Arbeiter-Jugend | . | 7
mern
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Jugend, in der ungebundenſten Zeit ſeineY kurzen, inhaltreichen
Leben8. Ein Studienfreund Frank3, der Recht3anwalt Grumbach,
iſt der Verfaſſer. Wir dürfen keine Lebensgefchic<hte Frank3 er-
warten, noch weniger einen Frank-Roiman, der uns nicht einmal
willkommen wäre, -da wir den viel zu früh Verſtorbenen gewiß
nicht al3 RNomanheld aufgepußt ſehen möchten. Grumbach ſchildert
in erzählender, reizvoller Darſtellung die Freiburger Studenten-
zeit Ludwig Frank3, wie er in heißer Lernbegierde an der Uni-
verſität nac Erkenntnis ſtrebt, daneben aber froh genießend die
landſchaftlich) herrliche Umgebung Freiburg8 und den Badiſchen
Schwarzwald durchſtreift. Mit Gleichgeſinnten und Gleichge
ſtimmten diskutiert er die „Fragen des Tage38“, und kein Problem
des Geiſte8- und GeſellſchaKsleben3 entgeht ſeinem Intereſſe. Alj9
Ludwig Frank al38 Reifender und Werdender! Er ſchlicßt Freund-
ſhaft mit dem Philoſophie ſtudierenden Woltmann, der ſpäter in
der ſozialdemokratiſchen Partei durc< ſeine Forderung, auch- die
RNaſſenfrage in die ſozialiſtiſche Theorie eimzuſühren, kurze Zeit
die Aufmerkſamkeit auf ſich lenkt. Auch den erſt jeht die Bühne
ſich erobernden Freiburger Dichter Emil G ö tt, deſſen Schauſpiel
„GEdelwild“ vor kurzem in einigen deutſchen Großſtädten zur Auf-
führung kam, lernt er kennen und pflegt innigen Verkehr mit ihm.
Auf einer Ausflugs8höbe in der Nähe Freiburgs gründen dieſe be-
weglichen und- enthuſiaſtiſchen Seelen den Bund Freie Burd
(daher der Titel des Buch8) und geloben ſich, dem Dienſt der
Menſchheit und ihrer ewigen Jdeale ihr Leben zu weihen. zyeier-
tag8glanz wollen ſie ſpannen über den Alltag und, wie Frank (im
Buch Ludwig Ed>ert genannt) freudig ausruft, die Seelen frei-
machen au38 Elend und Verſchla>ung. =
In ihrem letzten Teil findet dann die“Darſtellung in un-
gezwungener Weiſe den Uebergang zu Franks tragiſchem Tod bei
Baccarat, =- Die Lektüre gewährt auch äſthetiſchen Genuß, da
Grumbach ſich als Stilkünſtler reifſter Prägung erweiſt. Das
Buch kann darum unſeren Jugendgenoſſen und den Bibliotheken
zur Anichaffung warm empfohlen worden, aw,
S Zur wirtschaftlichen Lage A
„Jeder Arbeiter iſt feines Lohne3 wert,"
Dieſes alte Sprüchwort gehört zu den Weisheiten, die überall
umſonſt zu haben ſind, ohne daß man ſich ſonderlich Mühe gibt, danach
zu handeln. Ja, beſtimmten Klaſſen von Arbeitern wird geradezu
regelmäßig ein beſonders großer Teil des ihnen eigentlich zuſtehenden
Lohnes vorenthalten. Dazu gehören vor allem die Frauen und Mad
chen, die Lehrlinge unt- die jugendlichen Arbeiter. Nehmen wir heute
einmal nur die jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen. Un-
zweifelhaft ſind ihre Löhne während der Kriegsjahre geſtiegen; die
Teuerung und der Arbeitermangel trieben ſie in die Höhe. Nun aber
erhebt ſich allgemeines Geſchrei: „Die jungen Leute ver-
dienen zuviel!“ Verhältniamäßig wohlwollend ſind diejenigen
Nufer, die einen Teil des Lohns, den die jugendlichen Arbeiter ver-
dienen, gzwangsweiſe „auf die hohe Kante“ legen, ihn in die Spaxifaſc
bringen wollen. So bleibt den jugendlichen Arbeitern wenigſtens der
Anſpruch auf den Verdienſt erhalten. Andre beſorgte Jugendfreunde
ſind leider weſentlich böSartiger. Sie raten den Unternehmern und den
Behörden, die Löhne der Jugendlichen „abguſtufen“. Etwa ſo:
von 14---16 Jahren 1,50 Mk, täglich, von 16--18 Jahren 2,50 Mk., von
18--20 Jahren 3,50 Mk. uſw.
Dieſe Schlaumeier!
wöllen den Jugendlichen gehörig am Lohne abziehen, aber mant
hört nichts davon, daß ſie die ſo gewonnenen Beträge eiwa den ver-
heirateten Arbeitern zulegen wollen. In der Praxis würde der
glänzende Vorſchlag nur darauf hinauslaufen, daß der Unternehmer
an den Jugendlichen noch billigere Arbeitskräfte hätte und noch mehr
Gewinn aus ihnen ziehen könnte,
Dagegen iſt entſchiedenſter Einſpruch zu erheben. Auch der jugend-
liche Arbeiter iſt feine 38 Lohnes wert. Wenn das die Herren Ab-
ſtufungstheoretikex nicht wahr haben wollen, ſo mögen ſie uns einige
Fragen beantworten, die aus dieſer Zeit vol Not und Wucher geboren
ſind: Glauben ſie, daß die jungen Arbeiter auch ihren Appetit „abſtufen"
und ihrem, erfreulicherweiſe meiſt recht geſunden Magen gebieten können,
von 14---16 Jahren mit drei Fünfteln deſſen au8zukommen, was nach
dem 16. Geburts8tag zu erwarten ſteht? . Hat man je gehört, daß die
Stiefelſohlen der Sechzehnjährigen ſo einſichtig ſind, langſamer zu ver=-
ſchleißen al3 die der Zwanzigjährigen? Hat je eine Mutter erlebt,
daß ihr die Kleidung für den Vierzehnjährigen billiger Überlaſſen
worden wäre, weil der Junge noch nicht ſo viel verdient?
"Man weiß die jungen Leute genau ſo kräftig au8zuwuchern wie
die älteren. Man ſchont ihre Jugend .auch nicht auf der Arbeitsſtätte.
Sie werden nach dem einmütigen Urteil aller Sozialpolitiker au3-
Fenüßt bis zum Aeußerſten. Des8halb verdient jeder Verſuch der Lohn-
Gine3 iſt an ihrent Vorſchlag ganz klar: ſie.
: Fönnen.
kürzung ſchärfſte Gegenwehr. Sicher werden die Gewerkſchaften auf
dem Plan ſein; aber aud) die freie Jugendbewegung muß rechtzeitig
jugendfeindlichen Anſchlägen entgegentreten.
Mit der Sorge um die Verwendung der „hohen“ Jugendlöhne
hat das alle3 nicht3 zu tun.
wir werden allezeit dabei ſein, wenn es gilt, der Jugend eine ver-
Da3 iſt eine Sache der Erziehung, und.
nünftige Verwendung ihres ſchwer verdienten Arbeitslohns beizubringen, .
Jedenfalls iſt eine Lohnſumme von 5 Mk. täglich in der HausShaltskaſſe
der ſorgenvollen Mutter beſſer untergebracht, al8s wenn 3 Mk. davon
nad dem „Abſtufung3“-Syſtem im Geldſ<hranf des Unternehmer3 zurüc-
bleiben. :
[59 Die Gegner an der Arbeit L
Wie es gemacht wird.
Wenn wir gelegentlich darauf hinwieſen, daß geiſtliche NReligions8-
lehrer ihre Gewalt über die Schüler nicht ſelten dazu benüßen, um die
jungen Leute mit mehr oder minder ſanftem Zwang in die katholiſchen
Jünglingsvereine zu drängen, ſo gab e8 regelmäßig in den katholiſchen
Jugemdblättern lebhafte Entrüſtung über ſolche „Unterſtellungen“. Man
lefe nun aber, was ein Pfarrer Hinſenkamp in der <rijtlich-natio-
nalen Zeitſchrift „Deutiche Arbeit“ Über die Schulagitation für den
Jünglingsverein ſchreibt: :
Die Arbeit hat zu beginnen in dex Oberklaſſe der Volfsſchule. A!3
Geiſtlicher habe ich im KatechiöSmuSunterricht ſehr oft Gelegenheit, die
Jungen auf den Jünglingsverein hinzuweiſen, der ſie zu „<arakter-
feſten und tüchtigen, firchen= umd vaterland8treuen Männern" heran-
bilden ſjoll. Ic<r ſetze ihnen die Vorteile auSceinander,
dieder Jugendverein ihnen bietet . . ., ſchildere ihnen
die vielen Gefagren, die ihnen drohen, wenn ſie „wild“ bleiben oder ſich
andern Vereinen, wie Freundſchaft8- und Sportklubs oder dem ſozial-
demokratiſchen Jugendverein anſchließen. Die Herren Lehrer werden
auf eine freundliche Bitte hin gern Gelegenheit nehmen, die Arbeit der
Geiſtlichen zu unterſtützen,
In der Tat, ſo wird es gemacht! Schon in die Volksſchule wird der
Kampf gegen „den ſozialdemofkratiſchen Jugendverein“ hineingetragen,
der in einem Atem mit Tanz-, Saufs und Rauchklubs als ein Hoöollenpfuhl
geſchildert wird. In den Neligionsitunden für die Fortibildungösichüler
wird Idas gottgefällige Werk fortgeſekt. Weonn dann auch noch „die Herren
Lehrer“ die Arbeit dex Geiſtlichen unterſtükben, wagen wohl nur wenige
Jugendliche dem Anſturm der Schulgewaltigen ſtandzuhalten. Sie gehen
in den Jünglingsverein --- bis ſie, der Schulgewalt entronnen, wieder
ausireten,
Da eine derartige Worbeoarbeit ein fihweror Mißbrauch der Schule
aſt, brauchen wir in der Gegenarbeit feine Nückncot zu nehmen. Unſere
JIuJendausſchüſſe mönen ſchon vor Litern die zur Cnlaſſung kommenden
Echüler zu Wanderungen wad Unterhaltungen einladen wund den Neulitt-
gen flar machen, daß ſie niemand in den Jünglingösverein zwingen darf,
Auf ider Arbeitsjiätte, wo der Herr Pfarrer nicht hinkommt, werden ſich
unſere Anhänger nach Oſtern der neuen Lehrlinge und jungen Arbeiter
freundſc<haftlid annehmen und ſie der freien Jugend zuführen.
Dazu bedarf es keiner Hee und keiner Angriffe auf Kirche und
Geiſtlichkeit, die ſich für einen jungen, unerfahrenen Menſchen nicht
ziemen, ſondern nur des Hinweiſes auf die großen Vorzüge der freien
Jugend. Möglichſt viele junge Leute in unſere Verfammlungen amd
Heime, zu unſeren Wanderungen und zu unſeren Feſten bringen, mög»
lichſt vielen unſere „Arbeiter-JFugen5“ in die Hand geven, das ijt unſere
beſte Werbearbeit!
*
. Wird die cevangeliſche Kirche munter?
Die evangeliſchen Jünglingsvereins2 blicken zwar auf eine ſiebzig-
jährige Geſchichte zurü>, aber ſie haben troß dieſer langen Tätigkeit bei
weitem nicht überall die Unterſtüzung der evangeliſchen Kirche finden
Manche Paſtoren ſehen die guten Jünglingsvereine mit etwas
ſchiefen Augen an, Weil ſie fürchten, es könne in den Vereinen allerlei
Sektiererei getrieben werden. Jeßt will die evangeliſche Kirche eine
„Neuorientierung“ gegenüber den Jünglingsvereinen einnehmen. Der
vſtdeutſche Jünglingsbund verkündet ſeinen Getreuen, daß 23 die
evangeliſche Kirche nun „förmlich den Konſiſtorien und Paſtoren zu einer
Geowiſſens8»flicht macht, tätigen Anteil zu nehmen an- der religiöſen Er=-
ziehung der Jugend“. Der BundesSvorjtand meint dazu:
Wir bedauern lebhaft, daß diefes Vorgehen ſo ſpät kommt,
und daß unſere Arbeit wohl eine Unterſtüzung der kirchlichen Be-
hörden gefunden hat, aber doch lange nicht ſo, wie es“ heute ſein
müßte. . . . Für die Kirche wird e8 eben eine große Aufgabe geben,
da, wo no< keine Jugendarbeit getrieben wurde, die betreffenden
Paſtoren und Presbyterien für eine ſolche Jugendarbeit willig zu
machen, und das wirdkeine leine Arbeit ſein.
«
Daß bisher allerlei „Störungen“, und zwar aus re<t merkwürdigen -
Gründen, vorgekommen ſind, laſſen folgende Säße erkennen:
Es iſt ja im allgemeinen in dieſen Jugendausſchüſſen ohne be-
ſondere Zuſammenſtöße hergegangen, aber hier und da hat man doh
eine gewiſſe Abneigung gegen unſere. Arbeit nicht verhehlen
können, und wir haben e3 doch mehr al8 einmal erfahren, daß unſere
Vereine, namentlich bei einer ſtarken Betonung der Sonntag22