Allgemeine Sc<ul-Zeitung.
NIESEN TCE FNAKCI KG
Organ des Vereins für wiſſenſ<haftliche Pädagogik,
Unter Mitwirkung von
Geh. Oberſtudienrath Dr. K. Wagner in Darmſtadt, Dr. Firnhaber, Geh. Regierungsrath in Wiesbaden
Profeſſor Dr. Vogt in Wien und Profeſſor Dr. Ziller in Leipzig
herau3gegeben von |
Profeſſox Dr. Stoy, Schulrath in Jena.
Einundfünfzigſter Jahrgang.
R“ 33.
Darmſtadt, 15. Auguſi.
1874.
Juhalt. Aufſäte: Das Schulweſen des Fürſtenthums Serbien. Von N. J. Petrowitj<. -- Eine Probe neueſter philoſophiſch
jein ſollender Bädagogit. -- Reformen und Verordnungen auf dem Gebiete des Prüfungsweſens. 11. (Shluß.) -- PVachrichten :
Leipzig. Preußiſches Taubſtummenweſen. =- Braunſc<weig. Das Taubſtummenweſen eines kleinen Ländc<hens. -- Berlin.
Zum Gemeindeſchulweſen. -- Pforzheim. Ehrenwerthe Anſtrengungen einer Provinzialſtadt. -- Dres den. Zur Geſchichte des
Bibelauszuges. -- Anzeigen. |
Das Schulweſen des Fürſtenthums Serbien.
Von N. I. Fetrowiktkſch.
Das Fürſtenthum Serbien iſt jener 1000 Quadrats-
meilen große Staat an der unteren Donau, welcher fich
nach 400jähriger Sclaverei dur<g eigene Kraft und Macht
von türkiſcher Herrſchaft frei gemacht hat.
Während der Sclaverei (von 1350--1815) konnte
von einem Schulwejen keine Rede fein; no< weniger,
wenn man bedenkt, daß es da3 zerſtörende türkiſ<e Ele=
ment war, unter welchem die Serben die ſchwerſten Zeiten
ihre38 nationalen Lebens zugebracht hatten. |
Doh gleih nag der Befreiung begannen die An=
ſtrengungen des ganzen Volkes, zu einer höheren Stufe
der Bildung zu gelangen. Daß dieſe Vorarbeiten für
den Augenbli von nur geringem Erfolge begleitet waren,
iſt ſeicht zu begreifen.
Crſt 20 Jahre ſpäter (15836) ſehen wir, daß man
in der Nationalverjammlung auß das Sculweſen in
Erwägung zieht. Mon verordnete damal38 nämlich:
„1) In jedem Bezirke werden zwei Schulen vom Volke
erhalten ; 2) jede Gemeinde, welche eine Kirche hat, ſoll
aug eine Schule unterhalten. “*) In jenem Jahre
waren. in Serbien nigt mehr als 72 Schulen mit
2514 Sdülern vorhanden.
*) Vergl. Militſchewitſch , Geſchichte der Pädagogik, S. 530
(in ferbiſcher Sprache geſchrieben). |
Am 11. September 1844 erſchien da3 erſte S<ul-
geſez, wel<e3 in Serbien 1) Volksſ<hulen, 2) eine Han-
del3i<hule, 3) Gymnaſien und 4) ein Lyceum einführte.
Dies Alles waren jedoch nur die erſten Anfänge zur
Hebung der Bildung in Serbien. Jm Jahre 1855
ſchaffte ein Geſezß auc< die Mittel zur Erhaltung der
Sculen herbei. Jeder Bürger, ohne Ausnahme, wurde
verpflichtet, jährlih 13 Sgr. Schulſteuer zu bezahlen ;
ſelbſt Prieſter und Lehrer waren hiervon nicht befreit.
Die neueſte Reorganijation des Sc<hulweſen38 ſtammt
aus dem Jahre 1863. Nach dem betreſfenden Geſeße
ſoll überall dort eine Schule errichtet werden, wo ſich
25 Schüler finden. Die Gehalte der Lehrer wurden
na< 10 Klaſſen eingetheilt; der höchſte Gehalt beträgt
380 Thaler, der niedrigſte 130 Thlr. ; dazu noh für
alle Gehaltsklaſſen freie Wohnung, Beleuchtung, Heizung
und Bedienung. | |
Das8 heutige Schulweſen des Fürſtenthums Serbien
befindet fich verhältmißmäßig in gutem Zuſtande. Wir
wollen im Folgenden verſuchen, ein möglichſt getreues
Bild von demjelben zu entwerfen, indem wir uns dabei
des amtlichen Berichts des Unterrichtöminiſteriums von
1870-71 bedienen, welcher der Nationalverjammlung
(Skupschina)' vorgelegt worden iſt.
a. Das Volksſ<ulweſen.
Die Vol3ſchulen ſind in Serbien in zwei Gruppen ein=
getheilt : Dorfſ<ulen mit 3 Klaſſen (Cur3 .3jährig) und
einen Lehrer; ſtädtiſche Schulen mit 4 Klaſſen (Cur3