Soziale Frauenſchulen.
- Der Vorzug der Frau, ihre hingebende Sorge
'für das Wohl anderer, bisher nur dem: en-
geren Familienkreis zugewandt, wird in unſerem ſozia-
len Zeitalter mit Recht in den Dienſt auh des
Volksganzen geſtellt. Frauen mit gütiger Seele
und praktiſchem Blik ſollen durch unſer Volk gehen, mit
helfender Hand die ſozialen Schäden am Volkskörper
zu heilen.
Dieſe „Sozialbeamtin“ -ſteht entweder in
Dienſten der Regierung, des Kreiſes, der Gemeinde oder
ſie iſt in privaten Vereinen tätig. .Die ihr zu-
fallenden Aufgaben können ſehr mannigfaltig und unter-
ſchiedlich ſein: Armen- und Waiſenpflege, Säuglings-
und Kleinkinderfürſorge, Schulpflege, Berufsvormund-
ſchaft, Beaufſichtigung von Pflegeſtellen, Pflege der
Schulentlaſſenen, Berufsberatung, Jugendheimleiterin,
Stellenvermittlung und Arbeitsnachweis, Wohnungs-,
Fabrik- und Polizeipflege, Gefangenenfürſorge, Beamtin
an Rechtsauskunftsſtellen, Krankenkaſſen und Verſiche-
rungsämtern, gemeinnüßiger Auskunfts- und BVermitt-
lungsdienſt, Vereinsſekretärin, Gemeindeſozialſekretärin,
Beamtin an Mädchen- und Arbeiterinnenheimen uſw.
Auf dieſem weiten Gebiet der öffentlichen und pri-
vaten Wohlfahrtspflege wird die Sozialbeamtin jedoch
Vollwertiges nur leiſten auf Grund einer ſyſtematiſchen,
gründlichen Ausbildung. Zu dieſem Zwe
wurden teils ſeitens großer Kommunen, teils ſeitens -
privater Vereinigungen ſoziale Frauenſchulen
ins Leben gerufen. Dieſe ſozialen Frauenſchulen ſind
wicht zu verwechſeln mit den ſich auf das Lyzeum auf-
bauenden allgemeinen Frauenſchulen. Die ſozialen
Frauenfſchulen ſind beſondere Fachſchulen zur ſpeziellen
Ausbildung von Sozialbeamtinnen. Dieſe Schulen er-
halten ihr <arakteriſtiſches Gepräge durch folgende
Eigentümlichkeiten:
1. Die Schülerinnen müſſen wenigſtens das 18.
Lebensjahr vollendet haben und das Abgangs5zeugnis
- eines Lyzeums beſizen oder eine gleichartige Bildung
nachweiſen können; Dm
2. die Studiendauer beträgt durchweg zwei
"Jahre; theoretiſcher Unterricht in Volkswirtſchaftslehre,
Bürgerkunde, Pädagogik, Sozialpolitit, Sozialhygiene
uſw. geht Hand in Hand mit praktiſchen Unterweiſungen
in beſtehenden Wohlfahrtseinrichtungen ſowie bei ſtaat-
lichen oder ſtädtiſchen Wohlfahrtshehörden;
3. eine Prüfung bildet den Abſchluß der Stu-
dienzeit an der ſozialen Frauenſchule; bei Beſtehen wird
ein entſprechendes Diplom erteilt. .
Es handelt ſich ſomit um einen neuen Zweig der
weiblichen höheren Unterrichtsanſtalten. Er bietet ge-
eigneten jungen Mädchen, welche ſich eine grundlegende
Allgemeinbildung auf dem Lyzeum verſchafft haben, Ge-
legenheit zu ſozialer Weiterbildung, die auch dann von
BVotteil ſein wird, wenn ſie nicht oder nicht für immer
it- .
zu praktiſch-ſozialer Berufstätigkeit führen ſollte.
unter könnte die ſoziale Frauenſchule auch jenen Mädchen
Gelegenheit zur Fortbildung bieten, die nach Beſuch des
Lehrerinnenſeminars auf eine paſſende Anſtellung war-
ten; gerade die vorangegangene pädagogiſche und pſy-
<ologiſche Ausbildung wird eine treffliche Grundlage
ſein. Es muß jedoch nachdrülichſt betont werden, daß
ſich den ſozialen Frauenſchulen nur gereifte junge Mäd-
Hen von gediegenem Charakter und. wirklic< ſozialem
Intereſſe zuwenden ſollten. Dies verlangt die Wichtig-
keit und die Beſonderheit der fozialen Tätigkeit, nicht
'zulezt auch der Umſtand, daß dieſe jungen Mädchen neue
Wege gehen müſſen und nicht geebnete Bahnen wie im
Lehrerinnenberuf. Sie müſſen durch ihre Tüchtigteit ſich
vielfach erſt die neuen Arbeitsgebiete erſchließen. Als
Lohn winkt ihnen dafür eine ebenſo angeſehene wie be-
glüfende Lebensſtellung. Was das von den ſozialen
Frauenſchulen ausgeſtellte Diplom betrifft, ſo ſei aus-
drücklich bemerkt, daß dasſelbe bisher keine ſtaatliche Be-
rechtigung auf Anſtellung verleiht. Ueberhaupt iſt eine
ſtaatliche Regelung des ſozialen Frauenbildungs-
weſens bisher nicht erfolgt. Bei der wachſen-
den Zahl und der Bedeutung dieſer Schulen ſteht aber
eine behördliche Regelung jedenfalls in den größeren
Bundesſtaaten zu erwarten.
Die ſozialen Frauenſchulen ſind Zumeiſt inter -
konfeſſionell eingerichtet, 3. B. in Köln, Düſſel-
dorf, Mannheim, Augsburg, Leipzig, Berlin, Hamburg
uſw. Neben evangeliſchen Schulen dieſer Art 3. B. in
Hannover, Dresden, Elberfeld uſw. gibt es bisher auch
vier “katholiſche ſoziale Frauenſc<hulen,
die teils vom katholiſchen Frauenbund Deutſchlands ein-
gerichtet ſind, teils ihm nahe ſtehen, nämlich:
1) in Berlin W. 57, Winterfeldſtr. 5/6 (Leiterin
Frl. Oberlehrerin Weltmann),
I) in Münden, Thereſienſtr. 25 (Leiterin Frl. Hop-
mann), |
3) in Köln, Roonſtr. 36 (Leiterin Frl. Oberlehrerin
Weber),
4) in Heidelberg, Kornmarkt 5 (Leiterin Gräfin
Graimberg). |
In der konfeſſionellen Einrichtung ſo-
zialer Frauenſchulen erbliken wir einen beſonderen
Vorzug. Denn die Wohlfahrtspflege beſteht nicht nur
in der Löſung wirtſchaftlicher Fragen, ſondern ſie ſchließt
weitgehende Aufgaben der Erziehung und Selbſt-
erziehung in ſich, die nur auf religiöſer Grundlage gelöſt
werden können. Die ſoziale Betätigung wird alſo eine -
weſentliche Vertiefung erfahren, wenn die Religion als.
Kraftquelle und Richtſchnur ſtatt ausgeſchaltet zu wer-
den, zu Grunde gelegt wird. Man follte meinen und
darauf dringen, daß auch die maßgeblichen behördlichen
Stellen ſich dieſer Erkenntnis des Vorzuges der auf kon-
feſſionell-religiöſer Grundlage beruhenden Sozialarbeit
nicht entziehen! Es wird die Aufgabe des katholiſchen
Volksteils ſein, eine genügende Zahl von Bewerberinnen
äu ſtellen. Es hat daran bisher in fühlbarer Weiſe ge-
fehlt, weshalb es gut iſt, in weiten katholiſchen Kreiſen
für dieſe Angelegenheit um Intereſſe und Unterſtüßung
zu werben. .
.6.5,0
s .*.
Die Schulpflegerin.
In der Broſchüre „Die-- Schulpflegerin, ein neuer
Frauenberuf“ (Verlag Quelle u. Meyer, Leipzig 1917,
M. 0.80) von Alois Hösle, Stadtſchulinſpektor in Augs-
burg, finden ſich folgende beachtenswerte Vorſchläge:
„Das Wichtigſte unſeres Volkserziehungsweſens iſt die Ein -
richtung einer großzügigen Kinderfürſorge, um
die ſ<wac<hen und gefährdeten Menſchenkinder auf. eine möglichſt
hohe Stufe ſozialer Brauchbarkeit zu heben. Es ſollen dadurch je- -
do<h nicht die familienrechtlichen Verpflichtungen zu weitgehend ent-
laſtet, noch die privaten Wohlfahrtseinrichtungen angetaſtet werden. .
Es handelt ſich vielmehr darum, ein Organ zu ſchaffen, das die
Fäden der öffentlichen und privaten Fürſorge verbindet.
Den Lehrperſonen kann wegen ihrer ſie voll beſchäftigenden Be-
rufstätigkeit dieſe Aufgabe der Kinderfürſorge nicht noch aufge
bürdet werden. Die Wichtigkeit der Sache verlangt die An -
ſtellung beſonderer Schulpflegerinnen, die Hand
in Hand mit der Schulaufſicht, dem Schularzt und den Lehrperſonen