Full text: Arbeiter-Jugend - 22.1930 (22)

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KRRBEITER-SUGEND NR. 1 
Die jeizte Schmuggilerjahrt 
Bußtag: Schmugglerfahrt nach Edernförde. 
Vorjahre, : 80 liefen auh diesmal zahlreim:ie An- 
meldungen zur Teiinahme ein. Im Vorjahre fand die 
Schmugglerfahrt bei hefligem Sdqumecegestöber Statt, In 
diesem Jahre wäre es bald eine Regenlour geworden. Am 
Bußtagmorgen helles, klares Wetter, gule Stimmung unter 
den 159 Teilnehmern, die Sich pünktlich 8 Uhr am Gewerk- 
Shaftshaus eingefunden hatten. Die Formalitäten Sind 
Schnell erledigt, das Schmugglergut Sorgfällig oerstaut, 
dann kann es ja losgehen, hinein in den herrlichen Morgen 
Unser Auto muß Schwer arbeiten. denn dicht gedrängt 
füllen die Teilnehmer das Aulos und den Anhänger, Nach 
einem kurzen Absieher durch die Arbeiterviertel, gehl's 
mil erhöhter Geschwindigkeit auf der Chaussee dem Ziele 
zu. Fröhliche Wanderlieder klingen in den Morgen hinaus, 
die roten Fahnen wehen. 
Hinter Gettorf, bei Rotenslein, vberlassen die Schmuggler, 
30 an der Zahl, mii dem Schmugglergut das Auto. Unser 
Photoapparat tritt in Tätigkeit, und dann rollen die Zöllner 
auf dem Auto dem Grünen Jäger zu. Die Schmuggler er- 
halten ihre Armbinden und die Kuchenpakete. Die Parole 
wird pon Mund zu Mund weitergegeben. Kein Zöllner darf 
Sie WwisSen. Die Schmuggler Setzen Sich in Bewegung und 
pDerfeilen Sim auf das Gelände links und rechts von der 
Chaussee. Es wird mit der größten Vorsimt Stück für 
Stück des Weges zurückgelegt. Immer unter Deckung der 
Grenze zu. Nodh Sind keine Zöllner zu Sehen und Schon hat 
eine Schmu gglerbande die OSstscee erreicht. Im Sdqhutze des 
Ufergestrüpps Sdhleicmen Sie hart an die Grenze heran. 
Signal -- Sie Sind entdeckt, doh Sdhon lenki die zweite 
Gruppe die Aufmerksamkeit auf Sim und vier Schmuggler 
Sind mit der Tiälfle des Schmuggler gutes in Sicherheit. Die 
zweite Gruppe muß Volldampf aufsetzen, denn Sie isl Schon 
Dollständig umzin gell, nur die OStsce isl noch frei. Dod 
bei dieser Temperatur ein Bad zu nehmen?! Also lieber 
DOTaus. Es glückt, durm: Seetang und Lehmkuhlen über die 
Grenze zu kommen. Dodh im Hoheitsgebiel nahl das Ver- 
hän gnis, und viele Hunde Sind des Hasen Tod. In einem 
Dornenknick wird der Sdhmuggler überwälligt, das 
Scimugglergut beschlagnahmt. Künstlerpemh! Erleichtert 
macht Sich der Schmuggler auf den Weg zum Sammelplatz. 
Jelzt hat er Zeit, den Zöllnern oline Gefahr die Suppe zu 
perSalzen, und drei weitere Schmuggler kommen un- 
behinderi ans Ziel. : 
Unierwegs treffen Sich dann noch mehrere „gesdheiterte 
FE. xistenzen“, und jetzt wird eifrig um Recht oder Unrecht 
der irerhaflun gen diskutliert,. Um 12% Uhr ist der größte 
Teil am Sammelplatz, dem Altenhofer Bahnhof. Ohne 
Sqcirammen und olme Flicken ist die Sache denn doch nicht 
abgegangen. Aber die Stimmung unter den Zöllnern und 
Schmugglern ist glänzend, denn die Beuie Soll ja gemein- 
Sam verzehrt werden. Rief da nicht einer „Korruption“? 
In geschlossenem Zug marsdhieren die Teilnehmer durch 
Eckernförde zum Gewerksdhaftshaus in Borby. Dort fand 
die Shmugglerjagd mit einer gemeinsamen Kaffeeiafel 
ihren Abschluß. Der vom Konsumvoerein geslifiete Kuchen 
fand Sehr gulen Absalz. Dazu gab es einige Tassen guten 
Kalijee. und das körperliche Gleichgewicht war wieder her- 
gestellt. Zwei Jugendgenossen erfreuten durch einige 
Mandolinen- und Tautenvorträge, Ein gemeinsames Lied 
Schloß den offiziellen Teil, - 
 
Wie im 
 
 
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Einige Genossen machten nodh einen Spaziergang durch 
Borby, eine andere Gruppe unterhielt Sich mit Spiel und 
Gesang. So verging auch der Nachmittag in guter Stim- 
mung. Punkt 1? Uhr wurde Antreten geblasen. Mit einem 
dreifachen Frei Heil nahmen wir Absdhied von den gaäst- 
freundlicien Edkernfördern und dann ging die Fahrt in 
dämmerndem Abend der Heimat zu. Mit viel Gesang und 
Hallo legten wir den Weg zurück. Die überaus gut ge- 
lungene Veranstalilung war der Absdhied von den gemein- 
Samen Wanderungen des Jahres 1929. 
Aus der Jugendbeilage der Kieler „Folkszeitung“. 
Sowietlumaor 
Im Clubkino wurde nadh Vorführung des Dramas „Der 
Sies des Weines“ die Wochenshau abgerollt. Alle mög- 
lichen Sporltkämpfe zogen vborüber, die Ankunft und Ab- . 
fahrt der türkischen Gesandien und endlid; der Demon- 
Strationszug vom letzten FPesttag. 
Plötzlich ließ Sich in den Reihen der Zuschauer Getrampel 
vernehmen, Pfeifen und Gesdhrei. 
„Ih, eh, eh, ihr Teufelsvolk dreht ja die vorjährige 
Demonstralion! In der Meinung, das Bild Sei aus dem 
Rahmen geglitten oder nicht hell genug beleuchtet, Schaute 
der Kinolechniker durd:is kleine Fenster. 
„Na ja. der vorjährige Feslzug! Bei Gott ist es wahr. 
Halt, der Kinoleiter Sol! kommen.“ 
Der Kinoleiler kam, madil6 Licht und begann zu er- 
klären, wie es gekommen war. Der Kinoleiter wollte erst 
leugnen, dann gab er es auf und gesland: 
„Ganz recht, es isSl die vorjährige Demonstration. Es 
handelt Simh um folgendes. Die Chronik kommt mit ge- 
mwaliiger Verspätung heraus. Wird der 1. Mai gekurbeit, 
S0 gelangt er genau im Oktober zur Aufführung . . . Des- 
halb haben wir besdhlossen, uns mit der alten Chronik zu 
behelfen. Doch 8agt, Genossen, wie Seid Ihr dahinter ge- 
kommen? Alle Demonstrationen gleichen doch einander 
jahraus, jahrein, Wie im vorigen Jahre, 80 fährt ja auch 
in diesem an der Spitze des Zuges das Lastauto mit den 
Kindern, dann das Lastauto mit der Strohpuppe Chaimber- 
Tains. dann kommt das Voik mit den Fannen usw., usw.... 
Es ist halt alles Schablone . . .“ 
„Hör mal, mach das Licht aus, dein Gawrila Sol! ad- 
rollen und an dieser Sielle halt machen,“ 
Gawrila begann abzurollen. 
„Hali! Nun ist's grade recht. Die Troizki-Brücke.“ 
Der Film wird zum Stehen gebracht, und das Volk be- 
gann Seine Erklärung zu geben, wie vor einer laterna 
magica, 
„Schau mal. dort gehe ich. Iman Seripoloff in der zweiten 
Reihe mit Seiner Frau. Agaſffa Blokina, Seht ihr es?“ 
„Vir sehen es.“ | 
„Nun, es ist Schon drei Monate Rer, daß im midh von ihr 
gelrennt, und Manja Korkina geheiratet habe. Es ist ganz 
augenscqheinlich das bergan gene Jahr.“ 
„Und ich“, Sagte ein anderer, „gehe dort im windigen 
Mäntelchen ohne Kragen, und dieses Jahr irug ich einen 
neuen Pelz mit einem Kragen aus gegerblem Lammfell.“ 
„Und dort isf Tanie Masdia ohne Kinddhen, und in 
diesem Jahr trug Sie ja den Kimka auf dem Arme.“ 
„Damals war er noch gar nicht auf der Welt.“ 
Und 80 begannen die Zusqmiauer einer nach dem ändern 
alle Kennzeichen aufzuzählen, durd:i die zie Sich vom 
vorigen Jahre untersdhieden. WI. Toboljak.
	        
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