ArbeiterJugemt
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Eingetragen in die Poſt-Zeitungsliſte
Nr. 15
Der Weg zum Erfolg.
er Krieg iſt für die Jugendbewegung ein Prüfſtein in des
Worte3 wahrſtem Sinne. Der Stand der Bewegung in den
„einzelnen Orten iſt der Gradmeſſer für die Arbeit de3 ört-
Lichen Jugendausſchuſſes. |E3 hat ſich gezeigt, daß die Krieg38wirren
die Jugendbewegung an verſchiedenen Orten hinweggefegt oder
doch zur Bedeutungsloſigkeit herabgedrückt haben, während ſie an-
derwärt35 unerſchüttert allen Stürmen widerſteht.
Alle Ausſchüſſe und Jugendbildungsvereine haben unter den
Einberufungen zu leiden. E3 wird heute im ganzen Reich keinen
Ausſchuß mehr- geben, der ſo beſekt iſt wie in Frieden3zeiten. Auch
die finanziellen Zuſchüſſe ſind wohl überall ſtark beſchnitten worden.
Am meiſten haben die Genoſſen in den kleinen Städten und auf
dem Lande zu. leiden. Und dennoch gibt e38 auch dort in vielen
Orten Vereine, die nicht nur ihren Stand gehalten haben, ſondern
unter den erſc<werenden Verhältniſſen noch vorwärt8 gekommen
ſind. Wa3 iſt das Geheimnis dieſes Erfolg8? BPlanmäßiges
Arbeiten! Nichts weiter. Damit foll die Tätigkeit der Ausſchüſſe,
die weniger Erfolg hatten, nicht herabgewürdigt werden. Auch
ſie werden vielfach eifrig gearbeitet, aber wahrſcheinlich den Sc<wer-
punkt ihrer Tätigkeit auf das verkehrte Ende verlegt haben. Zweck
Dieſer Zeilen iſt e8, auf die Urſachen der Mißerfolge hinzuweiſen
und Fingerzeige zu geben, wie das planmäßige Arbeiten geſchehen
ſoll. Etwaigen Zweiflern ſei gleich vorweg bemerkt, daß die Rat-
ſ<läge nicht vom grünen Tiſch kommen, ſondern daß ſie an jahre-
langer Praxis erprobt ſind.
Die Jugendbewegung kann nur vorwärts ſchreiten, wenn die
Zugend zur (Selbſtändigkeit erzogen wird. Sie will und darf micht
bevormundet unt gegängelt werden. Da3 rächt ſich immer bitter,
Der Jugendausſchuß, deſſen Mitglieder in unermüdlicher, raſtloſer
Tätigkeit während des ganzen Jahre3 die geſamte Arbeit auf ſich
nehmen, jede Kleinarbeit, die die Jugend erledigen könnte, ſelbſt
ausführen, ſteht nicht auf der Höhe. Er hat ſeine Aufgaben nicht
begriffen. In ſolchen Orten wird die Jugend nicht genügend in
die Agitation38- und Organiſation3arbeit eingeweiht. Kommen
dann Zeiten wie die gegenwärtige, in denen die männlichen AuZ»-
ſchußmitglieder zum überwiegenden Teil infolge Einberufung ihre
Poſten verlaſſen müſſen, dann ſteht die Jugend ratlos da. Das
mit unſäglicher Mühe in jahrelanger Arbeit Aufgebaute zerfällt.
Die Jugend, der die zähe Ausdauer der Erwachſenen fehlt und die
des ſelbſtändigen Arbeitens ungewohnt iſt, kann das Ganze nicht
zuſammenhalten. Stein um Stein bröckelt von dem ſtolzen Bau
ab. Reſigniert und enttäuſcht nehmen die eingezogenen. Jugend-
ausſchußmitglieder die Siob8botſchaften. aus der Heimat zur Kennt-
ni8, Zu ſpät ſehen ſie ein, daß ihre Tätigkeit Siſyphusarbeit war,
weil ſie es nicht verſtanden haben, andere zur Arbeit heranzuziehen,
ſie in die Kleinarbeit einzuweihen. Erſt jeßt erkennen ſie, daß
mit glühender Begeiſterung und. mit unermüdlichem Tatendrang
allein eine Organiſation nicht zuſammenzuhalten iſt,
Der Erfolg der Ausſc<hüſſe, die heute eine gute Bewegung am
Orte zu buchen vermögen, liegt einzig und allein darin, daß ſie
es verſtanden haben, die Jugend mitarbeiten zu laſſen und zur
Selbſtändigkeit zu erziehen, Zu allen, auch zu den unbedeutend-
ſten Arbeiten müſſen die jungen Genoſſen herangezogen werden.
Sie ſollen, unter anfänglicher Anleitung der Erwachſenen, vor
allem die Agitation ſelbſtändig in die Hand nehmen, Sehr bald
wird ſich herausſtellen, daß die Jugendgenoſſen dieſe wichtige Arbeit
mit Liebe und Begeiſterung ausführen und infolge ihres ſtändigen
Verkehrs mit gleichaltrigen Kameraden und Berufskollegen größere
Berlin, 27. Juli
Erfolge erzielen werden als die Erwachſenen.
- Expedition: Buchhandlun Vorwärts, Paul
Singer G. m * Lindenſtraße 3, Alle Zu-
ſchriften für die Redaktion ſind zu richten
an Karl Korn, Lindenſtraße 3, M n SW. 68
1918
AehnliH liegt e3
mit der Aufſtellung de8 Arbeit3programms8 für das Winterhalb-
jahr, mit der Einteilung de3 Dienſte8 im Jugendheim, mit der
Vorbereitung der Ausflüge und anderen Arbeiten mehr. Die Ver-
waltung und Inſtandhaltung der Spielgeräte ſoll ausſchlicklich
der Jugend übertragen werden. Da3 erzieht ſie nicht nur zur
Selbſtändigkeit, ſondern auc< zur Verantwortlichfeit. Die ſelb-
ſtändige Leitung de38 Verein38, die Anfertigung von Niederſchriften
und die Führung der Kaſſengeſchäfte die Jugend zu lehren, iſt
anerläßlih. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die erlernten Fähig-
keiten nach und nah Fn den älteren auf die jüngeren Jahrgänge
übertragen: werden, ohne daß ſi< die Erwachſenen einzumiſchen
brauchen. Dieſen bleibt dann genügend Zeit für andere Arbeiten
in der Geſamtarbeiterbewegung. Ein geſchi>ter Jugendleiter wird
ſich darum nicht in alle möglichen und unmöglichen Kleinarbeiten
verlieren: er muß das Ganze im Auge behalten und nur dort
eingreifen, wo e3 notwendig iſt, oder wenn in dem Räderwerk
eine Sto>ung einzutreten droht. DaZ iſt aber ausgeſchloſſen, wenn
er ſich mit Arbeiten überlaſtet, die ſehr gut andere machen können.
Iſt die Jugend in alle Zweige ihrer Bewegung erſt einmal einge-
weiht, wird ſie ſicß in den ſc<wierigſten Situationen ſehr gut ſelbt
zu helfen wiſſen.
Unter dieſer Selbſtändigkeit der Jugend leidet das Anſehen
de3 Jugendausſchuſſes. nicht im geringſten. Jm Gegenteil. Wenn
die Jugend merkt, daß ſie als gleichberechtigt angeſehen und bo-
handelt wird, wird ſie ſich mit um ſo größerer Liebe der Arbe't
widmen. EZ3 wird in den Jugendausſ<hüſſen zwiſchen ihr und do
Erwachſenen weniger Meinungsverſchiedenheiten und Retbungot!
geben, weil die Jungen und Mädel3 die Arbeit aus eigener A1-
ſhauung kennen gelernt haben. 'Sie werden weder unerfüllbar2
Wünſc<e äußern, noc< an der Tätigkeit der Erwachſenen unbercech-
tigte Kritik üben. 'So wird auch ein gut Teil Zündſtoff in de?
Ausſchüſſen im Keime erſtict und ein harmoniſc<es Zuſammett-
arbeiten geſ<haffen.
Große Sorge bereiten einzelnen Ausſ<hüſſen die Jugen>»
genoſſen, die das achtzehnte Leben3jahr überſchritten haben. Sie
ſollen nac<g den beſtehenden Beſchlüſſen nur mit Zuſtimmung des
IJugendausſchuſſes im Verein verbleiben. EZ iſt eine eigene Sache,
jungen Keuten, die ſeit ihrer Schulentlaſſung in der Bewogung
gearbeitet und gewirkt haben, zu verſtehen zu geben, daß für ſie
die Zeit gekommen ſei, dem ihnen lieb gewordenen Tätigkeit3-
gebiet den Nücken zu kehren und ſich in Partei und Gewerkſchaft
zu organiſieren. Die Mehrzahl wird dies ohnehin tun, da ſie ſchon
längſt auf den Augenblick gewartet hat, ſich den „Großen“ anzue-
ſchließen. Die Erfahrung hat aber gelchrt, daß es einen gewiſſen
Prozentſatz junger Leute beiderlei GeſchlecHt3 gibt, die ſich voit
„ihrer Jugend“ nicht trennen können. Jhnen den Laufpaß zu
geben, würde nicht nur unklug, ſondern auch unpraktiſch fein.
Sie, die ſeit Jahren in unſerer Bewegung ihre Pflicht getan haben
und unter den Jugendgenoſſen großen Anhang haben, ſind unjere
beſten Kräfte. Sie an den richtigen Plaß zu ſtellen, wird Auf-
gabe eines geſhidten Organiſationsleiters ſein. Mit Frouden
und Stolz werden ſie das Angebot annehmen, in Zukunft der
Jugendbewegung als Vertreter der Erwachſenen zu dienen. Ste
können von der Partei und den Gewerkſchaften in den Juzend-
ausſc<huß oder von der Jugend als Organiſation3- oder-Abteilungs-
leiter gewählt werden. Auf. dieſe Weiſe wird nach und nac der
Uebelſtand beſeitigt, der heute wohl überall beſteht, nämlich der
Mangel an erwachſenen Mitarbeitern in unſerer Jugendbewegung.
Die jungen Leute wachſen heran und werden ſpäter als erprobte
Jugendleiter, die von der Rike auf gedient haben, willkommen ſein,