MONATSSCHRIFT DER 3 | 24. JAHRGANG
SOZIALISTISCHEN | HEFT 9
ARBEITERSUGEND BERLIN SEPTEMBER 10832
Das System gegen die Jugend
Im monarchistisSchen Vorkriegsdeutschland stand die organisierte Arbeiter-
jugend unter Polizeiaufsicht und genoß das besondere Interesse und alle
Strenge Strebender Staatsanwälte, Gegen die Lehrlinge und Jungarbeiter, die
bessere Bildung, ihren Teil an den Früchten der Kultur, Schutz gegen die
Ausbeutung in der Arbeit und gegen Mißhandlungen bei der Ableistung ihrer
Militärdienstpflicht forderten, wurden die Machtmittel des Reiches eingesetzt.
Die Jugend, die Sich zusammenscharte unter der Losgung: „Schutz den jungen
Händen gegen die Ausbeutung! Schutz den jungen Köpfen gegen die Ver-
dummung!“ wurde zu Staatsfeinden erklärt. Ausgegeben war diese Losung
von dem Reichstagsabgeordneten Ludwig Frank, der als Kriegsfreiwilliger in
Lothringen gefallen ist.
Das Kaiserreich versank am Ende des verlorenen Welikrieges in Schutt
und Schande. Allein die Sozialdemokratische Arbeiterschaft zeigte Sich fähig
und bereit, Deutschland wieder aufzubauen. Auf ihrem ersten Reichsjugend-
tag im Sommer 1920 bekannte sich die arbeitende Jugend freudig zu dem
neuen Staat an der Geburtsstätte Seiner freiheitlich-demokratischen Ver-
fassung. Wir haben dieses Bekenntnis an allen Schicksalstagen der jungen
Republik erneuert: am Grabe des von Hakenkreuzjüngern feige ermordeten
Walther Rathenau, am Vorabend des Hitler-Putsches auf dem Arbeiterjugend-
tag 1923 in Nürnberg, in den kritiscchen Sommertagen vor einem Jahr aut
unserem Frankfurter Jugendtag.
Durch die Staatsumwälzung fielen die Fesgeln, die früher das Gemein-
Schaftsleben der Arbeiterjugend ' einschnürten. Die Republik. erklärte die
Jugend für politisSch mündig durch Gewährung des Wahlrechtes an die Zwanzig-
jährigen. In der Weimarer Verfassung wird versprochen, die Jugend gegen
Ausbeutung Sowie gegen Sittliche, geistige oder körperliche Verwahrlosung
zu Schützen, für die Bildung der Jugend und für den Zugang Minderbemittelter
zu den mittleren und höheren Schulen zu Sorgen. An der Erfüllung dieser
Versprechungen ist im ersten Jahrzehnt der Republik mit allem Ernst und mit
Erfolg gearbeitet worden. Jugendheime und Jugendherbergen, Sportplätze
und Bäder wurden gebaut. Staatliche Bildungsstätten für die Arbeiterjugend
wurden geschaffen. Das neue Jugendrecht brachte Jugendgerichte und
Reform der Fürsorgeerziehung. Der Jugendschutz wurde erweitert.
Der Staat von Weimar begeitigte die politische Unfreiheit der Arbeiter-
Schaft, nicht aber ihre materielle Ausbeutung durch die Kapitalistische
Wirtschaft. Der Soziale Ausbau der Republik wurde immer wieder unter-
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