Nochmals: Die geistliche Schulaufsicht.
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6) Versuchung zur Duldung ungerechtfertigter Schulversäumnisse,
weil die Schulkinder von ihren Eltern, bez. auf von Guts
herren und Gutspächtern oder deren Inspektoren zur Ausführung
von ländlichen Arbeiten auch während der Schulzeit vielfach
gewünscht werden, und der Lehrer auf Leistungen und Gefällig
keiten der Eltern und „Herren" bei seiner Wirtschaft oft ange
wiesen ist;
c) Versuchung zur Nachlässigkeit in der Vorbereitung und den schrift
lichen Korrekturen, sowie dazu, das Interesse für die eigene Fort
bildung gänzlich zu verlieren, weil die Wirtschaftssorgen abziehen,
die Anregung durch Umgang mit Kollegen fehlt, und die Eltern
nicht leicht die Nachlässigkeit des Lehrers bemerken und noch
seltener dawider auftreten;
ä) Versuchung, allerlei unberührte Methoden, welche zufällig zu
seiner Kenntnis kommen, einzuführen oder umgekehrt im alten
Schlendrian jede methodische Änderung abzuweisen. Zu beiden
Extremen sind je nach Alter und Temperament isoliert lebende
Lehrer leicht geneigt.
6) Versuchung, in der Disziplin schlecht zu werden oder umgekehrt
ein tyrannisches Zepter zu führen; je nach Temperament und
Charakter.
9. Zur notwendigen Lokal-Schulaufsicht auf dem Lande, welche den
Lehrer auch gegen unberechtigte Anforderungen und Eingriffe schwacher
und eigennütziger Eltern und Dienstherren zu schützen hat, ist der Orts
geistliche die allein geeignete und befähigte Person, denn
a) er hat die Interessen der Kirche schon durch sein Amt zu vertreten;
b) die Familienväter lassen ihn sich am liebsten als Mittelsperson
gefallen;
o) der Staat kann das Vertrauen zu ihm haben, daß er die Forde
rungen desselben bei der Erziehung zu erfüllen bestrebt sein
werde. In ganz besonderen Ausnahmefällen, wie sie in deutsch
polnischen Gemeinden vorgekommen sein mögen, werden besondere
Maßnahmen zu treffen sein;
6) durch seine Vorbildung ist er im stände, falls er ein Herz hat
für die Schule, ohne besondere Schwierigkeiten sich die pädago
gischen und methodischen Kenntnisse anzueignen, um im Sinne
der von dem Schulregimente und der Kreisschulinspektion gegebenen
Weisungen den Lehrer zu beraten, zu mahnen und zu fördern,
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