß der Lehrer ſelbſt den Schülern die Be»
deutung der Wörter angibt. 6) Ueberhaupt aber ſind die
häuslihen Arbeiten der Schüler durchaus in der Weiſe zu
Kur
ermäßigen , wie dieſes durc< die allgemeinen gedruckten
Verfügungen vom 11. März 1840 und vom 13, Februar
1844 , die Aufgabebücher betreffend, angegeben iſt, da in
dem zu ſtarken Maße der häuslic<hen Arbeiten eine Haupt-
urſache der zu großen Anſtrengung und daraus hervorgehen-
den S<wäche der Augen offenbar zu ſuchen iſt, Man wird
die dieſſeitigen Prüfungscommiſſäre beauftragen, durc< Ein-
ſichtsnahme der Aufgabebücher und auf jede andere Weiſe
ſich darüber zu verläſſigen , wel<he Anforderungen an die
Schüler geſiellt werden, und ob ſie das rechte Maß nicht
überſchreiten. 7) Nicht ohne Einfluß iſt auch die Zahl der
unmittelbar auf einander folgenden Unterrichtsſtunden. Es
ſollen in der Regel und, ſoy viel thunli<h, nie mehr als
drei Unterrihtsſtunden aufeinander folgen. Man hält es
nicht für angemeſſen, daß vier, oder gar, wie es im Som»
merhalbjahre an einigen Anſtalten vorgekommen iſt, fünf
Stunden nach einander Unterricht gegeben wird. Obgleich
man an die betreffenden Anſtalten durch beſondere Vex-
fügung das Geeignete mitgetheilt hat, ſo ſieht man ſich
doc< veranlaßt, dieſelbe Bemerkung im Allgemeinen hier
zu wiederholen. 8) Sowie die moraliſchen und phyſiſchen
Uebelſtände, welche die Geſundheit im Allgemeinen be-
ſchädigen, zugleich auc) meiſtens die Stärke des Geſichts-
ſinnes beeinträchtigen: ſo wird andererſeits dur< Beför-
derung ver Geſundheit im Allgemeinen auch der Geſichts-
ſinn erhalten und geſtärkt, Yuch in dieſer Beziehung
werden alſoy die Directionen und Lehrerconferenzen der An-
ſtalten der Förderung der gymnaſiſchen Uebungen und zwe-
mäßiger jugendlicher Spiele mit Bewegung in freier Luft
fortwährend ihre Aufmerkſamkeit und Pflege zuwenden.
Carlsruhe, den 20. Mai 1844.
Baumüller, Ydt. Scindler,“
Meklenburg-Schwerin im März 1844, Das Taubſtummenz-
inſtitut zu Ludwigsluſt , das unter unmittelbarer Oberaufſicht der Res
aierunz ſteht, welches Oberaufſichtöreht dieſelbe wieder durch ihren Re-
ferenten in Shulangelegenheiten , den Schulrath Meyer ausübt, dex
ſich um die beſſere Geſtaltung der ſtädtiſc<en Bürgerſchulen und der Gym-
natien des Landes allgemein anerkannte Verdienſte erworben hat und
no) fortwährend an dieſem ſeinem Werke mit ſeltenem Eifer und
mit großer Liebe thätig iſt, == hat einen ſehr guten Fortgang. Für
den eigentlichen Unterrict der Taubſtummen ſind Jett drei Lehrer bes
ſtellt. Unterweiſung in Handarbeit ertheilt eine Lehrerin z; das Korb-
flechten erlernen die Kinder bei dem geſchickten Kor bmacher des Ortes,
jedo< im Inſtitutsgebäude 3; Gartenbau und Seidenzucht bei dem erſten
Lehrer des Inſtitutes, Zöglinge hat die Anſtalt 24, und zwar 46
Knaben und 8 Mädchen, Von dieſen ſind 10 auf Koſten des Groß-
herzogs untergebracht ; für ein Kind bezahlt die verwittwete Großs
herzogin Alexandrine das Penſionsgeld ; 2 werden von Domanialamts-
armencaſſen , 1 vom Kloſteramte Dobbertin, 1 von der Gräfin von
Rauzau auf Bothmer unterhalten; für 9 bezahlen die Aeltern. Der
Geſundheitszuſtand der Zöglinge iſt im Jahre 1843 und bi3her
ſehr gut geweſen; erhebliche Krankheitsfälle ſind gar nicht vorgekom-
men. Häufige , mit Vorſicht getriebene Leibesübungen , Arbeiten im
Garten und auf der Wieſe -- beide unmittelbar hinter dem Inſtituts-
gebäude -- Spaziergänge bei jeder Witterung und kalte Bäder im
Sommer haben die Zöglinge friſch erhalten. Zwei Kinderfeſte wur-
den aum im vergangenen Jahre gefeiert, das eine im Jaliusmonat,
natürlich im Freien, das andere am heil. Weihnachtsabend, an welchem
ſämmtliche Kinder mit Einem großen Tannenbaume beſchenkt wurden.
Ein drittes Feſt bereitete der Anſtalt die Anweſenheit des Großher-
3038 Friederich) Franz 11. , welcher in Begleitung des Miniſters von
Lüßow zwei Stunden dem Unterrichte beiwohnte,