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Stätte gehabt batte
'ARBEITER-AUGEND NR. 12 keien
brot. Es war ein Abendbrot mit Musik, aber nicht mit alter
Volksmusgik, die in diesem Haus Sicher einmal eine Heim
Sondern das Grammophon Spielte
„O, Donna Klara“ auf deuisch.
Sofia Selbst ist eine Stadt mit 220000 Einwohnern und
bietet im Zentrum das Bild einer europäischen Stadt. Vor
allem Sind einige neue Bauten in Sehr Schöner, moderner
Architektur ausgeführt. In den Tagen meines Aufenthalts
war die Stadt von einem Reinigungsfieber befallen.. Die
Stadtverwaltung batte allen Hausbesitzern aufgegeben, ihr
-Straßenpflaster in Ordnung zu bringen, da wenige lage
Später der feierliche Einzug des bulgariSchen Königs mit
Seiner Frau, einer italieniSschen PrinzesSin, Stattfinden Sollte.
Ueberall wurde ausgebessert und gepinselt, Selbst am Sonn
tag berrschte große Geschäftigkeit.
begegneten wir Iruppen von Arbeitsdienstpflichtigen -- in
Bulgarien besteht die Arbeitsdienstpflicht --, die den Auf
trag hatten, Grün zur Schmückung der Straßen und Häuser
In die Stadt zu holen.
Doch ich wollte ja von der Balkankonferenz Pe
richten. Sie fand Statt unter Teilnahme der Mitglieder des
Zentralkomitees der bulgarischen Organisation und von
Vertretern der Parteien in Bulgarien und Rumänien. Bul-
garien hat den besten Verband auf dem Balkan. Er arbeitet
Planmäßig. Seine führenden Mitglieder Stehen in einem
regen geistigen Kontakt mit den Jugendverbänden Mittel-
europas, und Seine Mitgliederbewegung ist befriedigend. In
Rumänien ist kürzlich ein Jugendverband gegründet wor
dzn, und dort wird es nach dieser Konferenz noch besser
vorwärtsgehen als bisher. Bulgarien und Rumänien werden
vorläufig die Stützpunkte unserer Arbeit dort unten Sein;
denn in Griechenland gibt es nur eine Schwache Partei, die
SeIbsSt noch Schwer zu kämpfen bat, und in Jugoslawien
berrscht die Diktatur, die alles, was SozialisStiSch ist, unter
drückt. Das ist zunächst nicht viel, aber die ZuSammen»-
kunft bat doch eine Starke Hotfnung für die Zukunft ge
geben. Unter den dort arbeitenden GenossSen lebt der ernste
Wile, mit der Bewegung in Mitteleuropa Schritt zu halten
und trotz aller Schwierigkeiten die Ideen des Sozialismus
unter der Jugend zu verbreiten. Was das im einzelnen
beißt, können bei uns vielleicht nur jene Funktionäre er»
mesSSen, die in erzkatholischen Gegenden arbeiten und dort
erleben, was Terror heißt. Wir anderen reden zwar viel
Zwei gute Filme
Dreyfus -- Unter den Dächern von Paris
Die Bourgeoisie besitzt zurzeit wohl kaum ein vollkommen»
neres Mittel, das Volk im Banne ihrer Ideologie zu halten,
818 den Film. Denn einmal vermag er auf die bDreitesten
Massen zu wirken und zum andern ist Seine Wirkung, heute
wenigstens, ungleich tiefer als die anderer Künste.
Das Proletariat hat verschiedene Versuche gemacht, diese
ungeheuer wirksame Waffe im Klassenkampf zu erobern.
Am weitesten vorgestoßen Sind die Russen mit den Meister»
werken des „Potemkin“, der „Mutter“, dem „Sturm über
AsSien“ und anderen gleich oder fast gleich großartigen
FilmerzeugnisSsen. Der gute deutsche Film (darüber hinaus
überhaupt der nichtrussiSche Film), der den proletariSschen
Wünschen, Forderungen und Kämpfen Ausdruck verleiht,
der aus der SozialistiSchen Perspektive heraus die Welt Sieht,
ist trotz „Mutter Krausens Fahrt ins Glück“ und „Cyankali“
noch immer Wunsch und Forderung. Vorläufig müssen
wir leider wohl oder übel mit den wenigen Filmen "zufr jeden
SCIN, die aus dem Meer der bürgerlichen Kitschproduktion
herausragen.
Ein Solcher Film ist Richard Oswalds Tonfilm „Dreys-
f us“. Zwar, wir wollen uns nichts vormachen: er tut keinem
Kapitalisten weh; er wagt nicht, dem militärischen System
oder. der bürgerlichen Justiz zu Leibe zu rücken, obwohl
Auf -den : Landstraßen.
von der Demokratie, aber was Sie für uns bedeutet, werden
wir 'erSt wiSSen, wenn wir Sie einmal verlieren Sollten.
Das kam mir fast noch deutlicher zum Bewußtsein, als ich
wenige lage Später unsere ungarisSchen Genossen in
Budapest besuchte. Dort herrscht Herr Horty, und auch
hier war Sein Wegbereiter der Bolschewismus. Die unga-
riSche Räterepublik, ein Werk des Bolschewismus, ging
unter in Blut und Schrecken, und ihr folgte der weiße Terror,
der nicht nur die Kommunisten traf, Sondern die ganze
Arbeiterbewegung in ibren Grundfesten erschütterte. Auch
dort ein allmähliches Erstarken der Arbeiterbewegung, auch
dort ein wachsender politiScher Einiluß der SozialistiSchen
Arbeiterschaft, aber der Weg zur politischen Freiheit in. der
Demokratie ist noch weit. Die Jugendversammlung, in der
ich Sprach, durfte öffentlich nicht angekündigt werden, 'SON“
dern zu ihr wurde durch besondere Einladungsschreiben an
die jugendlichen Mitglieder der Gewerkschaften eingeladen
Die Jugendarbeit ist eigentlich illegal. Sie iSt Bildungs-
arbeit der Gewerkschaften an ihren jugendlichen Mitglie-
dern, denn eine SelbsStändige Jug endorganisation würde auch
heute noch nicht gestattet werden.
Trotzdem auch bier in Partei und Gewerkschaften ein
ernstes Ringen um die Stärkung des Einflusses der Arbeiter»
klasse. Gerade in diesen Tagen rüstet man zu Kommunal
wahlen. Es wurden Flugblätter und anderes Werbematerial
gedruckt, obwohl bis heute noch niemand weiß, wann die
Wahlen Stattfinden, da der Termin erst drei Wochen vor
der Wahl bekanntgegeben wird. Die Hoffnung der GenosSen
in allen diesen Ländern ist Mitteleuropa. ., Werdet ihr die
Demokratie halten Können, oder wird Hitler regieren“ Und
was werden die Wahlen in Oesterreich bringen? Wenn der
Faschiemus auch die Demokratie in Oesterreich und
Deutschland gefährdet, dann werden wir neue Rückschläge
erleben.“ Immer und immer wieder Kamen die gleichen
Fragen. -
Genau eine Woche nach meiner Abreise in Weimar war
ich wieder in Berlin. Sieben Tage nur währte dieser Aus-
flug nach dem Südosten, Sieben Tage, ausgeſüllt mit Reisen,
Sitzungen, Besprechungen, BeSichtigungen und noch einmal
Reisen. Aber dennoch eine Woche mit einer Fülle von Ein
drücken und neuen Erfahrungen, die trotz allem den Glauben
an die Lebenskrafit der SozialistiSchen Jugend-Internationale
und ihrer angeschlJosSSenen Verbände neu gestärkt haben.
Erich Ollenhauer
doch der Gegenstand geradezu zu einer Anklage gegen
Militarismus und KlassSenjustiz herausforderte.
Was der Film zeigt, ist die erSchütternde Passion eines
gemarterten unschuldigen Menschen (Dreyfus) und der
Späte Sieg der Gerechtigkeit. Was er nicht zeigt, Ist die
politische Bedeutung des Falles Dreyius.
Darum Sei an dieser Stelle nachgeholt, was der Film ver»
Schweigt -- natürlich mit Absicht verschweigt, denn es han»
delt Sich um Hugenbergsche Produktion.
Im Jahre 1894 wurde der jüdische GeneralstabSsoffizier
Dreyfus wegen Verrats militäriScher Geheimnisse zu lebens-
länglicher Verbannung verurteilt und nach der Teufelsinsel
mit ihrem mörderischen Klima verschickt. Auf diese Weise
Sollte eine Schmierige Spionagegeschichte vertuscht werden,
die mehrere höhere Offiziere verwickelt waren. Damit
gelang der Kkorrumpierten Offizierskanaille, die Seit län»
gerem, unterstützt von klerikalen, monarchistiSchen und
antigemitischen Strömungen, gegen Parlament und Republik
rebellierte, ein Doppeltes: die „Ehre der Armee“ war ge“
rettet und der Vorwand zu einer wüsten Hetze gegen links
geschaflen.
Der Frau, dem Bruder und den Freunden Dreyfus gelang
es, den Sumpf von Gemeinheit, Lügen und Schuftereien all-