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Eingetragen in die Poſt-Zeitungsliſte
Nr. 22
Die ſchwarze Schar.
cge Erkundungstätigkeit an den Fronten." Wenn dieſc Mel-
R dung im Tagesbericht ſteht, jo wiſſen wir, daß die Gegner
- “hüben und drüben eifrig bemüht ſind, die Stärke, die Rüjtun-
gen und die Abſichten der Heere feſtzuſtellen. Ein HeereSteil, der die
Erkundung vernachläſſigte, würde bald böſe Ueberraſchungen erleben.
Er ſtände plößlich übermächtigen Stößen und neuartigen Angrifſs8-
mitteln gegenüber, denen ſeine Vorteidigung nic<t gewachſen wäre.
' Käme er aber dem Angriff zuvor, ſo prallte cr vielleicht auf einen
"Gegner, den-er bedenflich unterſchäßt hätte, und holte ſich ſo erſt recht
eine empfindliche Itiederlage.
Auch in den geiſtigen Kämpfen muß man den Gegner kenneit,
mit dem man in Fehde liegt. Man verkennt ihn leicht, wenn man
in dem berechtigten feſten Glauben an die eigene gute Sache die Krait
des andern leichter nimmt, als ſie iſt. |
- Wo ſteht der mächtigſte? und bis8her crfolgreichſte Gegner der
freien Jugendbewegung? Er ſteht in dem großen Heerlager des Ka-
tholiziSmu3, wo er unter Führung ganzer Stäovc von ſchvarzrodigen
Kaplänen, Rektoren und Pfarrern die katholiſche Jugend -
bewegung bildet, die „ſchwarze Schar“, wie ſie einer ihrer Führer
genannt hat. Die katholiſche Jugendbewegung war vor zehn und fünf-
zehn Jahren noc<h eine recht harmloſe Geſellſchaft, die mit Kir<gang
und Kommunizieren, aber auch mit Freibier und Sonntag8zi3.'rrein,
mit Couplets und Theaterklimbim die Jugend in den katholiſchen
"Gegenden ſo gut es eben ging, aber in der Negel mehr ſchlecht als recht
zuſammenzuhalten verſuchte. Da wurden dur< die Gründung ver
freien Jugendbewegung vor etwas mehr als einem Jahrzehnt die
ſchwarzen JünglingöSverceine und ihre geiſtigen Leiter plößlich aus
ihrer Ruhe unlieödſam aufgeſchre>t. Niemand ſoll ſagen, daß ſie die
Gefahr nicht erkannt hätten und ihr nicht mit großen Mitteln geſchi>t
begegnet wären. Sie rafften ihre Einzelvereine zu einer einheitlichen
ſtraffen Organiſation zuſammen; ſie ſchulten ihre Führer und
Unterführer; ſi ſuchten wbhren Mitgliedern möglichſt viel Unterhal-
tung und Belehrung zu dieten. Ihre Haupttätigkeit aber ſtand und
ſtebt unter der Loſung: „Gegen die freie Jugendbowegung!“, [vo
wenig ſie auch dieſe Loſung zeitweiſe an die große Glode hängen
mögen. |
Die reichen und vielſeitigen. Mittel dieſes Gegners, dem Kirche
und Staat, Schule und Unternehmertum Hilfreich beiſpringen, müjſen
wir uns einmal anſehen. Sein Genoralſtab ſikt in Düſſeldorf. E3
iſt das vor zehn Jahren gegründete Generalſekretariat der. kathol1-
ſchen Jünglingsvereinigungen Deutſchlands. Im Jahr 1908 leitet.
es etwa 1200 Vereinte mit rund 160 000, im Jahr 1918 aber 8628
Vereine mit 350 000 Mitgliedern. Ein ſotc<her Aufſchwung kommt
. nie von ungefähr. Die Leute haben %earbeitet und die Vorteile zu
.nußen verſtanden, die ihnen ihr Neichtum an erzieheriſch geſchulten,
in geiſtigen Berufen tätigen Kräften und ihre Geldquellen verſchaffen.
Man beachte, wie ſie ihre Führer, Mitglieder und. Freunde unter
ſtändiger Beeinfluſſung halten: |
Für die Präſides, alſo die geiſtlichen Vorſikenden der Vereine,
wird ein „Korreſpondenzblatt“ herausgegeben, das ihre Tätigkeit
durc< Anregungen und Austauſch von Erfahrungen befruchtet. Die
Zeitſchrift „Der Jugendverein“ dient der Heranbildung einer Kern-
truppe von „weltlichen“ Vorſtandsmitgliedern, auf deren Mitarbeit
ſich die Erfolge der katholiſchen Jugendbewegung ſtüßen. In einor
mehr wiſſenſchaftlich gehaltenen Zeitſchrift „Jugendführung“ wird
. das geſamte Gebiet der katholiſchen Jugendpflege pädagogiſc<; und
pſychologiſch bearbeitet. Für die Maſſe der Mitglieder erſcheint vier-
zehntägig „Die Wacht", die zurzeit eine Auflage von 160 000 angtbt.
Berlin, 2. November
Expedition: Buchhandlung Vorwärts, Paul
Singer G. m. b. H, Lindenſtraße 3. Alle Zu-
ſchriften für die Redaktion ſind zu richten
an Karl Korn, Lindenſtraße 3, Berlin SW. 68
Eine katholiſche Sportzeitſchrift „Jugendkraft“ hat wegen des 8tri2I3
vorübergehend ihr Erſcheinen. eingeſtellt. Schon in die Volksichule
dringt unter Förderung der katholiſchen Lehrerſchaft die Bewegung
ein. Den Knaben de3 lekton Schuljahr8 wird als Wegweiſcr in den
Jünglings8vereinen die Wochenſchrift „Am Scheidewege“ in die Hand
gedrückt. Das allcs iſt aber bei wzitem nicht das geſamte geiſt'ge
Nüſtzeug. . Der Verlag des katholiſ<en Jugend-Generolſekretar'ats
hat biSher fünfzehn Hefte und Bücher über wichtige Jugendfragen
als Material für die katholiſchen Jugendführer erſcheimen laſſen.
Zwölf „Bunte Hefte“ ſind für die Jugend ſelbſt beſtimnit und follen
die jungen Leute im Sinne der katholiſchen Kirche, der <hriſtlichen
Gewerk) <aften und -- dies allerdings verſte>t =- der Zentrumsparteti
bearbeiten. Ein gegen die freie Jugendbewegung aerichtetes Mach-
werk „Aufgepaßt! Der Wolf kommt“, dur< das cin Mann namens
Wilhelm Weidener ſic< übel zurichtet, verunziert die ganze Sammni-
lung. Unter dem Titel „Wachtbücherei" erſchienen neuerdings
Scriften über ſoziale und wirtſchaftliche Frazzen. Einige Lieder-
bücher, Gedichtſammlungen, Predigten und ähnlich? Schriften ver-
vollſtändigen die Waffenſammlung. - '
Eine Auskunftsſtelle beantwortet den VoreinSle:torn jederzoit
alle Fragen, die den Stand der Jugendpflege und die praktiſche Ver-
einöarbeit betreffen. Eine Bücherei von 3000 Bänden und 260 Zeit-
ſchriften dient ebenfalls allen Mitarbeitern der katholiſchen Jugend-
bewegung unentgeltlich. Roligisöſe und weltliche Lehrgänge für die
Jührer aller Grade treten hinzu. Auch die Bearbeitung der Feld-
grauen wird nicht vergeſſen. An mehr als 600 Orten wurden Sol-
datenheime gegründet oder unterſtüßt. Mehr al3 2000 Kiſtc<hen mit
Büchern gingen ins Feld hinaus. Eine kleine Halbmonatsſchrift „Die
Heimat" bietet den Feldgeiſtlichen Stoff für Vorträge aus dom Bo-
reich der Jugendpflege. Nach dem Krieg ſoll in Düſſeldorf oin
großes VerbandsShaus erſtehen. Einſtweilen geht geräuſchwoll dor
Klingelbeutel um.
Das alles bietet goviß ſchon ein Bild regſter Arbeit und tätiaſter
Kampfbercitſchaft. Aber die Ueberſicht iſt bei weitem nicht vollſtan-
dig. Auch außerhalb des Organiſations8gebiets, das das, Generalſelre-
tariat der katholiſchen Jiüingling8vereinigungen beherrſcht, erſcheinen
noG Schwärme von Druckſchriften. Ferner ſind die Zeitungen der
Zentrumspart21 und der <hriſtlichen Gewerkſchaften in demſelban
Sinne bemüht, und ganze Kompagnien von Rednern und Predigern
- werben für die ſchwarze Schar.
Jugendheim? mietet und baut ſich die katholiſche Jugenddewse-
gung ſo zahlrei) und ſo prächtig, daß uns vom Teufel wirklich der
Neid ankommen kann. Wo Kirche, Staat und Gemeimde mit ihren
„reichen Mitteln zuſammenhelfen, geht es eben leichter, als wenn
Arbeitergroſchen und nichts als Arbeitergroichen jahraps, jahrein
zuſammengeſ<harrt werden müſſen. Wie nicht nur in Städton, ſon-
dern auc< in kleinen Gemeinven katholiſche Jugendheime erſteden,
dafür ein Beiſpiel: Altenbüren iſt ein Dorf von 600 Einwohnern in
Weſtfalen. Siedenzig katholiſche Jünglinge, ac<ßtzig katholiſche Jung-
frauen hat der Pfarrer um ſich, Die brauchen ein Jugenddheiit.
3000 Mk. ſpendet die königliche Regierung, das Paſtorat gibt das
Baugrundſtück, die Gemeinde das Bauholz, Freunde ſchenken das
ſonſtige Baumaterial, die Einwohner tun Spanndienſte umſonſt, die
Jugend. mauert und -- „klapp, ſtand das ganze Haus ſchon fertig
da.“ Mit Zimmern, Saal und Bühne. Haus und Einrichtung haben
einen Wert von 30 000 ML., in einem Neſt von 600 Einwohnern!
Und dieſe Leiſtung ift keine8wegs vereinzelt.
Auch in den einſt ſo ganz verborgen blühenden katholiſchen
Zungfrauenvereinen kehrt neues Leben ein. Auch ſie ſind zentral
organiſiert, und wenn auch noh nicht eine oberſte Leitung mit den