228
Die Reichsregierung glaubte mit ihrem überstürzten gewaltsamen Vorgehen
die Arbeiterklasse treffen zu können. Sie wollte in Preußen Tatsachen schaffen,
die das Wahlresultat zu ihrem Gunsten beeinflussen Sollte. Die Antwort, die
ihr millionenfach entgegenscholl, war ganz anders, als Sie erwartet hatte:
Nun erst recht Abrechnung, nun erst recht Kampi der Re-
gierung der Barone! Die letzte Erklärung für das beispiellose Vor-
gehen der Reichsregierung ist die Furcht der Regierung der „nationalen
Konzentration“ vor dem Urteil des Volkes. Die geheime Hofinung der
Scharfmacher hinter den Kulissen mag auch gewesen Sein, die Massen des
Volkes durch die Aktion gegen Preußen zu Handlungen zu verleiten, die ihnen
den Vorwand gaben, den Ausnahmezustand für das ganze Reich zu verhängen
und die Wahlen überhaupt abzusetzen.
Die sozialdemokratischen Arbeiter, die Millionen der Eisernen Front haben
in beispielloSser Geschlossenheit und Disziplin den Provo-
kateuren die Tür gewiesen. Sie haben es abgelehnt, das Spiel der Reaktion zu
Spielen. Nach dem Willen der demokratischen und republikanisch gesinnten
Massen Soll der Papen-Regierung und ihrer Schutztruppe, den Nazis, die
Abrechnung am 31. Juli nicht erspart bleiben.
In dieser Stunde wissen wir nicht, ob die Reichsregierung in ihrer Furcht
vor dem VolkSsurteil Sich nicht doch noch zu einem glatten VerfasSsungsbruch
durch Aussetzung der Reichstagswahlen hinreißen lassen wird. Aber zwei
Dinge wissen wir: Wenn es zu Wahlen kommt, dann wird der 31. Juli den
Machthabern von heute beweisen, daß Sie im Volk keinen Rückhalt haben,
daß die große Mehrheit des deutschen Volkes geordnete Rechtszustände und
die Sicherung aller demokratischen Freiheiten und Rechte in der deutschen
Republik will. Das zweite ist nicht weniger Sicher: DerKampfgehtnach
dem 31. Juli weiter! Die Arbeiterklasse wird nach dem Wahltag in
höchster Bereitschaft bleiben, insbeSsondere für den Fall, daß die Feinde der
Demokratie ein für Sie ungünstiges Volksurteil gewaltsam zu Korrigieren
Suchen.
Wir Stehen vor Schwersten EntsScheidungen, die unsere Zukunft, das Leben
der jungen Generation auf das tiefste berühren werden. In diesen August-
wochen geht es um Sein oder Nichtsein der deutschen Ar-
beiterbewegung und der deutschen und der europäischen
Demokratie. Mit welchen Mitteln wir diesen Kampf zu führen haben
werden, das muß die Stunde entscheiden. Das eine aber wissen wir: Die
Millionen junger MensSchen, die in diesen Wochen den letzten Groschen, die
letzten Schuhsohlen, den letzten Rock, Zeit und Kraft, Leben und Gesundheit
darangegeben haben, um der Freiheit mit den demokratischen Mitteln der
Republik den Sieg zu erringen, diese Jugend wird auch nach dem 31. Juli
zu kämpfen wissen. Es geht um das höchste Gut der Menschheit, es geht um
unsgere Freiheit, und unser Kampfruf bleibt, komme, was kommen mag:
Nichtsfüruns,allesfürdieFreiheitunddenSozialismus.
Berlin, 21. Juli 1932. . Erich Ollenbauer.