Full text: Jugendschriften-Warte - 19.1911 (19)

Beilaj;e zur Hamburgischen Schulzeitung. 
 
Organ: der vr.reinigten deutschen Prüfungsausschüsse für Jugendschriften. 
Herausgegeben vom Hambur" ver 
Prüfungsausschuß für Jugendsr hriften 
1. A.: Hans Brunckhor" 4, 
Hamburg 26, Auf den BIÖ cken 22 
Fernsprecher: Gruppe 4 9088 
No. 1 
 
 
Prüfungsauss“ hüsse -- Schriftsteller, Verleger, 
Buchhändler. 
Hans Brunckhorst- Hamb urg. 
Die Juge ndschriften -Prüfungsausschüsse im allgemeinen 
und unSsere, vereinigung im besonderen Sind im letzten halben 
Jahr mehr“ Angriffen ausgeSetzt gewesen wie in den vorher- 
gehende y, Zeiträumen. Durch unsere Stetige, ernsthafte, ruhige 
Arbeit, die einzig dem geistigen Wohle unserer Jugend und 
damit ynseres Volkes dient, glaubten wir alte Gegner be- 
ruhi' und heue Freunde gewonnen zu haben. Beides ist 
ric] tig, aber es ist nicht alles. Manche alten Gegner Sind 
Weder auf den Plan getreten, und neue Feinde Sind nicht 
“ wuSgeblieben. Eins aber ist auffällig dabei. Unsere Angreifer 
aus dem letzten halben Jahr Sind mit ganz wenigen Ausnahmen 
:materiell am Jugendschriftenkonsum beteiligt als Schriftsteller, 
"Verleger oder Buchhändler und auffällig ist ferner, daß alle diese 
„Angreifer Sich durch uns materiell geschädigt glauben. 
Es ist doch Sonderbar, daß die Schriftsteller, Solange wir 
Anerkennendes über Sie Sagen und ihre Bücher empfehlen, 
mit unserer Arbeit durchaus einverstanden Sind, und uns ihre 
Werke gern zur Prüfung einreichen. Sobald wir aber ihre 
neuen Schöpfungen abfällig kritisieren, is!'S aus mit der 
Freundschaft, und zugleich taugt unsgere ganze Einrichtung 
nichts mehr. Das Schreibt Herr Martin Hildebrandt, Schriftsteller 
und Vorsteher der Schriftsteller-GenosSsensSchaft E. G. m. bd. H. 
zu Charlottenburg in der Zeitschrift „PresSe -- Buch -- 
Papier“ (Nr. 50 vom 10. Dezember 1910), die in Berlin W 57 
erScheint. Da er glaubte, daß ein Erzeugnis von ihm, „das 
von der Kritik über den grünen Klee gelobt worden ist“ die 
Empfehlung der vereinigten PrüfungSsausSchüsSe verdiene, So 
bemühte er Sich „Selbstverständlich daruw, es in das Ver- 
zeichnis aufgenommen zu Sehen, das die vereinigten Prüfungs- 
AusSchüSSe herausgeben“. Das Buch ist nach etwas ver- 
zögerter Erledigung Schließlich abgelehnt worden. Nun aber 
auf einmal hat Herr Hildebrandt ein unbehagliches Gefühl, 
nämlich das, „von einer geheimen literariSchen Vehme ab- 
gewiesen worden zu Sein, deren Zuständigkeit zu prüfen 
er auße': Stande war“. Ist diese Gefühlsänderung nicht 
drollig? Und nun benutzt Herr Hildebrandt die Gelegenheit, 
in dem genannten Organ gegen uns zu Felde zu ziehen. 
Es 3'2ißt dort folgendermaßen: 
„-.-». Nun lese ich bei Ihnen, daß man Sich über 
“die Herren auch anderweit beSschwert, was einige Zweifel 
an der Uneigennützigkeit dieser Herren in mir weckt, die 
Sich S0 heiß bemühen, die Öffentlichkeit über das, was 
unserer Jugend literarisSch frommt, zu beraten. Und diese 
Zweifel Sehen Sich durch den fatalen Umstand gestärkt, daß 
Sich die Herren nicht auf ihr kritisSches Ehrenamt, das Sie 
Sich aufgebürdet haben, beschränken, Sondern ihren Namen 
als Herausgeber auf eine „Deutsche Jugendbücherei“ 
Setzen, die in Hermann Hillgers Verlag erscheint. Damit 
fängt die Sache an, rechtschaffene Leute bedenklich zu 
Stimmen. Die Uneigennützigkeit zeigt Sich in diesem Falle 
als eine MasSke, hinter der Sich der Eigennutz verbirgt. 
Das ist zwar ein beliebtes Spiel, aber es verlangt doch 
etwas mehr Geschicklichkeit, alis die in den Prüfungs- 
AusSchüssen vereinigten „getreuen Eckarte“ unserer Jugend 
aufzubringen Scheinen. Hier heißt es nicht mehr: „Laßt 
uns für unsere Jugend, Sondern laßt uns von unsgerer 
Jugend leben!“ und zwar gewerbesgteuerfrei. 
Begründet 1893 von Paul Ziegler-Berlin. 
Verantwortlicher Redakteur: 
Reinrich Wolgast 
Hamburg-Fuhlsbüttel, Brombeerweg 41 
Januar 121 
 
Jahres-Abonnement für 12 Nummern 
1,20 MAM. Vertrieb für den Buchhandei 
durch 
Ernst Wunderlich in Leipzig. 
19. Jahrgang 
Dagegen möchte ich denn doch im InteresSe der deut- 
Schen Schriftsteller ein kräftiges Veto einlegen. Was tuen 
denn die Herren, die deutsche Jugend mit gesSunder lite- 
rariScher Kost zu versorgen ? Schreiben Sie etwa Bücher, 
die Sich der Kritik mit gutem Gewissen überantworten 
können? Ach nein, Sie Suchen Sich -- wie in dieSer 
Jugendbücherei -- Schriften von Liliencron, Sealsfield, Ger- 
Stäcker, Tolstoi, Hebbel, den alten ehrlichen Cooper uSw. 
zuSammen, KkaStrieren Sie nach Schulmeisterart, die man 
aus der Verhunzung deutscher KlasSiker in LeSe- unG 
Liederbüchern Kennt, und Schreiben keck darauf: herausS- 
gegeben von den vereinigten deutschen PrüfungsausSchüssen 
für Jugendschriften. Hat denn das ganze Convivium bei 
dieser Arbeit zusammen gewirkt, daß diese Aufschrift be- 
rechtigt wäre? Sicher nicht: Aber der Schulze oder Mülier, 
der die Kastrierung für die vertrauenerweckende Firma 
besorgt hat, Schweigt Sich verschämt über Seine literariSche 
Tätigkeit aus. Und er weiß, warum, denn Herr Hillger 
bezahlt natürlich nur die gut akkreditierte Firma, mit der 
er, wie ihm nicht verübelt werden Soll, recht gut zu 
krebsen hofft. Herr Hillger kauft Sich nicht die Arbeit, er 
kauft Sich die Kritik, denn eben nur weil die Herren ihrer 
„Firma“ ein KritiSches AnSehen verschafft haben, deSswegen 
iSt ihm ihre „Herausgeberschaft“ begehriich. Sind die in 
den AusSchüssen vereinigten Herren nun, So frage ich, SO 
weltfremd, daß innen der Gedanke daran nicht gekommen 
wäre? Ich kann es Schwerltich glauben. Aber ich denke, 
die Öffentlichkeit interesSiert Sich für die Frage, ob Sie es 
hier mit einer käuflichen Kritik zu tun hat, und deswegen 
erlaube ich mir diese Frage in alier BesScheidenheit zu 
Stellen. Die Herren werden hoffentlich nicht Säumen, nicht 
nur die Antwort darauf zu geben, Sondern aucn zu Sagen, 
wer Sie eigentlich Sind.“ 
Das ist ein bischen viel auf einmai. Und ich kann dem 
Herrn nicht den Gefallen tun, inm alle Seine Fragen zu 
beantworten. Der Herr mag Sich die Jugendschriften-Warie, 
unsere Veröffentlichungen theoretischer Art, und die Ergeb- 
nisSe unserer zwanzigjährigen praktiSchen Arbeit für die Ver- 
breitung guter Jugendlektüre, die jetzt auch in den Schüler- 
bibliotheken und ähnlichen Einrichtungen zu Tage treten 
und die auch auf dem Jugendschriftenmarkt Sich geltend 
machen, ansehen. UnsSere Tätigkeit haben wir Seit zwanzig 
Jahren Stets mit aller Offenheit voilführt und dürfen darum 
beanspruchen, daß der, der etwas von uns will, Sich zunächst 
über uns unterrichtet, Soweit das mit dem öftentlich zugäng- 
lichen Material möglich ist. Nur einiges Sei herzusgehoben. 
Ganz recht, wir Sind eine „gut akkreditierte Firma“. Und 
warum ? Weil man in unSerer langjährigen KritiSchen Tätig- 
keit in der Jugendschriftenfrage erfahren hat, daß unsere 
Kritik nicht käuflich ist, obgleich Herr Hildebrandt Seine 
LeSer das Gegenteil glauben machen möchte. Man hat aus 
der Erfahrung heraus das Vertrauen zu uns gewonnen, daß 
wir nur nach unserer Überzeugung urteilen, ohne auf irgend 
welche nicht in der Sache liegende Momente RückSicht zu 
nehmen. Wir haben es deswegen auch Stets vermieden, uns 
an irgendwelchen literariSchen „Unternehmungen pekuniär zu 
beteiligen. Die AusSschüsse haben im Verfolg ihrer prak- 
tiSchen Arbeit für Verbreitung guter billiger Jugendbücher ja 
manches Buch herausgegeben. Aber immer ist es Ihnen da- 
bei von grundsSätzlicher Bedeutung gewesen, frei von jedem 
materiellen InteressSe am Verkauf des Buches zu bleiben.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.