Full text: Evangelisches Monatsblatt für die deutsche Schule - 2.1882 (2)

Settau; Gespräch über Falk und Herbart. Schluß. 75 
zu Gott! Omnia divina, humana omnia! Das ist das Hauptthema 
der Predigt unserer gotischen Dome, und es ist zugleich das Zeugnis, 
das in unserm Volke lebendig geworden, das herausklingt aus der Ge 
schichte seines Geistes und das kein anderes Volk so lebendig gefühlt als 
unseres, daher es auch kein anderes so wunderbar in Stein hat bilden 
können. Das Lebenselement, die Seele unseres Volkes ist eine entschieden 
christliche, und der ganze Gang seiner Geistesentwickelung hat, wie bei 
keinem andern, seine wirksamsten, durchschlagendsten Impulse aus dem ge 
offenbarten Gottesworte: dasselbe kam zu unsern Vätern, und sie wurden 
ein Volk; es bewegte die Edelsten und Größten unter ihnen, und sie 
schufen herrliche unvergängliche Werke; es wurde den Nachkommen eine 
Zeitlang verdunkelt, da gerieten sie in Schlaf; aber es wird hervorgesucht 
und wieder auf den Leuchter gestellt, da regt es sich auch wieder gewaltig 
und Lebensbächlein gehen aus dem Herzen Deutschlands in alle Lande 
ringsum. Das alles hörte ich wieder deutlicher als je aus der Predigt 
der Steine im gotischen Dome herausklingen. 
Klarer und lebendiger ward zugleich in mir der Gedanke, daß eben 
diese Erkenntnis das einheitliche Princip für alle geistige Arbeit unter 
unserm Volke, namentlich für die erziehliche, sein müsse. Wie insbesondere 
auch der Unterricht in der Litteratur diesem Prinzip gerecht werden 
könne, wie den Schülern auch hier vor allem das goldne, einheitliche 
Band, die hochstrebenden Pfeiler zu zeigen seien, die den Blick alsbald 
blitzesschnell, mit unwiderstehlicher Gewalt nach oben ziehen, das habe 
ich freilich erst allmählich gelernt." — 
„Ich glaube wohl, daß mir der Grundgedanke, den Sie im Sinn 
haben, klar ist; er ist ja auch sonst schon erörtert worden: Das christ 
liche Prinzip soll nicht nur unsern ganzen Volksunterricht 
durchherrschen, sondern insbesondere auch Einheit in den 
deutschen Unterricht bringen. Wie Sie aber dieser Forderung in 
xraxi gerecht werden — und zwar ohne Zwang und Manier! — 
das möchte ich gar gern von Ihnen hören." 
„Bevor ich spezieller von meiner Unterrichtsweise und meinen be 
sonderen Erfahrungen rede, kann ich nicht unterlassen zu bemerken, daß 
ich seit jener merkwürdigen Stunde im Nürnberger Dome die tiefgehendsten 
und nachhaltigsten Anregungen und Förderungen, auch auf unterrichtlichem 
Gebiete, meinem schon öfter genannten Landsmanne Hamann verdanke. 
Ich erkannte mehr und mehr in ihm einen Typus des deutschen Volkes, 
eine durch und durch ideale Natur, die nach langem, mächtigem, fast ver
	        
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