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das ihrer draußen harrende Gift ſc<on das Gegengift mit auf den
Weg gibt. Das haben auch unſere Behörden jekt eingeſehen; ſie
ſchreiben ja für die Oberklaſſen der höheren Schulen eine vergleichende
Berüdfichtigung unſerer geſellſhaftlichen und wirtſchaftlihen Entwiälung
bis in die neueſte Zeit vor. Ds -
Die Verfaſſer der hier vorliegenden Denkſchrift haben ſich dur<
ihr Buch entſchieden ein hohes Verdienſt erworben, indem ſie die ganze
Sache in Fluß brachten und viele Fingerzeige angaben, die in der
Hauptſache wohl auf den richtigen Weg führen. Sie beherrſchen die
reihe einſchlägige Literatur durhaus und erheben ihre Forderungen
maßvoll und ohne Leidenſchaft. |
Über die Entwidlung der ſ<wierigen Frage im Auslande wird
man je nach ſeinem Standpunkte verſchieden denken; die Art 3. B.,
wie in Frankreiß der Unterricht in der Bürgerkunde und in der
atheiſtiſchen „Moral“ grundſäßlic<h betrieben wird, hat nicht für jeden
Deutſchen etwas Verlo>endes. Unruhige Köpfe gibt es ja bei uns auch
genug (wir brauchen ſie niht zu nennen, denn jedermann. kennt ſie,
und es ſind durchaus nicht bloß „zielbewußte Genoſſen“), die mit
Macht ins franzöſiſ<e Horn blaſen; die große Majorität auch der
liberalſten Männer denkt aber do<h anders und wird den Verfaſſern
zuſtimmen, wenn ſie meinen: die Jugend ſoll zur Achtung und Ehr-
furc<t vor dem erzogen werden, was Staat und Geſellſhaft bis jeht
geleiſtet haben, und es ſollen ihr richtige Anſhauungen über das ge-
geben werden, was iſt, und damit die Grundlage zu einem richtigen
Urteile über das, was werden kann. | |
Was die Verfaſſer über den Umfang der Belehrung ſagen, iſt
durchaus zu billigen. Aus dem Gebiete des Staatsrechtis würden die
Vorbegriffe, beſtimmte Teile des philoſophiſchen und des ſpeziellen
Staatsre<ts zu behandeln ſein; auf das letztere würde natürli< das
Hauptgewicht zu legen ſein, da es das deutſc<e Reich behandelt: alfo
die Verfaſſung des deutſchen Reiches und Preußens, das Militär und
die Marine, die Gerichtsverfaſſung. Sodann würde die volkswirt-
ſchaftliche Seite zu ihrem Rechte kommen müſſen, damit der Schüler
ins öffentlihe Leben mit offenem Auge und den notwendigen Vor-
kenntniſſen hinaustritt. Natürlich ſind an den höheren Schulen die
Hiſtoriker in erſter Linie die geeigneten Kräfte; bei den Volksſchulen
ſchreiben erſt die neueſten „Seminarpläne vom 1. Juli 1901“ Unter-
weiſungen ſtaatsrehtliher und volkswirtſhaftlicher Art in der erſten
Seminarklaſſe vor. Freilich läßt ſich nicht leugnen, daß mancher be-
jahrte Hiſtoriker in der Verfaſſungsgeſhi<hte Roms oder Athens
unendlich beſſer Beſcheid weiß als in der des deutſchen Reiches !
Völlig klar ſind ſich die Verfaſſer darüber, daß die Bürgerkunde
für die Volksſhüler noch wichtiger iſt als für die „höheren“ Scüler.
Denn überzeugte Umſtürzler gibt es unter den Wohlhabenden und
Gebildeten nicht; wer von den lezteren es doh zu ſein behauptet, hat
ſeine perſönlichen Gründe der grundſäßlichen Unzufriedenheit, der Rache
oder des ungeſtillten Ehrgeizes. Aber mit den Volksſhülern ſteht es