Full text: Arbeiter-Jugend - 22.1930 (22)

 
Die TLlandzeitung 
eder „JTDas lange währt, wird gui“ 
„Vat ne einijermaßen knorke Gruppe is, die muß ne 
W andzeitung haben“, hatte Regimann vorm Dreivierteljahr 
in einer Mitgliederpersammlung gesagt, als Kulte unter 
Punkt „Verschiedenes“ die Frage auf geworfen hatte, „ob 
nodh jemand zu diesem Punkt das Wort haben möchte?“. 
Darauf ist Hummel auf gesStanden und hat gesagt: „Regi 
mann hat redht, daß wir eene Wandzeitung iebrauchen, 
Aber er wollte dom Sicherlicza nich Sagen, daß unsger? 
Gruppe heute ohne Wandzeitung nich knorke is, wir 
müssen bloß nodh knorker werden.“ Und dann hatie er 
auf die von Zeit zu Zeit in der Gruppe erscheinende „Heim- 
zeilung“ hingewiesen, in der ja unsere „Sdchriftsteller, die 
zehn Sätze hintereinander mit der, die oder das anfangen, 
hinreichend bekannt geworden sind', die Sicherlicm ein 
kleiner Ersatz für die bisher fehlende Wandzeitung war. 
„Die „Heimzeitung“ hatte nur den einen Fehler, daß Sie 
unter der Faulheit ihrer Mitarbeiter und der Langsamkeit 
der FederhalterrotationsmaSchine unseres Redakteurs zu 
leiden hat“, erklärte er unter dem Gelächter der Jugend- 
genossen. Dann ging er auf die Vorzüge der JW andzeitung 
ein und machte einige Vorschläge über die Ausgestaltung 
derseiben und Schloß vorausahnend: „Voraussetzung für 
die Durchführung unserer Pläne ist die Beshaffung des 
Wichtigsten an einer Wandzeitung, nämlich des Wand- 
breites.“ 
Alle waren mit dem Vorschlag einverstanden und man 
ging nun daran. über die Besnaffung des Wandbrettes zu 
reden. Der KasSierer mußte über den Kassenbestand Auf- 
klärung geben. Er hatte „nur 12 Mark in der Kasse“ und 
wehrte Sich mit allen Mitteln, diesen „eisernen Besland' 
anzureißen. Aber Kutte, der Vorsitzende, Sagie einfa": 
„Det Jeld is da zum ausjeben.“ Die „Holzwürmer“ mußtein 
nun einen „Kostenanschlag“ machen, wobei unser KasSierer 
bald zu Schwiizen anfing. Auf fünf Mark Unkosten Sollie 
Sich die ganze Sache bei Selbstlierstfellung Stellen, erklärten 
unsere Tisanlerlehrlinge und Fritze, der Kasszierer, erklärte 
rundweg: „Zuvbiel! Fünf Mark von zmwölfe, wo Soll'n da 
unsere Kasse hinkommen?" Da Sprang einer der Holz- 
würmer auj und Sagte: „Ick werde versudhen, ob mir unser 
Oller det Holz Schenkt; dann kostet uns die janze Kisle 
jarnichts.“ Da lächelte Fritz wieder und aimete ordenilidh 
auf. denn er hatte doch Seinen Kassenbesland gerettet. 
Und Hummel rief dazwischen: „Na jut, übertragen wir 
Paul'n, der den niedrigsten Kostenanschlag jemadht hat, 
die Ausführung des Projekts.“ 
Damit war man am Ende der Mitgliederversammlung 
angelangt, und da es unterdessen auch halb zehn Uhr ge- 
worden war, ging man lustig Schwatzend nach Hause. 
Unsere „Holzwürmer“ aber, mit Paul in der Mitte, 
Standen nodh lange bei „Cafe Achteck (Für Herren)“ an der 
Ecke und redeten über die Gestaltung der Wandzeitung. 
Größe, Holzart und Farbe der Beize waren Gegenstand der 
Unterhaltung und Franz, unser Elektromonteur, Stellte Sich 
dazwischen und mächte den Vorschlag, die Wandzeitung 
SO zu bauen, daſß man unter einem dacharligen Vorsprung 
eine Soffittenlampe anbringen kann, um auf diese Art das 
Breit zu beleuchten. Sein Vorschlag fand Sofort Gegenliebe. 
Hummel, der einige Zeit auch dabeisland, dem das Gerede 
aber bald zuobiel murde, verabsdriedete Sich mit den Worten: 
„Menschenskinder, det muß ja een ordentlichet Kunsiwerk 
werden.“ 
Als Paul nach Hause kam, war es bereits halb elf Uhr. 
Und trotzdem er 50 leise wie möglich in die Wohnung ein- 
trat. war die Mutter dom: erwadht und rief: „Na, nun 
wird's aber Zeit!“ 
Am andern Morgen konnte er natürlich nicht aus dem 
Beit heraus und erst als die Mutter anfing zu Schimpfen, 
wurde er richtig wach, und: Sofort waren Seine Gedanken 
bei der Wandzeitung. Auf dem Wege zur Arbeitsstelle 
überlegle er, wie er den Chef der kleinen Tischlerei um das 
nölige "Holz bitten könne, und wäs er ihm Sagen wolle, zu 
was er es brauche. Unmöglich konnte er Sagen, daß er eine 
Wandzeitung bauen will. Bei diesen Gedanken kam ihm 
der Weg 80 piel kürzer vor als gewöhnlich. Ehe er Sich recht 
bersah. war er an Seiner Arbeitsstelle angelangt. Und nun 
ARBEITER-SUGEND NR. 1 
hieß es für ihn, Gedanken zusammenzunenmen und auf- 
gepaßt. 
Dod 80 Sehr er Sich auch auf Seine Arbeit konzentrierte, 
immer wieder kamen die Gedanken an die Wandzeitung 
zum Durchbruch. Wie den Chef um das Holz bitten? Was 
Sollte er ihm Sagen, zu was er es brauche? Vielerlei Ge- 
danken maren ihm Schon gekommen. Stiller Portier, An- 
Schlagbrett für Plakate, damit nicht immer die Wände des 
Hauses, in dem Sie die Portierstelle innehatten, beklebt 
wurden, die er 80 oflimals reinigen mußte. Oder für die 
Reparatur eines Möbelslückes. Doch all das gefiel ihm 
nicht, weShalb er diese Gedanken wieder verwarf. Und als 
der Chef am Vormittag das erstemal durch den Betrieb 
ging, Sagte Sim Paul: „Nachmittag ist ja auch noch Ge- 
legenheit. es zu Sagen.“ Und nachmittags -- verschob er es 
wieder auf den andern Tag. „Es war ja doch gar nicht 50 
Sehr eilig, dachte Paul, um die Selbstvorwürfe zu ent- 
kräften 
Und am nädchsien Tage war es wieder dasselbe. So geriet 
denn die Wandzeitung langsam in VergesSsenheit, bis ihn 
Hummel nach einem Monat ungefähr daran erinnerte und 
Paul Sich vornahm, am andern Tage mit Mut Seine Bitte 
an den Chef zu richten. Doch am folgenden Tage kam cs 
ihm 80 vor, als ob der Chef Schlechte Laune hatte und 350 
Derschob er Sein Vorhaben wieder. 
So vergingen annähernd drei Monaie. 
perulkte man unsern Paul Schon mit 
Zeitung“. 
Da faßte er zich denn dodh eines Tages Hui und Stand 
mit rotem Gesicht vor dem Chef und Stammelte elwas von 
ein paar Brettern, die er haben mödhte. Der runzelte erst 
die Stirn. Sah dann in Pauls vor Verlegenheit rotes Gesicht 
und lächelnd antwortete er dann: „Na meinetwegen. Die 
Hauptsache ist, du nimmst nicht die ganze Bude mit.“ 
Paul war damit ein Stein vom Herzen geſallen. Das 
Schwierigste hatte er hinter Sich. Dodh nodh war die Wand- 
zeitung nicht fertig. Da mußten erst mal die Bretier in 
der richtigen Größe geschnitten und 30 hergerichtet werden. 
daß Sie zusammen gefügt, das Wandbrett ergeben Konnten. 
Und das war Schwieriger, als er es Sicm vorgestellt hatte: 
denn an die Sägemaschine kam er nur mit S&:wierigkeiten 
heran und 380 bat er denn einen Gegellen, daſß er ihm die 
Bretter zuschneiden möge. Der versprach ihm. es bei Ge- 
legenheit zu tun. 
Darüber verging dann wieder längere Zeit, bis Paul eines 
Tages beobachtete, wie der Geselle Bretter zusdqhnitt, die für 
die Wandzeitung die richtige Größe nhatien, und als er dem 
Gesellen gegenüber Seire Bitte wiederholte, war der Sofort 
bereit, Seinen Wunsdh zu erfüllen. So waren für Pau! end- 
lich die größten Saiwierigkeilen überwunden. Denn nun 
hing es nur noch von ihm ab, wann sein IWWerk fertig im 
Jugendheim hängen Konnte, 
In der Gruppe glaubte Schon kein 3lensdh meir an die 
Wandzeitung. 
Da mit einemmal war die Wandzeitung Gegenstand der 
Beratungen der Vorstandssitzung. Einsftimmig wurde das 
Geld für den Beleuchtungskörper bewilligt. Selbst unser 
Kasgierer Stimmice ausnahmsweise einmal für diese AuS8- 
gabe. Hummel aber fragte boshaft unsern Paul, ob denn 
die Wandzeitung diesmal auch wirklich fertig werde. Der 
wollte darauf die Schwierigkeiten, die er hatte, klarlegen. 
Dod:i Hummel bemerkte wieder witzig. daß die Ferz6ge- 
rung der Fertigstellung der Wandzeitung kein JI under Sei. 
denn das dicke Brett wollte Sicherlim nicht durdi die 
Rotationsmaschine gehen. 
Franz brachte die Diskussion wieder auf ein ernstes Ge- 
biet, indem er vorsdqhlug, als Thema für die erste Wand- 
zeitung „Das Gesidl:t der Tagespresse“ zu wählen. und er- 
klärte, daſß wir an einem Abend verscdhiedene Zeitun gen 
kaufen wollten, deren Bilder, Uebersdhriften und teilweise 
auch Texte wir dazu verwenden wollten. unter Hinzu- 
fügung eigener Texte die Art der verschiedenen Zeitungen 
zu zeigen. Alle Stimmten dem Vorsdilag zu. 
Nicht lange dauerle es dann nach dieser Sitzung. und das 
Wandbrett hing an dem dazu bestimmten Platz. "Dodti eine 
letzte Sqwierigkeit Sollle Sich nodi bei der Anbringung 
der Beleuchtung ergeben: die Lichtleitung versagte. Dieses 
letzte Hemmnis wurde aber auch nochn überwunden. 
Drei Vierteljahr hatte 80 die Fertigstell ung der Wand- 
zeitung gedauert. Aber das Sprichwort „Vas Tan ge währt, 
wird gut“ trifft darauf zu. k. b. 
In der Gruppe 
„der IFand ohne 
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