H. Trenkel: Klein und rein.
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Klein und rein.
Ein Vortrag des Seminar-Oberlehrers H. Trenkel in Köthen.
„Klein, das will sagen: einfach, bescheiden, demütig; rein, das will
sagen: frei von Unrecht und ohne Schulden." So legt Wilhelm Oertel
das Sprichwort „klein und rein" aus und nimmt dann Gelegenheit, vor
dem Hochmut und vor dem Borgen zu warnen, woran so viele zugrunde
gehen, und vor dem Großmogultum, in das sich auch ein recht unsauberer
Patron hüllen kann.
Seiner elliptischen Form wegen muß sich das Wort jedoch gefallen
lassen, wenn ihm andere einen andern Sinn unterlegen. Die Ellipse
gehört zu der Figurengruppe der Verschweigungen, und wo etwas halb
angedeutet und halb verschwiegen wird, da hat jeder das Recht, sich
seine eigenen Gedanken zu machen. Ich z. B. suche den Sinn garnicht
so weit und übersetze das Wort einfach durch „eng und sauber." Ich
meine, es zeichnet jene anmutende Erscheinung in der beschränkten Häus
lichkeit des einfachen Bürgertums, das sich sein bescheidenes Heim nett
und angenehm zu machen weiß, — jenen Sinn, nach welchem kleine
Leute in dem ihnen angewiesenen Kreise ihr Genüge finden, weil der
selbe ihnen lieb und traut geworden ist, — jene Herzensstellung, nach
welcher sie ohne begehrliche Blicke auf größere Verhältnisse still und
zufrieden ihre Wege gehen und nichts anderes sein wollen und sein
mögen, als sie sein können und sein dürfen.
Gesetzt nun, meine Auslegung wäre die richtige, was trägt sie uns
ein? Altes gutes Gold — und das sind unsere Volkssprüche — läßt
sich überall verwerten; das trifft auch bei unserem Worte zu. Man
braucht nur die Subjektsellipse in der Weise zu ergänzen, daß man Schule,
Schulleben, Schulaufgabe und Schularbeit, Lehrersein und Lehrerstreben
einsetzt, und der Spruch ist ein pädagogisches Thema. „Nur eins von
zu geringem Belang, als daß es unser Interesse fesseln könnte," wendet
man vielleicht ein. Aber giebt es im Bereich des Lehrerlebens etwas
Kleines, das nicht Beachtung verdiente? „Gewiß, aber kein Thema für
unsere Zeit," meint möglicherweise ein anderer. Ich erwidere: „Wahrheit
bleibt Wahrheit, mag sie auch einmal durch die Verhältnisse und die
Strömung der Tagesmeinung in den Hintergrund geschoben werden."
Es fragt sich nur, ob das Thema wirklich Wahrheit enthält und somit
berechtigt ist.
„Rein," das sagen wir alle als gute Didaktiker, ist das erste Er
fordernis bei unserm Thun und Sein. Aber „klein"? Ich denke, auch