Full text: Evangelisches Monatsblatt für die deutsche Schule - 3.1883 (3)

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Christliche Gedanken über Herbart 
„wissenschaftliche" Methode das Christentum. Die andern, die sich 
vornehmlich als Anhänger Stahls zeigen, stehen auf dem „namemtlich 
durch die Arbeit des deutschen*) Geistes gefundenen" evangelisch 
lutherischen Bekenntnis; diese „evangelischen" Pädagogen begün 
stigen ihrerseits die Wissenschaft: die „christliche" Philosophie. 
I. Die Anhänger Herbarts. 
Die Anhänger Herbarts begünstigen das Christentum durch eine 
psychologisch vorbereitende Methode; sie wollen durch Trennung von Phi 
losophie und Glauben dem letzteren nützen. Ritterlich wollen sie den 
Glauben schützen gegen Pantheismus, Deismus und Materialismus. Der 
psychologisch, d. i. für Verstand und Gefühl vorbereitete Glaube soll leicht 
eingehen und begriffen werden. Dann aber soll er in gesicherter Ruhe 
leben. Denn Herbarts Philosophie steht kampfbereit da, um mit über 
legener Geistesklarheit alle feurigen Pfeile des Pantheismus re. wie mit 
einem unverwundbaren Schilde nötigenfalls abzuwehren. 
Indessen, bevor die Heilslehre begrifflich oder unterrichtlich gelehrt 
wird, verkehren die Kinder — teils massenhaft durch die Lehrer an 
geleitet, teils durch die Familie darin unterstützt — umgangsweise 
mit dem Herrn Jesus. — Das eigentliche Ziel der Erziehung ist 
„Charakterstärke der Sittlichkeit." Dies Ziel ist aber „natür 
lich ein religiös-sittliches". Alles Ethische findet sein Spiegelbild in 
der Religionslehre. Ich würde sagen: alles Ethische findet sein Ur 
bild in der Religion, in unserm direkten persönlichen Gottesverhältnis: 
mein Verhältnis zu Gott, den ich über alle Dinge lieben soll, als 
das eigentliche ethische Verhältnis ist Grundlage, Voraussetzung, 
und Korrelat für mein moralisches Verhalten zu den Menschen, die 
Gottesliebe Urbild und Vorbild der Menschen- und Nächstenliebe.**) 
„Sobald der Erzieher in der Gottheit das Ideal der Persönlichkeit 
realisiert findet, ist jede ethische Forderung für ihn zugleich eine religiöse, 
weil — auch Gott das Gute will." — Wie seltsam ist diese Aus 
drucksweise! Fast klingt es, als sei letzteres das Sekundäre, als wenn 
man sich freute, daß auch Gott moralisch sei. 
„Wo ferner Charakterstärke der Sittlichkeit fehlt, kann es auch nicht 
*) Hier kam mir ein Bedenken. Könnte man nicht auch sagen: „Durch die 
Arbeit des heiligen Geistes an dem Gewissen eines deutschen Mannes"? 
**) Vergl. hierzu Max Müller, Vorlesungen über Religion am Schluß, 
Seite 4 30.
	        
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