Ich habe einen Tonfilm geschrieben. „Pony boy“ heißt
er. Er handelt nämlich von einem kleinen Jungen, der hängt
So furchtbar an dem Pony, das ihm Sein Großvater ge“
Schenkt hat, und die Geschichte ist Schrecklich rührend.
Kirchweihnudeln und Filme werden mit Schmalz gebacken,
wenigstens Steht das So im Hollywooder Kochbuch. Für
deutsche. Mägen ist Sogar viel zuviel Schmalz in dieser
Hollywooder Kost, aber wir kennen doch den Nüchel, was
aus dem Ausland Kommt, das frißt er begeistert. Und da
hab ich halt meinen Film auch nach diesem Rezept ge
backen.
Sowas Ergreifendes war überhaupt noch nicht da! Erst
wird das Pony krank, dann wird der Boy krank, dann wird
der Vater krank, dann wird der Großvater krank, dann wird
die FilmgesSellschaft krank, dann werden die Vorführungs-
theater krank, und bei jeder Krankheit wird das Lied „Pony
boy“ gesungen, Schluchzend, Schmelzend. Die Leute im
Parkett werden die RegenSchirme aufspannen müssen, damit
ihnen die Tränen des Rangpublikums nicht die Frisur zer“
tröpfeln. In meinem „Pony boy“ wird Soviel geheult wer»
den, daß wir nach Filmschluß den BeSuchern das GesSicht
mit Föhn abtrocknen müssSen, und die Eintrittskarten werden
auf LöSchpapier gedruckt, zum Tränen-Abtupfen. Bei der
Aufnahme mußte die Filmdiva den rechten Schuh ausziehen,
weil Sich Sogar ihr Hühnerauge mit Iränen gefüllt hatte.
Natürlich lasse ich das Lied vom „Pony boy“ auf Englisch
Singen, denn wenn kein Mensch ein Wort vom Text versteht,
dann iSt es noch viel erschütternder.
„Wirkt es nicht ergreifend?“ fragte ich meinen Freund
Fritzl, als ich ihm das Manuskript vorgelesen hatte.
„Ergreifend ist gar kein Ausdruck!“ wimmerte er. „Sogar
fluchtergreifend!“
EZ ARBEITER-SUGEND NR.Y117
EEE
Natürlich hatte ich zur Bedingung gemacht, daß ich Selbst
Regie führe. Ich werde mir doch nicht von einem fremden
RegisSeur meine herrliche Idee verpatzen lassen. Die Film»
regisseure Sind mir viel zu eigenmächtig, ich kenne das
doch: Wenn ich vorschreibe „Großaufnahme des Pony
Schwanzes“, dann Streicht mir's So ein Kafier womöglich,
und der ganze Aktschluß ist beim Teufel. Nein, Selber iSt
der Mann.
Die Hauptsache bei einem Tonfilm ist, daß man recht viel
Geräusche hineinbringt. Das haben die Kinder So gerne.
Na, an Geräuschen war bei mir kein Mangel! Im ersten
Akt ließ ich den Pony boy eine Tüte zerknallen, der Groß-
vater durfte Sich grundsätzlich nur auf quietschende Stühle
Setzen, den Intriganten ließ ich im zweiten Akt dem Pony
eine Knallerbse unter den Schwanz Stecken (riesig Spannend,
bis die endlich losgeht!), die Großmutter ließ ich am
Schluckauf leiden, und ans Krankenbett des Pony boy
Stellte ich einen Papagei, der plötzlich in der Schlußszene
das Lied von Pony boy zu Singen anfängt. „Wer da nicht
loSheult Stein und Bein, verdienet nicht ein Mensch zu
Sein!“ heißt es in der Zauberflöte, oder So ännlich.
Die Proben unter meiner Regie verliefen glänzend. Die
Diva fiel nur viermal in Ohnmacht (ihr Mindestmaß ist
Sonst Sechs), die Komparsen traten nur dreimal in den Streik,
der Intrigant erklärte nur fünfmal, SO ein Kamel wie ich
Sei ihm noch nicht vorgekommen (Sonst denkt er das nur,
aber es war ja ein Sprechfilm), der Pony boy Schoß mir
mit dem Blasrohr eine Stecknadel in die Nase, der Papagei
biß mich in den Daumen, das Pony Schlug mir mit dem
linken Hinterbein ein Andenken in den Leib, Kunst bleibt
eben Kunst.
Und dann kam der große Augenblick, da wir den Ton»
fim im Hauskino der FilmgesSellschaft uns Selbst vorführten,
erStens, um uns an unserem eigenen Genie zu berauschen,
und zweitens, um etwaige Längen herauszuschneiden. Für
das Herausschneiden hat die FilmgeSellschaft einen eigenen
Fachmann, der drückte mir in der Nitte des Films die Hand
und Sagte: „Die Ueberschriit und das Personenverzeichnis
können bleiben!“
Nämlich -- nun ja, man Kann nicht an alles denken --
Schließlich muß einem doch Sowas gesagt werden -- zumal
ich ausdrücklich betont hatte, ich lasse mir von niemanden
hineinreden -- der Aufnahmeraum war nicht ganz Schall
dicht gewesen.
Gleich in der ersten Szene, wo der Boy das Pony ge
Schenkt kriegt und vor Freude in die Hände kKlatscht (ein
wundervolles Geräusch!) und in Seiner Kindlichen Art das
Pony fragt: „Wie alt bist du? , ertönte die Antwort:
„DreiBig -- SechSsunddreißig -- vierzig -- Siebenundvierzig
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