Full text: Arbeiter-Jugend - 10.1918 (10)

ArbeiterJugemt 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Erſcheint alle 14 Tage 
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Eingetragen in die Poſt-Zeitungsliſte 
 
 
 
Nr. 15 
 
Der Weg zum Erfolg. 
er Krieg iſt für die Jugendbewegung ein Prüfſtein in des 
Worte3 wahrſtem Sinne. Der Stand der Bewegung in den 
„einzelnen Orten iſt der Gradmeſſer für die Arbeit de3 ört- 
Lichen Jugendausſchuſſes. |E3 hat ſich gezeigt, daß die Krieg38wirren 
die Jugendbewegung an verſchiedenen Orten hinweggefegt oder 
doch zur Bedeutungsloſigkeit herabgedrückt haben, während ſie an- 
derwärt35 unerſchüttert allen Stürmen widerſteht. 
Alle Ausſchüſſe und Jugendbildungsvereine haben unter den 
Einberufungen zu leiden. E3 wird heute im ganzen Reich keinen 
Ausſchuß mehr- geben, der ſo beſekt iſt wie in Frieden3zeiten. Auch 
die finanziellen Zuſchüſſe ſind wohl überall ſtark beſchnitten worden. 
Am meiſten haben die Genoſſen in den kleinen Städten und auf 
dem Lande zu. leiden. Und dennoch gibt e38 auch dort in vielen 
Orten Vereine, die nicht nur ihren Stand gehalten haben, ſondern 
unter den erſc<werenden Verhältniſſen noch vorwärt8 gekommen 
ſind. Wa3 iſt das Geheimnis dieſes Erfolg8? BPlanmäßiges 
Arbeiten! Nichts weiter. Damit foll die Tätigkeit der Ausſchüſſe, 
die weniger Erfolg hatten, nicht herabgewürdigt werden. Auch 
ſie werden vielfach eifrig gearbeitet, aber wahrſcheinlich den Sc<wer- 
punkt ihrer Tätigkeit auf das verkehrte Ende verlegt haben. Zweck 
Dieſer Zeilen iſt e8, auf die Urſachen der Mißerfolge hinzuweiſen 
und Fingerzeige zu geben, wie das planmäßige Arbeiten geſchehen 
ſoll. Etwaigen Zweiflern ſei gleich vorweg bemerkt, daß die Rat- 
ſ<läge nicht vom grünen Tiſch kommen, ſondern daß ſie an jahre- 
langer Praxis erprobt ſind. 
Die Jugendbewegung kann nur vorwärts ſchreiten, wenn die 
Zugend zur (Selbſtändigkeit erzogen wird. Sie will und darf micht 
bevormundet unt gegängelt werden. Da3 rächt ſich immer bitter, 
Der Jugendausſchuß, deſſen Mitglieder in unermüdlicher, raſtloſer 
Tätigkeit während des ganzen Jahre3 die geſamte Arbeit auf ſich 
nehmen, jede Kleinarbeit, die die Jugend erledigen könnte, ſelbſt 
ausführen, ſteht nicht auf der Höhe. Er hat ſeine Aufgaben nicht 
begriffen. In ſolchen Orten wird die Jugend nicht genügend in 
die Agitation38- und Organiſation3arbeit eingeweiht. Kommen 
dann Zeiten wie die gegenwärtige, in denen die männlichen AuZ»- 
ſchußmitglieder zum überwiegenden Teil infolge Einberufung ihre 
Poſten verlaſſen müſſen, dann ſteht die Jugend ratlos da. Das 
mit unſäglicher Mühe in jahrelanger Arbeit Aufgebaute zerfällt. 
Die Jugend, der die zähe Ausdauer der Erwachſenen fehlt und die 
des ſelbſtändigen Arbeitens ungewohnt iſt, kann das Ganze nicht 
zuſammenhalten. Stein um Stein bröckelt von dem ſtolzen Bau 
ab. Reſigniert und enttäuſcht nehmen die eingezogenen. Jugend- 
ausſchußmitglieder die Siob8botſchaften. aus der Heimat zur Kennt- 
ni8, Zu ſpät ſehen ſie ein, daß ihre Tätigkeit Siſyphusarbeit war, 
weil ſie es nicht verſtanden haben, andere zur Arbeit heranzuziehen, 
ſie in die Kleinarbeit einzuweihen. Erſt jeßt erkennen ſie, daß 
mit glühender Begeiſterung und. mit unermüdlichem Tatendrang 
allein eine Organiſation nicht zuſammenzuhalten iſt, 
Der Erfolg der Ausſc<hüſſe, die heute eine gute Bewegung am 
Orte zu buchen vermögen, liegt einzig und allein darin, daß ſie 
es verſtanden haben, die Jugend mitarbeiten zu laſſen und zur 
Selbſtändigkeit zu erziehen, Zu allen, auch zu den unbedeutend- 
ſten Arbeiten müſſen die jungen Genoſſen herangezogen werden. 
Sie ſollen, unter anfänglicher Anleitung der Erwachſenen, vor 
allem die Agitation ſelbſtändig in die Hand nehmen, Sehr bald 
wird ſich herausſtellen, daß die Jugendgenoſſen dieſe wichtige Arbeit 
mit Liebe und Begeiſterung ausführen und infolge ihres ſtändigen 
Verkehrs mit gleichaltrigen Kameraden und Berufskollegen größere 
Berlin, 27. Juli 
Erfolge erzielen werden als die Erwachſenen. 
  
- Expedition: Buchhandlun Vorwärts, Paul 
Singer G. m * Lindenſtraße 3, Alle Zu- 
ſchriften für die Redaktion ſind zu richten 
an Karl Korn, Lindenſtraße 3, M n SW. 68 
1918 
 
AehnliH liegt e3 
mit der Aufſtellung de8 Arbeit3programms8 für das Winterhalb- 
jahr, mit der Einteilung de3 Dienſte8 im Jugendheim, mit der 
Vorbereitung der Ausflüge und anderen Arbeiten mehr. Die Ver- 
waltung und Inſtandhaltung der Spielgeräte ſoll ausſchlicklich 
der Jugend übertragen werden. Da3 erzieht ſie nicht nur zur 
Selbſtändigkeit, ſondern auc< zur Verantwortlichfeit. Die ſelb- 
ſtändige Leitung de38 Verein38, die Anfertigung von Niederſchriften 
und die Führung der Kaſſengeſchäfte die Jugend zu lehren, iſt 
anerläßlih. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die erlernten Fähig- 
keiten nach und nah Fn den älteren auf die jüngeren Jahrgänge 
übertragen: werden, ohne daß ſi< die Erwachſenen einzumiſchen 
brauchen. Dieſen bleibt dann genügend Zeit für andere Arbeiten 
in der Geſamtarbeiterbewegung. Ein geſchi>ter Jugendleiter wird 
ſich darum nicht in alle möglichen und unmöglichen Kleinarbeiten 
verlieren: er muß das Ganze im Auge behalten und nur dort 
eingreifen, wo e3 notwendig iſt, oder wenn in dem Räderwerk 
eine Sto>ung einzutreten droht. DaZ iſt aber ausgeſchloſſen, wenn 
er ſich mit Arbeiten überlaſtet, die ſehr gut andere machen können. 
Iſt die Jugend in alle Zweige ihrer Bewegung erſt einmal einge- 
weiht, wird ſie ſicß in den ſc<wierigſten Situationen ſehr gut ſelbt 
zu helfen wiſſen. 
Unter dieſer Selbſtändigkeit der Jugend leidet das Anſehen 
de3 Jugendausſchuſſes. nicht im geringſten. Jm Gegenteil. Wenn 
die Jugend merkt, daß ſie als gleichberechtigt angeſehen und bo- 
handelt wird, wird ſie ſich mit um ſo größerer Liebe der Arbe't 
widmen. EZ3 wird in den Jugendausſ<hüſſen zwiſchen ihr und do 
Erwachſenen weniger Meinungsverſchiedenheiten und Retbungot! 
geben, weil die Jungen und Mädel3 die Arbeit aus eigener A1- 
ſhauung kennen gelernt haben. 'Sie werden weder unerfüllbar2 
Wünſc<e äußern, noc< an der Tätigkeit der Erwachſenen unbercech- 
tigte Kritik üben. 'So wird auch ein gut Teil Zündſtoff in de? 
Ausſchüſſen im Keime erſtict und ein harmoniſc<es Zuſammett- 
arbeiten geſ<haffen. 
Große Sorge bereiten einzelnen Ausſ<hüſſen die Jugen>» 
genoſſen, die das achtzehnte Leben3jahr überſchritten haben. Sie 
ſollen nac<g den beſtehenden Beſchlüſſen nur mit Zuſtimmung des 
IJugendausſchuſſes im Verein verbleiben. EZ iſt eine eigene Sache, 
jungen Keuten, die ſeit ihrer Schulentlaſſung in der Bewogung 
gearbeitet und gewirkt haben, zu verſtehen zu geben, daß für ſie 
die Zeit gekommen ſei, dem ihnen lieb gewordenen Tätigkeit3- 
gebiet den Nücken zu kehren und ſich in Partei und Gewerkſchaft 
zu organiſieren. Die Mehrzahl wird dies ohnehin tun, da ſie ſchon 
längſt auf den Augenblick gewartet hat, ſich den „Großen“ anzue- 
ſchließen. Die Erfahrung hat aber gelchrt, daß es einen gewiſſen 
Prozentſatz junger Leute beiderlei GeſchlecHt3 gibt, die ſich voit 
„ihrer Jugend“ nicht trennen können. Jhnen den Laufpaß zu 
geben, würde nicht nur unklug, ſondern auch unpraktiſch fein. 
Sie, die ſeit Jahren in unſerer Bewegung ihre Pflicht getan haben 
und unter den Jugendgenoſſen großen Anhang haben, ſind unjere 
beſten Kräfte. Sie an den richtigen Plaß zu ſtellen, wird Auf- 
gabe eines geſhidten Organiſationsleiters ſein. Mit Frouden 
und Stolz werden ſie das Angebot annehmen, in Zukunft der 
Jugendbewegung als Vertreter der Erwachſenen zu dienen. Ste 
können von der Partei und den Gewerkſchaften in den Juzend- 
ausſc<huß oder von der Jugend als Organiſation3- oder-Abteilungs- 
leiter gewählt werden. Auf. dieſe Weiſe wird nach und nac der 
Uebelſtand beſeitigt, der heute wohl überall beſteht, nämlich der 
Mangel an erwachſenen Mitarbeitern in unſerer Jugendbewegung. 
Die jungen Leute wachſen heran und werden ſpäter als erprobte 
Jugendleiter, die von der Rike auf gedient haben, willkommen ſein,
	        
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