Full text: Evangelisches Monatsblatt für die deutsche Schule - 4.1884 (4)

.Christliche Gedanken über Herbart und die evangelische Pädagogik". 55 
welche in philosophischer Beziehung entweder gar nicht bis zu den letzten 
Fragen vorgedrungen sind oder aber in manchen Punkten auseinandergehen. 
Halle a. S- Glöckner. 
Ein Rat betreffend Herbart. 
(Brief an den Herausgeber). 
Hochgeehrter Herr Professor! 
Wenn es nicht unbescheiden ist, so erlaube ich mir, den geehrten 
Lesern Ihres Blattes hinsichtlich des Streites zwischen Herrn Glöckner 
und Herrn Lettau einen wohlgemeinten Rat zu erteilen. Im Christen 
tum kommt es auf den Glauben an Christum an. „Wer an Christum 
glaubet, hat das ewige Leben." Mit dem Glauben an Christum steht 
und fällt das Christentum. Der Glaube an Christum läßt aber viele 
dogmatische Standpunkte zu. Wie es denn auch Thatsache ist, daß kein 
einziger von den Kirchenvätern, auch nicht ein Augustin oder Athanasius, 
heute den Namen eines Rechtgläubigen, nach dem Maßstabe der lutheri 
schen Orthodoxie gemessen, für sich in Anspruch nehmen könnte. Trotz 
des verschiedenen dogmatischen Standpunktes, den dieselben der lutherischen 
Orthodoxie gegenüber einnehmen, fällt es aber keinem vernünftigen Men 
schen ein, ihnen deshalb den Glauben an Christum und damit Leben 
und Seligkeit abzusprechen, und ihre Schriften gelten heute noch, wie 
früher, für Fundgruben christlicher Weisheit, aus denen die Theologie 
wie aus einem köstlichen Borne nicht aufhört zu schöpfen. Wie viel 
Luther einem Augustin verdankt, ist bekannt, aber vor dem Gerichte 
lutherischer Rechtgläubigkeit würde er nicht bestehen. Was nun Herbart 
und seine Schule betrifft, so liegt kein vernünftiger Grund vor, zu behaupten, 
ein Herbartianer könne wegen seines philosophischen Standpunktes nicht 
an Christum glauben und somit kein wahrer Christ sein. Herbart selbst 
und die hervorragendsten Vertreter seiner Schule haben sich, wenn nicht 
alles trügt, für Christen gehalten und halten sich noch heute für solche. 
Die Hauptvertreter dieser Schule auf pädagogischem Gebiete haben den 
Glauben an Christum für das höchste Ziel eines Menschen und für das 
ideale Ziel der Erziehungsschule erklärt und als solches nachgewiesen. 
In den Dienst des Glaubens an Christum und des Reiches Gottes haben 
sie mit klarem Bewußsein ihre Arbeit gestellt, indem sie die Gesetze des 
Seelenlebens auf den Unterricht anwandten, um den Glauben an Christum
	        
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