Full text: Evangelisches Monatsblatt für die deutsche Schule - 2.1882 (2)

Lernen und begreifen. 
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aber Unnatur und höchste Unwahrheit, wenn wir von solchen 
Dingen wie Bußschmerz, Heilsverlangen, Jesusliebe, Kampf 
des Geistes gegen das Fleisch, Hoffnung der künftigen Herr 
lichkeit den Kindern ein Verständnis, eine Erfahrung zu 
muten oder anlehren wollen 
Durch biblische Geschichten, in aller Ruhe erzählt, macht man viel 
größeren Eindruck; da lauschen die Kinder, da erweitern sich die Augen, 
das legt sich an, wie der Same in feuchter Wärme, da liegt ein Schwei 
gen über der ganzen Schule, nicht ein Schweigen des Schlafs, sondern 
ein Schweigen des Sabbats; eine Stille, da jedes Kind zu sagen scheint: 
rede, dein Kind höret. Diese Stille ist wie weggeblasen, sobald das 
systematische Sokratisieren angeht. Ein paar Begabte machen mit dem 
Lehrer ihre logischen Turnkünste, die Andern träumen, spielen oder plau 
dern. Es ist nicht zu leugnen, daß wir in der Rückkehr zur Natürlich 
keit und Einfachheit begriffen sind. Die Zeit liegt hinter uns, da ein 
Nürnberger Geistlicher in des sel. Rektor Roths Klaffe, der zweimal 
wöchentlich mit den Schülern die Bibel las und erklärte, den Religions 
unterricht vermißte. Die Zeiten liegen aber noch nicht hinter uns, da 
man den systematischen Katechismusunterricht für die Quintessenz des 
Religionsunterrichts hält. Die Kinder müssen Religion lernen, das ist 
gewiß; sie müssen Katechismus, Lieder, Sprüche, biblische Geschichten, 
vielleicht auch einiges Dogmatische in kompendiöser Gestalt lernen, aus 
wendig lernen, concipieren. Die Perception dagegen wird sich bei ihnen 
immer auf das Geschichtliche und Anschauliche beschränken; sind wir damit 
nicht zufrieden, wollen wir das Verständnis auch für Höheres erzwingen, 
so bringen wir die Kinder in ein unwahres, ungesundes Wesen, uns selbst 
in mancherlei Täuschung und Enttäuschung. 
Zum Zeichenunterricht. 
Schon seit langer Zeit, namentlich aber in dem letzten Jahrzehnt ist die 
Notwendigkeit einer Reform des Zeichenunterrichts nach Form und Inhalt un- 
abweislich geworden. Man hat daher viel nach neuen Methoden gesucht und 
auch manche gefunden, die der Beachtung wohl wert sind. 
Der bei weitem größte Teil der Fachmänner wie auch die Behörden sind 
schlüssig geworden, den Zeichenunterricht als Massenunterricht zu behandeln, 
und dadurch ist endlich der eitelkeitnährenden und schon darum verwerflichen 
„Bildchenmacherei" der Boden zur Existenz entzogen worden. 
Neue, zum Teil hoch beachtenswerte Vorlagewerke, die dem Massenunterrich
	        
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