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Turnen gehegten Erwartungen zur erfrenlihen Wahrheit
werden, | |
Nr. 5. Wir eröffnen die Anzeige vorſtehender Scrif-
ten über Turnweſen mit der politiſch - pädagogiſchen Ab-
handlung des DV. Schreber, welche, der Ständeverſamm-
lung des. Königreichs Sachſen im Jahre 1843 gewidmet ,
das Publicum und die Staatsbehörden in überzeugender
Weiſe für die Nothwendigkeit der Cinführung geregelter
Leibesübungen zu gewinnen ſuc<t. D. Schreber's Streben
iſt bereits mit Erfolg gekrönt, indem ſeit dem Erſcheinen
ſeiner Schrift in Preußen, Sachſen und anderen deutſchen
Staaten wirkſame Verordnungen in Betreff der Cinführung
des Turnens erlaſſen ſind. Deßwegen iſt aber vorſtehende
Schrift noc< nicht veraltet, ſondern auc<ß jeht noM der Be-
achtung werth, Nach einer kurzen Begriffsbeſtimmung und
einem hiſtoriſchen Ueberblicke des Turnens geht der Verf,
von S. 5 ab auf die Phyſiologie des Muskelſyſtems in
ihrer bezüglichen Anwendung auf den Zweck ſeiner Schrift,
auf die Folgen des ungenügenden und des übermäßigen
Muskelgebrauches 2c. ein, Die Zuſammenſtellung aller
ſpeciellen Vortheile des Turnens in Bezug auf
körperliche (beziehentlich auch geifttge) Ausbildung (S. 16
bis 27) gibt dem Schrift<hen ſeinem Zwecke na die eigent-
liche Schneide. Auch in den Abſchnitten: „Jdeen über die
zweFmäßige Einrichtung der Turnpläte und des ganzen
Turnweſens -- Allgemeine Normen und Geſundheitsregeln
für das Turnen -- Wünſche an Staatsregierungen und
Behördetni -- ſtellt D. Schreber die Verhältniſſe des Tur-
nens zur Förderung der Praxis in klares Licht,
Nr. 6. Die Schrift des D. Pleſſner iſt einzig in ihrer
Art. Wenn es überhaupt ſc<on wichtig iſt, daß Aerzte von
ihrem Standpunkte aus das Turnen betrachten und die JIn-
'tereſſen desſelben fördern helfen, ſo iſt es von no< größe-
rer Wichtigkeit, wenn ein Arzt, der ſelbſt Turner iſt, die
Bedeutung jeder einzelen Turnübung in diätetiſcher Bezie-
hung erörtert und den. ſpeciellen Nachweis für die Wohl-
thätigkeit der Uebungen liefert. Dieß iſt in vorliegender
Scrift vom D. Pleſſner auf das Befriedigendfie geſchehen
und hat ſic< derſelbe dadurc<;) als einen humanen und er-
fahrenen Sanitätsbeamten documentirt. Von jedem Turn-
lehrer muß man verlaugen können, daß er die zur Leitung
der Turnübungen nöthigen anatomiſchen und phyſiologiſchen
Kenntniſſe beſige. Sollte einem Turnlehrer ein tieferes
Studium in dieſer Beziehung abgehen, um ſich ſelbſt über
Zwe und Bedeutung der einzelen Turnübungen in's Klare
ſeven zu können, ſo iſt ihm die Pleſſner'ſ<he Schrift als
der beßte Commentar zu empfehlen.
Der Hauptſache nach betrachtet D. Pleſſner das Weſen
der Turnkunſt im Allgemeinen, die Vortheile, die aus dem
Turnen überhaupt, ſowie aus den einzelen Uebungen er-
wachſen, ſowie die Nachthetle, die etwa entſtehen können,
und wie ſie zu verhüten ſind, und beleuchtet dann die Frage :
„Iſt das Turnen überhaupt, und beſonders für unſere Zeit
überflüſſig? -- Wenn D. Pleſſner S. 4 den Zweck des
Turnens „als Erkräftigen und Behendemachen des Körpers
im Allgemeinen, nicht etwa als Erwerben gewiſſer
Kunſtfertigkeiten, mit denen mai ſich zur Schau
ſiellen kann, dte man den Aequilibriſten und Seiltänzern
überlaſſen muß“, bezeichnet, ſo heben wir dieß hervor,
weil man auch in dem Turnen unſerer Tage ein Abquälen
1612
zum Produeiren gewiſſer Kraft - und Schauſtüc<en hat er-
blifen wollen und unſere heutigen Turner allerdings eine
Neigung dazu oft an den Tag legen. Bei Beſprechung dex
einzelen Turnübungen hat ſim der Verf. an die „deutſche
Turnkunft von Jahn und Eiſelen, Berlin 1816“ gehalten
und dadur< zugleich eine gründliche Reviſion der von ZJ.
ynd E, erfundenen Uebungen vom mediveiniſ<en Standpunkte
aus geliefert. Aus D. Pleſſners Unterſuchungen geht her-
vor , daß die Gründer der deutſchen Turnkunſt bei Zuſam-
menſteſſung ihrer Uebungen die Anatomie und Phyſiologte
des menſchlic<en Körpers gar ſorgfältig beachtet haben , da
D, Pleſſner nach diätetiſchen Rücſichten keine einzige Uebung
verwirft , ſondern nur auf die falſche und ſc<ädlic<e Aus-
führung einzeler Uebungen hinzuweiſen nöthig hat. Ueberall
nimmt D. Pleſſner Gelegenheit, nach ſeinem gründlichen
Wiſſen und ſeiner reichen Erfahrung auf Alles aufmerkſam
zu machen, was vor, bei und na<ß dem Turnen zu be-
rüFſichtigen ſei, damit nicht der geringſte Nachtheil für die
körperlihe Geſundheit dur; das Turnen erfolge. Cin
Turnlehrer, der ſeinen Beruf gewiſſenhaft erfüllen will,
wird keine Zeile der Pleſſner'ſchen Schrift unbeachtet laſſen.
Die Frage: „Jſt das Turnen nothwendig und überflüſſig?"
beantwortet der Verf. gründlich dahin, daß „beſonders in
unſerer Zeit, wo eine einſeitig hoch geſieigerte Sculbil-
dung und eine verweichlichende häusliche Erziehung einan-
der die Hände bieten, den Körper der Jugend durchaus
zu Grunde zu richten“ das Turnen ein unumſiößliches Recht
hat , in die Zahl der Bildungselemente aufgenommen zu
werden. D. Pleſſner nimmt ſomit die von D. Lorinſer im
Jahre 1837 namentlich gegen die Gymnaſien erhobene An-
klage wieder auf und zieht die Competenz des preuß, Mi-
niſteriums , welches in der bekannten Verfügung vom 24.
October 1837 „den Geſundheitszuſtand der Jugend in den
preußiſchen Gymnaſien im Allgemeinen für re<t befriedt-
gend" erflärte, in Zweifel, D. Pleſſners Erfahrung , ge-
naue Sachkenntniß und ruhige Unterſuchung überzeugen uns
von der Richtigkeit ſeiner Behauptungen. Nac<h Beantwor-
tung der Fragen: wer ſoll turnen? (S. 20 -- 23) und:
wo ſoll man turnen? hat ſich der Verf, auf S. 25 -- 66
ausführlich mit der Frage: wie ſoll man kurnen ? beſchäff-
tigt. Der Veſiſtellung einiger allgemeinen Grundſäße folgt
von S. 27 an die genaue Betrachtung aller Turnübungen
in oben erwähnter Weiſe, und hat gerade dieſer Theil der
D. Pleſſner'ſchen Schrift für die Praxis einen überaus gro-
ßen Werth. Mit dem Wunſche: „es möge das Turnen
immer mehr in ſeinem Werthe anerkannt und als ein we-
ſentlicher und nothwendiger Theil der Erziehung aufgenom»
men werden, und es möge unſer Vaterland , das von jeher
ſeinen Ruhm in der vorzüglichen Ausbildung der Jugend
geſucht hat, auch in Begünſtigung der körperlichen Seite
der Jugendbildung den erſten Platz einnehmen , auf daß die
jüngere Welt wie geiſtig fortſchreite, auch körperlich er-
ſtarke, und ſo dereinſt das Bild vollkommener Männlichkeit
gebe“, beſchließt D. Pleſſner ſein gut geſchriebenes Wert,
welc<es wir allen Turnlehrern, Aeltern, Erziehern und
allen denen, die am Turnen Intereſſe nehmen , angelegent-
lihſt empfehlen können.
Nr. 7- Mit den Worten: „Der ewige Frieden tſt
ein Traum! beginnt D. Mönnich ſeine ſc<äßenswerthe
Monographie, in welcher er dur<ß Erörterung der politi-