Full text: Deutsche Blätter für erziehenden Unterricht - 18.1891 (18)

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Aauud/ BM A dis Abmnf/ I. IK. 
FÜR 
ERZIEHENDEN UNTERRICHT. 
Wöchentlich erscheint eine Nummer. 
Preis: vierteljährlich 1,60 M. 
Anzeigen: 30 Pf. für die 3zgesp. Petitzeilc. 
HERAUSGEGEBEN VON 
FRIEDRICH MANN. 
Zu beziehen durch jede Buchhandlung 
' und Postanstalt. 
No. der Postzeitungslisgte? »1+ 
 
Wendt. 
Yom Büchertisch: 
Vollmer. 
| 
XVIII Jahrgang. | Inhalt: 
| 
Schülerfehler im deutschen Aufsatze und deren Begeitigung, 
(Schluſs.) -- Lose Blätter: Ein Jugendspiel- Kurgus in Görlitz. -- 
Frick, Schmid, Zenz und Beck, Schneider, Rustmann und 
-- LeitgesSchichtliche Mitteilungen. 
Von Otto 
 
| 
| 1891. No. 49, 
Die im ersten Teile dieger Zeitschrift enthaltenen Abhandlungen verbleiben Eigentum der Verlagshandlung. 
Schülerfehler im deutschen Aufsatze und deren Begeitigung. 
Von Roktor Oito Wendt, 
(Schluſs.) 
Kin ebenso ausgiebiges als für den Sprachpsychologen 
lehrreiches Gebiet ist das Kapitel von der Wortbildung. 
Die Schwankungen und Willkürlichkeiten, welche ungerer 
Schriftsprache innewohnen -- ich erinnere mit Andreseit 
an Stirn = Stirne; Belag == Beleg; Frau Propst, Propstin, 
Pröpstin ; Rechnenbuch, Nachtsglocke, Nachtszeit !), Jetzt- 
zeit, Rückäuſserung, Kindergärterin, Töchterschülerin, mor- 
918g), beidlebig, hinterherig, kulturkämpferisch, Sprach- 
forscherisch, vereinnahmen == einnehmen, einliegend == 
(dar)inliegend, vorlieb, denn und wenn statt dann und 
wann; hinab statt herab, nachher hernach -- und 
nicht nur in politischen und belletristischen Zeitschriften 
reichlich und täglich zu finden Sind, zeigen Sich auch in 
Stattlicher Zabl in ungern Schülerarbeiten. Da finde ich 
die Vorliebe, den mit »isch« von Hauptwörtern mit einem 
»a« im Stamme den Umlaut zu geben, ich lese: »die 
anhältische Grenze, die Kälbischen Wiegen, das hällsche 
Thor, die Karlsbäder Musikanten.« Substantive, welche 
in der Infinitivform gebräuchlich Sind, wollen ungere 
Schüler nach der Analogie anderer mit Ableitungssilben 
vergehen: Bedaurung == Bedauern, Vergehung == Ver- 
Sehen, äbnlich bilden Sie Allgegenwärtigkeit, Vleiſsigkeit, 
Demütigkeit, während ich andergeits »Retten« statt Ret- 
tung und Rückweis statt Zurückweisung, Bewunderung 
Statt Verwunderung vorfindet. Wenn die Augsb. Allgem. 
Zeitung den »Ärztovereinsbund« begehreibt, dürfen wir's 
eigentlich ungern Kindern nicht verübeln, wenn gie »Her- 
zogsgeburtstagsfeier« und » Weiblichehandarbeitsstunde«, 
» Bierbereiten« fertig bringen, wenn gie -- ein-, zwei- und 
mehrstöckig entsprechend, auch von »garkeinstöckigen 
Häusgern« Schreiben, wenn Sie kegelig (statt kegelförmig) 
und unnützlich 3) (Statt unnütz) gebrauchen, wenn Sie von 
!') Goethe, Wahrheit und Dichtung, »bei Nachtszeit«. 
?) »Line entschieden faische Bildung, weil das n des Substantiv 
Morgen fehlt.« Andreser. 
3) Unnützlich ist bekanntlich Adverb und als Solches von Luther 
gebraucht. 
 
» Ur- und darmlosgen Tieren« reden, be verküm- 
merte Organe kennen und ein gut gehendes Restaurant .: 
besuchen. 1) 
Noch verkehrtere Begriffsverwechslungen *) liegen vor, 
wenn der Schreiber eines Briefes Sich unterzeichnet Dein 
lieber == Dich liebender Sohn (Bruder, Freund); wenn 
er 80 freundlich Statt 80 frei ist, Seinen Freund um 
eine Gefälligkeit zu bitten, wenn er mitteilt, daſs er Sich 
nun in die neue Klassc eingefunden (will Sagen in den 
Betrieb der Klasse hineingefunden) bat. Wie in allen 
diesen Wendungen, die Sich durch Beispiele von Redens- 
arten mit »machen« und ähnlichem wegentlich vermehren 
lieſgen, das Wort -- und zwar das falsche -- gich da 
eingestelit hat, wo der rechte Begriff gefehlt hat, So ist 
dies auch in folgenden, von der während der Nieder- 
Schrift unterbrochenen Gedankenreibe Zeugnis gebenden 
falschen Konstruktionen der Fall: Ihren Brief habe ich 
erhalten, worüber ich mich gehr gefreut habe; Wie Sie 
wiegen werden, dals ich mich im letzten Schuljahre be- 
finde; Ich muſs denken, daſs Du ein falscher Freund bist 
und in Deinem Herzen wohnen arge Gedanken; Der Ab- 
Stieg ging durch die Schneelöcher, welches ein beschwer- 
licher Weg ist; Die Brücke ist aus Quadersteinen erbaut 
und mitten ein Häuschen darauf stand; Daſs das Schloſs 
früher eine Burg gewesen ist (!) zeugen die Gräben; Das 
Getreide, das Gott 80 Schön dargestellt (!) bat und Sich 
die Menschen drüber freuen, kann Gott .... PFalsche 
emamtektengen 
Ememmmmng 
1) Bekaghel, »Die deutsche Sprache«, S8. 32, weist darauf hin, 
wie in oberdeutschen Dialekten Verba fehlen, die mit zer gebildet 
Sein müſsten, wie dort Statt zerschlagen, zerbrechen, zerreilsen u. 8. W., 
vergcehlagen, verbrechen, verreiſfsen gebraucht wird; wie die Silbe 
er im Bayrischen zu der also »derschlagen, der wischen« wird. 
?) Prof, Lazarus wies in Magdeburg auf der Versammlung 
des Vereins für wisSenschaftliche Pädagogik --- ausgehend von dem 
Scheinbar 80 bekannten Begriff »Vater« -- in ebenso gchlichten als 
klaren Worten nach, wie mavgelhaft unsere Begriffe ihrem Inhalte 
und Umfange nach 8ind, und wie gie fort und fort der Erweiterung, 
Vertiefung und Verbesserung bedürfen, 
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