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tungsvolles und vielſagendes Wort! Jedenfalls bat Herr
Segers damit nicht ſo viel ſagen wollen, als uns das
Wort ſelbſt. andeutet z wenigſtens würde er ohne das
Wörtchen „etwas“ zu viel geſagt haben. Aus dem
Werke des Herrn Segers geht hervor, daß derſelbe unter
Jugendbildung nur allein die körperliche Ausbildung der
Jugend verſteht, indem er die gymnaſtiſchen Vebungen ohne
allen Zuſammenhang mit der geiſtigen und moraliſchen Bil-
dung und Erziehung der Jugend auffaßt und behandelt.
Es iſt ebenſo verfehlt, die leibliche Erziehung ohne Bezie-
hung auf die geiſtige Bildung und. moraliſche Erziehung
zu betrachten, wie umgekehrt. Die hohe Jdee der Gym-
naſtik oder des Turnens ſcheint dem Herrn Segers nicht
klar geworden zu ſein, was uns von dem Fechtlehrer an
der rheiniſchen Hochſchule um ſo mehr Wunder nimmt , als
er ſchon in ſeiner amtlichen Stellung hätte darauf hinge-
leitet werden müſſen. Wir können nicht glauben, daß Hr.
Segers in ſeiner amtlichen Stellung den in ſeiner Anlei-
tung verfolgten Plan in Anwendung bringen wird, da alle
feine Uebungen , mit Ausnahme der Schwimm - und Vol»-
tigirübungen, meiſt nur für das jüngere Alter berechnet
find. Herr Segers will aber auch kein Turner ſein , und
wir würden ihn als ſolchen nur falſ< beurtheilen. Herr
Segers will Gymnaſtiker ſein und rechnet ſic< zur Zahl
derer, die den helleniſchen oder antiken Sinn der Leibes-
übungen nicht verſtehen oder nicht verſtehen wollen. Wir
bemerken wiederholentli<, daß uns dieß von Hrn. Segers
Wunder nimmt, da er dem Vater Arndt ſo. nahe wohnt,
und durch deſſen Schrift: „Das Turnen nebſt einem An-
hang“, ſowie durc< die Schriften von Klumpp, Maßmann,
Spieß, Vögeli u. A. hätte eines Anderen belehrt werden
können. CZ
Für gymnaſtiſche Orthopädie iſt die vorliegende Anlei-
zung nicht unwichtig, da die darin beſchriebenen Uebungen
mit großer Sorgfalt und mit vieler Umſicht und Sachkennt-
niß zuſammengeſtellt ſind. Herr Segers iſt bei Crörterung
ſeiner Uebungen äußerſt genau zu Werke gegangen, wo-
durch er jedenfalls eine wohlthätige und ſichere Kör-
perausbildung erreichen hilft; hierin können die Turner
auch viel von den Gymnaſtikern lernen. Uebrigens bietet
Herr Segers in ſeiner Anleitung nichts Neues und Selb-
ſtändiges, da er die Uebungen der deutſchen Turnkunſt, wie
fie von Guts- Muths , Eiſelen und Jahn ſinnreich erfunden
und benannt worden ſind, nur unter anderen Namen und
mit einer Breite beſchreibt , die langweilig wird und hin
und wieder auch Unklarheit verbreitet. Es iſt neuerdings
rec<t häufig vorgekommen , daß Tanzmeiſter ſich als Turn-
lehrer empfehlen und mit dem Tanzunterrichte auch ortho-
pädiſhen Turnunterricht ertheilen z ſolchen Leuten würde
die Anleitung des Herrn Segers ein ganz zwe>mäßiges
Handbuch ſein. Für Mädchenturnen und für den Turn-
unterricht des zarteren Knabenalters ſind überhaupt einzele
Abſchnitte recht praktiſch bearbeitet , da Herr Segers überall
die einzelen Uebangen nach anatomiſchen Nückſichten erläu-
tert und auch das Praktiſche derſelben bezeichnet. Auf S.
25 --- 44 handelt das erſte Capitel von den Auſtands-
übungen, mit denen die Gymnaſtiker in der Negel ihren
Unterricht beginnen. Die Baſis eines wahrhaften Anſtan-
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des muß eine vollkommene Beherrſ<ung. aller Körpertheile
bilden, zu welcher der Schüler erſt durch eine tüchtige tur-
neriſche Ausbildung gelangt. JImmer wird der Lehrer bei
den einzelen Turnübungen auf Entwickelung der Grazie
achten. Da die Anmuth aber erſt: die natürliche Frucht der
ausgebildeten Kraft iſt, ſo iſt es offenbar eine Verirrung
der Gymnaſtiker , wenn ſie ihren Unterricht ſogleich mit An-
ftandsübungen beginnen und ſomit nur Anleitung zum
blendenden Schein und zur Affectation geben. Die wahre
Turnkunſt muß auf die Verdrängung dieſer Schauſpielerei
im Leben ausgehen. Im zweiten bis ſtebenten Cap.
behandelt Herr S. die Gang-, Lauf -, Sprung-, Volti-
gir-, Re>-, Barren-, Kletterübungen. Das achte Cap,
behandelt verſchiedene Uebungen; 3. B. das Ringen, Ziehen,
Werfen u. ſ. w.z Cap. 9 das Schwimmen (S, 147 bis
171) nac< der v. Pfuel'ſ<en Methode bearbeitet, iſt recht
beachtenswerth, Der Abſchnitt ,, über Einführung des
Schwimmens bei Deutſchlands Frauen und Jungfrauen “
enthält manche bedenkliche Vorſchläge , denen nicht bloß eine
„nichtsſagende Engherzigkeit“ gegenüber ſieht. Die Abbil»
dungen erläutern die Uebungen recht zweckmäßig. Zm Gan-
zen wird die Anleitung ves Hru. Segers wohl ihrem Zwece
entſprehenz den neueren Werken von Vögeli, Culer,
Schwaab u, A. ſieht ſie jedoch nac<. Die äußere Ausſtat-
tung läßt Nichts zu wünſchen übrig. . M. K.
(Fortſetzung folgt.)
Schulchronik und Miscellen,
Naumburg & d. S« Die im Jahre 1838 von hieſiger Kra-
merinnung errichtete Handelöſchule unter Leitung des Herrn Director
Hoffmann hat am 2. Mai d. IJ. einen neuen Gurſus begonnen, Aus
verſchiedenen Gründen hat man für nöthig erachtet, einige Gegenſtände,
welc<e bei der Eröffnung der Schule in den Lehrcyclus aufgenommen
waren , auszuſcheiden , ſo daß jeßt die erſte Claſſe wöchentlicßz nur fünfz
zehn, die zweite zwölf Unkerrichtsſtunden hat. Die dritte Claſſe hat
ihre ſechs Stunden behalten. = Die 33 wöchentlichen Lehrſtunden ſind
in folgender Weiſe vertheilt. 1. Claſſe: franzöſiſ<e Sprache 4 St.,
. engliſche Sprache 3 St. , deutſche Sprache 2 St., Rechnen 2 St,,
Correſpondenz 2 St, , Buchhaltung 1 St, , Erdveſchreibung mit Ge-
ſchichte 1 St. I1. Claſſe: franzöſiſche Spraße 3 St, , engliſche
Sprache 2 St., deutſche Sprache 2 St., Rechnen 2 St., Scön-
ſchreiben 2 St. , Erdbeſchreibung mit Geſchi<ßte 1 St. 111. Claſſe:
franzöſiſche Sprache 3 St. , deutſche Sprac<e 3 St, - Das Sculgeld
beträgt, wie früher, für jeden Lehrling jährlich 20 Thlr., für Andere,
welche nicht Handlungslehrlinge ſind, 25 Thir, und wird quartaliter
vorausbezahlt. Werden nur einzele Lectionen beſucht, ſo tritt eine
billige Ermäßigung ein. Die Aufnahmen ſind an eine beſtimmte Zeit
nicht gebunden, ſondern ſie richten ſich nach dem Eintritte der Lehr
linge in das Geſchäfft. Das Local iſt noh immer ein Lehrſaal im
Bürgerknabenſc<hulgebäude.. C. B.
Großherzogthum Heſſen. Die Bevölkerung des Großherzog-
thums betrug nach der Aufnahme im December 14843 in 167,231 Fas
milien = 834,711 Seelen. Die Zahl der Taubſtummen zwiſchen
7 und 14 Jahren, welche ſic) ſehr ungleichmäßig vertheilt und die fich
an manchem Orte in unverhältnißmäßig aroßer Anzahl rorfinden,
beträgt 160 und hat ſic) gegen die Aufnahme im Jahre 1840 ver-
mindert, Die Zahl der Elementarſc<hulen betrug Ende 1843
1622 und hat. ſi< daher gegen die Aufnahme von 1840 um 28 ver-
mehrt» Auf eine Schule kommen im Durchſchnitt 515 Seelen und 89
ſchulpflihtige Kinder. (Heſſ. Z3-)