Bernhard Wöpcke f.
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Seine Predigten waren so durchgearbeitet, biblisch klar und warm, daß
man aus benachbarten Parochieen kam, um sich bei ihm zu erbauen.
Ein damaliger Torgauer Soldat, der zufällig die erste von vier
fortlaufenden Predigten über das Gleichnis vom verlorenen Sohn in
der Annaburger Schloßkirche gehört, wurde davon so bewegt, daß er,
wie er noch vor kurzem uns mit Begeisterung erzählte, sich auch an den
drei folgenden Tagen Urlaub erbat, um Wöpcke zu hören. Als treuer
und geschickter Seelsorger, als Mittelpunkt geistiger, wissenschaftlicher
und künstlerischer Interessen genoß der junge, rüstige Schloßprediger bei
seiner Militärgemeinde und in deren Umgebung hohe Achtung. Durch
weg waren ihm Takt und Gewandtheit im Umgänge eigen.
Während der ganzen Zeit, die der damalige Direktor des Militär-
Knaben-Erziehungsinstituts als militärischer Erzieher unseres Kronprinzen
abkommandiert war, übertrug ihm das Königl. Ministerium die Leitung
der gesamten Anstalt.
Die klassische Musik für Klavier, Orgel und Kirchengesang war
seine Erholung. Er selbst hatte eine sonore Baßstimme.
Am meisten und liebsten verkehrte er aber mit der Jugend. Er
unterrichtete sie von Anfang an nicht nur in der Religion, sondern auch
in der Geschichte und Geographie und ward dabei in der Pädagogik
bald heimisch. Für militärische Einrichtungen bei der Erziehung von
Knaben und Jünglingen hatte er von dort her eine besondere Vorliebe;
über Ähnlichkeit und Unterschied von Militärzucht und Schulzucht sprach
er auch in seinem späteren Leben gern. Er richtete Konferenzen mit den
Jnstitutslehrern ein, in denen er die Früchte seines Studiums darreichte
und sich von den Vorträgen anderer anregen ließ. Diese Konferenzen
erweiterte er, indem er die Lokalschulinspektoren und Lehrer der Umgegend
da zuzog, und ihm ist es zuzuschreiben, daß sie von einem sehr lebendigen
Streben und einem regen Sinn für die Schularbeit getragen wurden.
In seiner Fürsorge für die geistige und leibliche Entwickelung der
Jugend hat er von Annaburg aus mit Friedrich Fröbel regen brieflichen
und persönlichen Verkehr unterhalten. Er ist der Geistliche, an den der
bekannte geniale Pädagog in den Jahren 1845—1851 die 22 Briefe
gerichtet hat, die in Kehrs pädagogischen Blättern Jahrgang 1880 ver
öffentlicht worden sind, ohne daß damals sein Name genannt werden
konnte. Fröbels Lebensgedanke: „entwickelnd-erziehende Kindheitspflege"
hatte ihn sichtlich erfaßt, und besonders interessant ist es, daß er, der
schon damals entschieden positiv gerichtet war, mit dem als freisinnig