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Düsseldorf
ARBEITER-ZUGEND NR. 12 NNEN IINIIANIIIIIIIE
SYGENDIN NOT u
Ein Lehrling zu 1 Tode geprügelt
Ueber eine Lehrlingstragödie in Erfurt- Nord, die den
Verlust eines jungen Menschenlebens zur Folge hatte, be-
richtet die Erfurter „Tribüne“: Der in der Salinenstraße 91
wohnhafte Bäckermeister John beschäftigt in Seinem
Bäckereibetrieb zwei Lehrlinge, von denen der im zweiten
Lehrjahr Stehende eines Abends gegen. 16.30 Uhr nach Hauze
kam und, da ihm der Meister keinen Hausschlügsgel gab,
durchs Fenster einstieg. Dieses Späte Nachhausekommen
war dem Meister Grund genug, „Seinen Lehrling am an»
deren Morgen auf die brutalste Art und Weise zu miß-
handeln, indem er den wehrlosen Lehrling mit «dem Kappel
bearbeitete, noch“bevor dieser aus dem Bett gestiegen war.
Trotzdem der So mißhandelte Lehrling kamm noch Seine
Arbeit verrichten konnte, mußte er noch Brötchen aus-
tragen, und das bei 39 Grad Fieber!
noch Schleppen konnte, wagte er Sich zum Arzt. Sein Zu
Stand war Jedoch bereits So Schlimm, daß der Arzt ihn ins
Krankenhaus überwies, wo er dann verstarb.
Der Lehrling, der durch die andauernden Tätlichkeiten
Seines Meisters eingeSchüchtert war, hatte Seiner Mutter
nichts von Seinem Leid gesagt. Erst durch die Aeußer ungen
des anderen bei John beschäftigten Lehrlings wurde man
aufmerksam und leitete eine Untersuchung ein, die nun vor
aller Oeffentlichkeit das Martyrium jenes jungen Menschen
aufzeigen wird.
jeder neunte jugendliche iSt erwerbslos
Von der Arbeitslosigkeit, die immer noch Steigt und deren
Ende nicht abzusehen iSt, wird in hohem Maße auch die
Jugend direkt betroffen. 'Nach den Viertelſahresberichten
der Reichksanstalt für Arbeitsvermittlung und 'Arbeitslosen
versicherung wurden am 15. Juli 1930 gezählt:
Hauptunterstützungsempfänger männlich weiblich
bis 18 Jahre , . «+... 32 973 14 483
H. der GeSsamtzahl der U.-E.. . 29 4,5
"über 18--21 Jahre . . . . 142 635 41394
-, H. der Gesamtzahl der U. E.. . 124 12,2
über 21--25 Jahre . . . 197278 64011
H. der Gesamtzahl der WB. 17,2 20,1
Nach dem Bericht beträgt der Anteil der Jugendlichen
unter 21 Jahren an der Gesamtzahl der Hauptunterstützungs-
empfänger: männlich 15,3 v. H., weiblich 17,3 v. H. Auf diese
Weise wurden rund 231 500 erwerbslose Jugendliche als
Hauptunterstützungsempfänger festgestellt. Nun gibt es
aber durch die Binschränkungen, die in der Unter-
Stützung für die erwerbslose Jugend bestehen (nach den
'Bestimmung en der Notver ordnungen vom. 26... Juli 1930
wurde der Paragraph 87 des Gesetzes über Arbeitsvermitt-»
Jung und Ärbeitslosenversicherung [AVAVG.], der die Vor-
aussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslogenunterstützung
umreißt, dahingehend geändert, daß Arbeitslose, die das
i7. Lebensjahr "noch nicht vollendet haben, nur dann An-
Spruch auf Unterstützung haben, wenn ihnen kein familien-
rechtlicher Unterhaltungsanspruch zusteht, und das ist nach
der geltenden. RechtsauffasSgung die große Mehrheit; bereits
durch die Novelle vom 12. Dezember 1929 wurden die unter
21 Jahre alten Erwerbslosen aus der KriSsenfürsorge aus-
geschloSSen), viel mehr jugendliche Arbeitslose, als Sie von
der ReichSsanstalt gezählt werden, Ihre tatSächliche Zahl
läßt Sich nur an Stichproben Schätzungsweise ſeststellen. -
Eine Solche Probe ist vom Landesarbeitsamt der Rhein-
provinz gemacht worden. Am 15. Juli 1930 wurden arbeit-
Suchende Jugendliche IM Alter von 14 bis 21 Jahren fezt-
gestellt:
Erwerbslose Jugendliche im Alter von
' 14--21 Jahren
Regierungsbezirke
männlich weiblich zuSammen
23 211 10875 34086
Köin . . 5 883 2344 8 227
"Aachen - . 3 068 2654 5122
Koblenz 2136 449 2585
Trier . 2433 1466 3 899
insgesamt 36 731 17188 53 919
Erst als er Sich kaum
Das Landesarbeitsamt der Rheinprovinz rechnet nach
diesen Erhebungen in Seinem Bezirk mit einer Gesamtzanl
von 60 000 arbeitslosgen Jugendlichen. Für den Regierungs-
bezirk Düsseldorf wurde das Zählergebnis in einen Vergleich
zur Zahl der Jugendlichen überhaupt geSetzt. Man rechnet
nach diesen gewisSenhaften Feststellungen damit, daß in
DüssSeldorf 8 v. H. der Jugendlichen überhaupt -- also nicht
allein der erwerbstätigen Jugendlichen --- erwerbslos Sind.
Das deckt Sich mit einer Angabe auf einer Aussprache des
LandesSausschusses Sachsen der Jugendverbände, wonach in
Sachsen jeder zehnte Jugendliche erwerbslos ist. Man kann
also 8 bis 10 v. H. als Meßzahl für das Allgemeinbild der
Arbeitslosigkeit der Jugendlichen annehmen. Die Zahl der
erwerbsfähigen Jugendlichen im Alter von 14 bis 21 Jahren
in Deutschland beträgt etwa 8,5 Millionen. Die Meßzahi
8 v. H. zugrunde gelegt, ergäbe eine runde Zahl von
680 0600 erwerbslosen Jugendlichen. Wenn man ferner
annimmt, daß etwa 75 v. H. der Jugendlichen (einschließ-
lich der Lehrlinge und in Beachtung einer höheren Zahl der
männlichen vor den weiblichen Jugendlichen) normalerweise
erwerbstätig Sind, So ergeben diese Berechnungen die Wahr-
Scheinlichkeit, daß 11 v. H. der erwerbstätig en
Jugend, also jeder neunte Arbeiterjugend-
liche ohne BesSchäftigung und Einkommen €(ist.
Diese Angaben, die wir einem Artikel von Erwin Niffka
in der „Germania“ entnehmen, Sind ein Warnungssignal.
Wenn irgendwo die Erwerbslosigkeit nicht nur materiell,
Sondern auch geistig und moralisch verheerend wirkt, dann
vnter der Jug end. Alle verantwortungsbewußten Kräfte
Sollten darum zusammenarbeiten an den Möglichkeiten der
Arbeitsbeschaffung gerade für die Jugend. Die Arbeits-
dienstpflicht, wie Sie von der Wirtschaftspartei, den Deutsch-
nationalen und Nationalsozialisten propagiert- wird, rechnet
unserer AuffasSung nach nicht dazu. Das Sei ausdrück-
lich festgestellt. Das Warum iSt auf diesen Seiten aus
tührlich Behandelt worden.
Nette | Früchtchen. am Hitlerstamm
In Frankfurt a. M. wurde der Vorzitzende unsere
Ortsgruppe, der Genosse Ernst Langendorf, am 10. Novem-
ber von zehn Nazirowdys überfallen. Der Genosse L. wurd2
von hinten zu Boden gerissen und So heftig ins
GesSicht getreten, daß er das Bewußtsein verlor.
Dem wehrlos am Boden Liegenden versetzten die Hitler- -
bestien nech mehrere Fußtritte, von denen einer dem Ge-
RGSSen L. das Nagenbein brach. Genosse Langendorf mußte
im Krankenhaus operiert werden. Glücklicherweise gelang
es, die beiden Hauptschuldigen, den 20jährigen Schlosser
Max Hahn und den gleichaltrigen Helmut Enrnst, fest-
zunehmen. Hahn ist derjenige, der den Genossen L. ins
Gesicht trat. Er war in Nazikleidung. Der andere „Held“
ist den Gerichten nicht uribekannt: Ernst iSt wegen Dieb-
Stahls mit einer Woche Gefängnis vor dem Jugendgericht
im Jahre 1927 bestraft worden. Weil er ein Mädchen
geschlagen war er wegen Mißhandlungen angeklagt.
-MNlit Rücksicht auf Seine Jugend erhielt er Kierbei nur eine
richterliche Verwarnung.
Auf der Reise zu einem Funktionärkursgus der Pfälzer in
- Neustadt a. d. H. hat der Genosse Fritz List im Auftrag des
Hauptvorstandes den Genossen Langendorf im Kr ankenhaus
besucht. Fritz List berichtet darüber folgendes: Der
Pförtner vom Städtischen Krankenhaus. in Frankfurt braucht
nicht erst in dicken Büchern nachzuschlagen, er weiß es
S0: Abteiling 63. Aber Ernst Langendorf liegt allein in
einem Zimmer! Das. ist in Krankenanstalten meist kein
gutes Z eichen. Ernst Sieht Schlecht aus, aber er lächelt
und freut Sich: „Ei jo, Sogar Besuch aus Berlin. Freund-
Schaft!“ --- „Freundschaft, Ernst! Ja, und zwar ganz
offiziell für den Hauptvorstand. -- Weißt Ernst, ich freue
mich, daß ich nach Berlin Schreiben kann, daß es dir Schon
wieder besser geht!“ Sein von den Stiefelabsätzen der
Nazi eingetretenes Nasenbein ist wieder gerade gerichtet,
und auch die anderen Verletzungen am Kopf und Körper
Sind Schnell geheilt. Aber an der Gehirnerschütterung hat
Ernst noch zu leiden.