-16 Arbeiter-JugendD ,
Die Fabel, in der ſich die Ereigniſſe des Romans „Die eiſerne Ferſe“ (1908)
eniwickeln, iſt einfach. Die Tochter eines ſozial gerichteten Univerſitäisprofeſſors
wird durch die Einwirfung der geiſtigen, moraliſchen und natürlichen Kroft eines
Arbeiterführers allmählice) aus allen ihren TUuſjionen über das Weſen der beſiehen-
dein Geſellſchaft gerijjen. Selber zur Revolutionärin geworden, ausgeſtoßen wie der
Vater, heiratet ſie den Arbeiterführer, durchlebt mit ihm das legale und illegale
grauſame Daſein des Sozialiſten in Amerika von heulte bis zum (erdichteten) Aufs-
jtand der Kommune in Chikago 1918 und der ſchreälichen Niederlage. Damit bricht
ver Roman ab; insgejamt als eine Art Tagebuchaufzeichnung der Frau hingeſtellt.
Es wird nur noc revolutionärz? Weiterarbeit angedeutet. Das Schickſal der beiden
Hauvptporſonen bleibt im Zukunſftsdunkel, wenn auch ein ganz ſlüchtiger Hinweis auf
ihren ſpäteren gewaltjamen Tod erfolgt.
In diejem Rayinen entwickelt der Roman -=- auf amerikaniſchen Verhältniſſen
ſußen5 = aus Tatſachen und in Geſprächen die marxiſtiſche Theorie über
Den Kavpitalismms und die Geichichte als Geſchichte von Klaſſenkämpfen. Der Roman
ſteht im Gegenſatz zur ſogenannten „ſozialen“ Literatur und Dichtung des Bürger-
tums. Dieſe ſoziale Literatur beſtebi allermeiſt darin, daß die elenden Verhältniſſe
des Troletariais dargeſtelli werden und durch dieſe Darſtellung das Mitleid und die
Vernunit der Beſizenden und Herrſchenden wachgerufen werden ſoll. Ja London
fiagt ar'< an, rüdäſichtslofer als irgendein anderer, aber er verläßt ſich nicht auf die
Menſchenfreundiichfeit 1m3 Vernunſt der Bourgeoiſie, ſonvern er ſordert ven Kampf
der Kiaite zum Stiurz der alten Gofoliſchaſt, die ihre Macht freiwillig nicht preisgeben
wird. Zur Legründung Dieſer Forbverung werden die Grundlagen der kapitaliſti-
ſcyen Geſellſchaft und igre Gegenkräite im Proletariat vargeſteilt, die Klaſſen-
ſc<hicqtung im ganzen und wieder die Shichtungen innerhalb der Große?
bovrgeoijie, der einentlichen Horricherſchicht, innerhalb des Kleinbürgerlums und
innerbalb des Troletariats.
Nit außerſier Shärfe werden zumächſt die Vertreter der Staaiskirche onge-
griſfeit, die fanatijichen, robuliſtiſchen Philojovhen und bezahlten Stülßzen der Geſell»
ſchaft nicht minder wie die Gefühlvollen umd Empfinvſamen, die ſich ſelbſt belügen
uind, wenn es ernſt wird, zufammenbrecßen umd zermahlt werden. Evenſo räck-
ſichtslos verurteilt werden die bürgerlichen Kränzchen und Wohltätigkeiisvereini-
gungen, die im Grunde nur ſpielen mii dom ſurchtbaren Ernſt der ſozialen Frage,
vie fic) ſpiegeln wollen in ihrer Wohltätigkeit over ihr Gewiſſen betäuben. Was
Jak London über ſie bentkt, ſagt er mit den Worten des Romans: „Du haſt ſie nur
bei ihrer Moral angeiaizt. Wenn ſie nur dabei gepa>t werden, ſo füglen ſie ſich nur
um ſo ſeltſigefälliger wad erhabener. Zc<h aber will ihren Geldſak bedrohen. Das
wird fie in der Wurzel ivrer ureignen Natur erſchüttern.“
In Auseinanderjeßungen mit Kleinfabrikanten, Farmern und Kleingewerbe-
treibenden, mit Fabritdirelioren, Advoiaten, Gelehrten uſw., die immer eine be-
ſtimmie Schicht vertörpern, wird die gewaltige und dem Proletariat gefährliche
Macht bes Kapiialivcmus in wiriſchaſtlicher und geiſtiger Hinſicht auſgezeigt; ebenſo
in der Schiderung des Geiſteszuſtandes der amerikaniſchen Frau. An Werkmeiftern,
Invaliden, Gewerkſchafilern, Einzelarbeitern werden die Unterſchiede im Kiaſſen-
bewußtjein des Proletariats <arakteriſiert; hier ſcheiden ſich beſondors klaſſen»
bewußte Teile von einer Art halbkapitaliſtiſcher Arbeiterariſtokratie umd auch wieder
vom „Boik des Abgrunds", dem unklaren, dumpfen Lumvpenproletariat. Ein ſurcht-
bares Bild enthüllt Ja> London von der amerikaniſchen Preſſekorruption, von dem
widerliczen politiſcken Geheimbvienſt mit ſeinen Bütteln und Lock>ſpitzeln. Immer
wieder wird ausgeſprochen, daß nur Kampf um die Wacht, und nur der geſchloſſene,