Full text: Allgemeine Schulzeitung - 21.1844 (21)

vieß vor dem 14. Jahre nicht möglich iſt, und wünſcht das 
Vorherrſchen des Sprachunterrichtes auf die zweite Hälfte 
der Schulzeit verlegt, Kindern taugen Vegetabilien und 
Milc<z; die Fleiſchſpeiſe der ethiſ<en Fächer gehört für 
Reifere. 
Bean die Berliner literariſche Zeitung vom 31, Zan. 
1844, Nr. 9 an der vorliegenden Abhandlung die allzu 
häufigen Fremdwörter tadelt, ſo hat ſie darin vollkommen 
Recht. „Es ſind leider viele derſelben der gelehrten Sprache 
ſo geläufig, daß ſie derſelben kaum entbehren zu können 
meint, indeſſen an AusdrüFen wie Onomatotheſie , Correc- 
tur der Scriptfa , comparative Grammatik ſieht man, daß 
unſer Verfaſſer, der doh ſonſt ſo ſpra<ßgewandt und kein 
Verehrer ves Zopfſtyls iſt, gar keine Sorge um Neinheit 
des Ausdrucks getragen hat. Seine Kraftausdrüce wollen 
wir ihm eher zu gut halten, 3. B. „daß der heutige Menſch 
von geſunder ſittlicher Bildung des göttlichen Plato viel- 
geprieſenes Werk vom Staate für ein durchaus nieder- 
trächtiges Buch halten müſſe“. Dergleichen hängt theils 
zu ſehr mit der ganzen Perſönlichkeit zuſammen, theils 
muß es dem -nachgeſehen werden, der im Kampfe begriffen 
iſt mit dem, was als Beſtehendes ein übermächtiges Neht, 
und ſelbſt als veraltetes ein zähes Leben hat. Vollends 
einem, der ſo ernſthaft und ſo thätig kämpft, muß man 
es verzeihen , wenn er ſich nicht immer innerhalb der Grän- 
zen des Schönen bewegt. 
Indem wir ſomit die Abhandlung angezeigt haben, 
wünſchen wir derſelben recht viele und recht eifrige Leſer, 
Wenn der alte executiv-claſſtſche Humanismus, der außer 
Griechenland und Rom kein Heil wußte, ja, nichts Gutes 
anerkannte, einem neuen Stamm von ſeinem Samen, einem 
Humanismus Plaß gemacht haben wird, der die Alten 
ehrt und die Neuen nicht länger aus Unkunde verkennt, 
dann wird dem Verf. die Chre gebühren , Einer von denen 
geweſen zn ſein, die den neuen Stamm pflanzten. Mag 
für jeßt ſeine Befür<htung gegründet ſein , daß ſeine prak- 
tiſ<en Vorſchläge an dem Umſtande ſcheitern, daß ſie Geld 
koſten = wenn ſeine Abhandlung recht viele Shulmänner 
anregt =- und ſie vermag es -- ſo war ſie nicht umſonſt 
geſchrieben. | L. 
2) Praktiſche Anleitung zur Erlernung der franz, Sprache. 
Von Wiſhelm Friedrich Eiſenmann, Lehrer der 
franz. Sprache an der Köntgl. Realanſtalt in Stutt- 
gart. Stuttgart, 1843. Bec und Fränkel, Erſter 
Theil: VI u. 208 S.z; Zweiter Theil: 152 S,. 
„„ Das ganze Werk zerfällt in zwei Theile oder Curſe, 
wovon der erſte alle Formen und ihre einfache Anwendung 
enthält, der zweite aber die Regeln der Syntax, die im 
erſten Theile nur ſparſam gegeben werden konnten, ver- 
volltändigt, ſoweit es für Anfänger im Alter von 10 bis 
15 Jahren wünſchenswerth erſcheint“ (Vorr. 1V). Das. 
Buch bietet wenig Bemerkenswerthes dar, ſowohl in ſei- 
nem theoretiſchen, als in ſeinem praktiſ<en Theile. Denn 
was den erſten Theil betrifft, ſo begegnet man hier der- 
ſelben Unzuverläſſigkeit in den Angaben, die nan in ſo 
vielen franz. Grammatiken zu bedauern Veranlaſſung findet. 
Zwar werden diejenigen, die in die Feinheiten der Sprache 
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eindringen wollen, auf die „vortreffliche Grammaire fran- 
calse par Borel“ verwieſen z aber, um zu den Feinheiten 
der franz. Grammatik zu gelangen, iſt vor allen Dingen 
erforderlich , daß man ſi< nichts Unrichtiges aneigne. Wer 
z. B. die Feivpheit der Stellung der Adjective faſſen will, 
muß das Unrichtige, das darüber in dieſer, wie in ſo 
mancher anderen Grammatik gelehrt wird, entweder gar 
nicht, oder als ſol<es (als unrichtig) erkennen lernen. 
Mögen es fich Alle merken , die von ihrer Grammatik aus 
auf anderweitige Feinheiten verweiſen, daß ſie weit klüger 
handeln würden, wenn ſie über einen feinen Gegenſtand 
(wie die Stellung der Adjective) lieber gar Nichts, als 
Unrichtiges lehrten. Denn die Feinheiten ſind am Ende 
do< nur das Richtige, und wenn die Auffaſſung des Rich- 
tigen für jolGe Schüler, wie man ſie im Auge hat, zu 
ſc<wierig iſt, ſo begnüge man ſich mit der rein äußerlichen 
Darſtellung der Thatſache, daß im vorliegenden Falle im 
Franzöſiſchen die Adjective bald vor, bald nach den Haupt- 
wörtern ſieben, -- Die praktiſche Methode hat dem Verf. 
in der Anfertigung von Aufgaben beſtanden, die ſich nach 
jedem grammatiſchen Abſchnitte befinden, ganz in der (wie 
man erwarten ſollte, jeßt endlich antiquirten) Meidinger'- 
ſ<en Weiſe, nur daß den deutſchen Aufgaben franzöſiſche 
vorangehen. Kaum kann man ſich, ſowie die Sachen jetzt 
glüclicherweiſe ſtehen, dazu entſchließen, auf die Unange- 
meſjenheit eines Verfahrens hinzuweiſen , das den Schüler 
nöthigt, ſih durc; 77 Seiten Regeln und Aufgaben durch- 
zuarbeiten, ehe das Hülfszeitwort avoir an die Reihe 
kommt. Zwar ſagt der* Verf, am Schluſſe der Vorrede : 
„Die verbes auxiliaires und die regelmäßigen verbes ſind 
jo bearbeitet, daß ſie füglich vor den pronoms abgehandelt 
werden können, daher aur“ bei der Behandlung der pro- 
noms die Kenntutß derſelben vorausgeſe8t wird“. Aber 
wenn das unmethodiſc<e Verfahren in einem Buche den 
Lehrer bei dem Gebrauche desſelben nöthigen würde, ſelbſt 
Methode in ſeinen Unterricht zu bringen: was kann ihn 
abhalten, nach einem Buche zu greifen, in dem ein metho»- 
diſcher Gang ihm vorgezeichnet iſt? Erft ſoll alſo der 
Schüler, um 77 Seiten Aufgaben überſehen zu können, 
avoir, Etre , die vier regelmäßigen Conjugationen, paſſive 
und Pronominalformen lernen , und dann ſoll er wieder, 
um ſpäter (S. 128) die Aufgabe: Premiere copjugaison 
zu überſeßen , das Zeitwort aiwer lernen? Kann man ſich 
ein planloſeres Verfahren denken ? Aeußerlich tſt das Buch 
ſehr gut ausgeſtattet. Dr. Scifflin. 
(Fortſeßung folgt.) 
 
! 
Sc<hul<hronik und Miscellen. 
Berlin, 3. Juni. Auf dem am 29. Mai hierſelbſt |Fattzefun- 
denen Lehrerfeſte wurde von einem Lehrer ein „„Verein zur Hebung 
der niederen Volkscaſſen“ in Vorſc<lag gebracht , der die freudigſte 
Theilnahme fand. Auf der für dieſen Zwe ausliegenden Liſte zeich“ 
neten gegen 46 Feſttheilnehmer , u. A. der Stadtrath D. A. Benda, 
Dir. Dieſterwe3 , Dir. Ranke , Prof. Kaliſch, Prof, Dielißt, Winkel- 
mann , Dr. Kletke, Dr. Wolf 206. Der Verein bezweckt zunäſt eine 
Vereinigung aller der Kräfte, die jeßt mit Liebe, aber vereinzelt, 
für das Wohl des Volkes wirken, | 
(Berl. Zig.) 

	        
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